Das sagt der renommierte Regionalökonom Professor Martin Junkernheinrich (Kaiserslautern) in einer Studie für das Innenministerium. Damit würde aber rund die Hälfte der 163 Verbandsgemeinden zu Fusionskandidaten - politischer Sprengstoff. Dazu ein Interview mit dem Innenminister von Rheinland-Pfalz, Karl Peter Bruch.
Playground@Landscape: Warum findet eine Gemeindereform oder Gemeindefusion überhaupt statt? Was ist der Anstoß? Minister Karl Peter Bruch: Die letzte große Funktional- und Gebietsreform in Rheinland-Pfalz liegt über dreißig Jahre zurück. Eine Optimierung der bestehenden kommunalen Gebietsstrukturen im Rahmen einer Kommunal- und Verwaltungsreform hält die Landesregierung mit Blick auf die Herausforderungen der Zukunft für unverzichtbar. So bedingen die erheblichen demografischen Entwicklungen mit zurückgehenden Einwohnerzahlen, einer größeren Zahl älterer Bürgerinnen und Bürger und einer Abnahme der Zahl der Jüngeren sowie die Situation der öffentlichen Finanzen entsprechende Anpassungen. Darüber hinaus erfordern Veränderungen des Aufgabenspektrums der Kommunen strukturelle Maßnahmen im kommunalen Bereich. Zudem ermöglichen neue Informations- und Kommunikationstechnologien eine ganz andere Art und Weise der Abwicklung von Verwaltungsangelegenheiten. Dieser Entwicklung gilt es bei der Gestaltung der kommunalen Strukturen ebenfalls Rechnung zu tragen.
Playground@Landscape: Warum ist eine Gemeindereform gerade in Rheinland-Pfalz sinnvoll? Minister Karl Peter Bruch: Rheinland-Pfalz hat bei einer Zahl von 4,02 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern 2.259 Ortsgemeinden, 163 Verbandsgemeinden, 27 verbandsfreie Gemeinden, acht große kreisangehörige Städte, 24 Landkreise und zwölf kreisfreie Städte. Im Vergleich mit den anderen Bundesländern gibt es demnach in Rheinland-Pfalz die meisten Kommunen.
In den Landkreisen besteht die örtliche kommunale Ebene überwiegend aus Verbandsgemeinden und Ortsgemeinden. Dies ist bundesweit einmalig und hat sich vom Grundsatz her in den vergangenen Jahrzehnten bewährt. Die Landesregierung sieht das System der Verbandsgemeinden und Ortsgemeinden als zukunftsfähiges Modell an. So stehen die Ortsgemeinden für schnelle und bürgernahe Entscheidungen. Die Ortsgemeinden sind außerdem eine Wurzel für ein sehr ausgeprägtes ehrenamtliches Engagement der Bürgerinnen und Bürger. Ohne das starke ehrenamtliche Engagement könnten schon heute viele kommunale Aufgaben überhaupt nicht mehr oder nicht in der jetzigen Art und Weise wahrgenommen werden.
Die Verbandsgemeinden führen einerseits die Verwaltungsgeschäfte für die Ortsgemeinden. Sie nehmen außerdem einige kommunale Selbstverwaltungsaufgaben wahr, die von den Ortsgemeinden allein regelmäßig nicht in der notwendigen Qualität und Wirtschaftlichkeit erfüllt werden können, beispielsweise die Aufgaben der Wasserversorgung, der Abwasserbeseitigung und des Brandschutzes. Des Weiteren üben die Verbandsgemeinden staatliche Aufgaben aus, etwa im Melderecht und im Pass- und Personalausweiswesen.
Um einerseits das grundsätzlich bewährte System der Verbandsgemeinden und Ortsgemeinden dauerhaft erhalten und andererseits angesichts der demografischen Entwicklungen und der öffentlichen Finanzen eine fachlich qualifizierte und wirtschaftliche Aufgabenwahrnehmung in den Verbandsgemeinden im Interesse der Ortsgemeinden sowie der Bürgerinnen und Bürger auch in Zukunft sicherstellen zu können, bedarf es Änderungen der Gebiets- und Verwaltungsstrukturen der Verbandsgemeinden. Entsprechendes gilt für die verbandsfreien Gemeinden. Sie erledigen die kommunalen Aufgaben, die ansonsten die Verbandsgemeinden und Ortsgemeinden wahrnehmen.
Die Verbesserung der Gebiets- und Verwaltungsstrukturen der verbandsfreien Gemeinden und Verbandsgemeinden bildet die erste Stufe einer ganzheitlichen kommunalen Strukturreform. In einer weiteren Stufe sollen die Landkreisgliederung und die Stellung der kreisfreien Städte einer näheren Überprüfung unterzogen werden.
Playground@Landscape: Was sind die prinzipiellen Argumente der Gegner der Gemeindereform?
Minister Karl Peter Bruch: In den Diskussionen über Gebietsänderungen von verbandsfreien Gemeinden und Verbandsgemeinden wird angezweifelt, dass größere verbandsfreie Gemeinden und Verbandsgemeinden kostengünstiger als kleinere Einheiten sind. Zudem befürchten Bürgerinnen und Bürger einen Verlust an Bürgernähe im Sinne einer Erreichbarkeit infolge der Bildung größerer verbandsfreier Gemeinden und Verbandsgemeinden.
Den Zusammenhang zwischen steigenden Einwohnerzahlen und abnehmenden Kosten einer Verbandsgemeinde hat eine jüngst durchgeführte wissenschaftliche Untersuchung zur Kommunal- und Verwaltungsreform in Rheinland-Pfalz eindeutig aufgezeigt. In dieser Untersuchung ist auch für verbandsfreie Gemeinden ein deutlicher Ortsgrößeneffekt auf die Kosten der allgemeinen Verwaltung nachgewiesen worden. Der Befürchtung eines Verlustes an Bürgernähe lässt sich mit den sehr umfangreichen Angeboten der Kommunen für einen Bürgerservice begegnen. Angestrebt wird, die bereits vorhandenen Serviceangebote der Kommunen im Zuge der Kommunal- und Verwaltungsreform weiter auszubauen. Noch mehr als bisher sollen die Bürgerinnen und Bürger dann die Möglichkeit haben, ihre Verwaltungsangelegenheiten in Bürgerbüros mit bürgerfreundlichen Öffnungszeiten und durch eine Nutzung der Angebote eines mobilen Bürgerservices und der eGovernment-Angebote schnell und unkompliziert zu erledigen.
Anzumerken ist allerdings, dass die Bürgerinnen und Bürger ohnehin regelmäßig nur sehr selten mit der Gemeindeverwaltung oder Verbandsgemeindeverwaltung unmittelbar in Kontakt treten müssen. Durchschnittlich geschieht dies etwa zweimal je Bürgerin und Bürger pro Jahr.
Playground@Landscape: Was wäre Positives der Reform? Gibt es Gemeinden in Rheinland, die besonders von der Reform profitieren oder „verlieren“ würden? Welche und warum? Minister Karl Peter Bruch: Die Kommunal- und Verwaltungsreform zielt auf eine Stärkung der langfristigen Leistungsfähigkeit, Wettbewerbsfähigkeit und Verwaltungskraft von Kommunen auf der Ebene der verbandsfreien Gemeinden und Verbandsgemeinden. Kommunen mit einer ausreichenden Leistungsfähigkeit, Wettbewerbsfähigkeit und Verwaltungskraft sind auch in Zukunft in der Lage, ihre eigenen Selbstverwaltungsaufgaben und die ihnen übertragenen staatlichen Aufgaben in fachlich hoher Qualität und wirtschaftlich wahrzunehmen. Zur Aufgabenwahrnehmung gehört die Bereitstellung eines angemessenen Angebotes öffentlicher Einrichtungen für die Bürgerinnen und Bürger. Eine wirtschaftliche Aufgabenwahrnehmung kann erheblich dazu beitragen, die Belastungen der Bürgerinnen und Bürger durch kommunale Abgaben zu reduzieren oder zumindest in Grenzen zu halten. Gleiches gilt für die Belastungen der Ortsgemeinden durch Umlagen an die Verbandsgemeinden. Die Umlagen sind das Hauptfinanzierungsinstrument der Verbandsgemeinden. Gewinner der Reform werden daher vor allem die Bürgerinnen und Bürger sowie die Gemeinden sein. Reformverlierer sind nicht zu sehen.
Playground@Landscape: Der Ministerrat hat heute in seiner Sitzung am 20. April 2010 die von Ihnen vorgelegten Entwürfe eines Ersten und eines Zweiten Landesgesetzes zur Kommunal- und Verwaltungsreform beschlossen. Wie sieht eine Bürgerbeteiligung darin aus? Minister Karl Peter Bruch: Die Kommunal- und Verwaltungsreform ist von Anfang an auf eine umfassende Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger angelegt gewesen. In einem bundesweit bisher einmaligen zweistufigen Verfahren haben sich die Bürgerinnen und Bürger in die Vorbereitung der Reform aktiv einbringen können. Sie haben in Regionalkonferenzen, Bürgerkongressen und Planungszellen sowie in einer repräsentativen telefonischen Umfrage mit 10.000 Befragten, einer Online-Umfrage und in zahlreichen Einzeleingaben an die Landesregierung ihre Meinung zur Kommunal- und Verwaltungsreform geäußert. Dabei sind von ihnen viele Anregungen, Vorschläge, Ideen, Hinweise und kritische Ausführungen im Hinblick auf die Verwaltungsstrukturen und kommunalen Gebietsstrukturen der Zukunft gekommen. Die Landesregierung hat die Ergebnisse der intensiven Bürgerbeteiligung in ihren Entwürfen für ein Erstes und ein Zweites Landesgesetz zur Kommunal- und Verwaltungsreform berücksichtigt.
Zur Verbesserung der Möglichkeiten einer unmittelbaren Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger in kommunalen Angelegenheiten sieht der Entwurf eines Ersten Landesgesetzes zur Kommunal- und Verwaltungsreform eine Absenkung des Mindestunterschriftenquorums für Bürgerbegehren und des Zustimmungsquorums für Bürgerentscheide vor. Damit soll die Durchführung von Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden auf der gemeindlichen Ebene erleichtert werden. Ebenso enthält dieser Entwurf eine so genannte Experimentierklausel. Deren Ziel ist es, im kommunalen Bereich auch neue Möglichkeiten einer unmittelbaren Beteiligung und Mitwirkung der Bürgerinnen und Bürger an kommunalen Selbstverwaltungsangelegenheiten verstärkt zu erproben.
Playground@Landscape: Das Erste Landesgesetzes zur Kommunal- und Verwaltungsreform sieht eine Verbesserung der kommunalen Gebietsstrukturen vor? Wie wird dieses realisiert?
Das Zweite Landesgesetzes zur Kommunal- und Verwaltungsreform sieht eine Verlagerung von Aufgaben vor? Wie? Minister Karl Peter Bruch: Mit dem Ersten Landesgesetz zur Kommunal- und Verwaltungsreform sollen grundsätzliche Regelungen für eine Stärkung der Leistungsfähigkeit, Wettbewerbsfähigkeit und Verwaltungskraft der Kommunen auf der Ebene der verbandsfreien Gemeinden und Verbandsgemeinden geschaffen werden. Nach dem zwischenzeitlich in den Landtag eingebrachten Gesetzentwurf der Landesregierung haben in der Regel verbandsfreie Gemeinden mit mindestens 10.000 Einwohnerinnen und Einwohnern und Verbandsgemeinden mit mindestens 12.000 Einwohnerinnen und Einwohnern eine ausreichende Leistungsfähigkeit, Wettbewerbsfähigkeit und Verwaltungskraft. Die Landesregierung geht davon aus, dass verbandsfreie Gemeinden und Verbandsgemeinden mit diesen Mindestgrößen auch in Zukunft ihre Aufgaben in hoher fachlicher Qualität und wirtschaftlich erfüllen können. Prinzipiell hängen die Einwohnerzahl einer Kommune und deren Leistungsfähigkeit sowie Verwaltungskraft eng miteinander zusammen.
Die angestrebte Stärkung der Gebiets- und Verwaltungsstrukturen auf der Ebene der verbandsfreien Gemeinden und Verbandsgemeinden soll durch Zusammenschlüsse von Kommunen erreicht werden. Dazu ist eine Freiwilligkeitsphase angesetzt worden. In der Freiwilligkeitsphase können verbandsfreie Gemeinden und Verbandsgemeinden selbst einen geeigneten Partner für einen Zusammenschluss auswählen und sich mit ihm über einen solchen Zusammenschluss näher abstimmen. Die Kommunen haben mithin in der Freiwilligkeitsphase die große Chance, selbst die Zukunft der kommunalen Strukturen vor Ort mitzugestalten. Erforderliche Gebietsänderungen, die nicht auf freiwilliger Basis zu Stande kommen, sollen nach dem Entwurf eines Ersten Landesgesetzes zur Kommunal- und Verwaltungsreform im Anschluss an die Freiwilligkeitsphase auch ohne Zustimmung der beteiligten Kommunen gesetzlich geregelt werden.
Der Entwurf eines Zweiten Landesgesetzes zur Kommunal- und Verwaltungsreform sieht überwiegend Aufgabenverlagerungen von Ministerien auf Mittelbehörden der Landesverwaltung, von dort auf Kommunen und innerhalb des kommunalen Bereiches auf die gemeindliche Ebene vor. Ziel dieser Zuständigkeitsveränderungen ist es, Aufgaben noch bürger-, sach- und ortsnäher ausüben zu können. Mit einer einhergehenden Optimierung von Verfahrensabläufen und Verwaltungsprozessen soll eine weitere Verbesserung der Qualität, Effektivität und Effizienz der Aufgabenwahrnehmung erreicht werden.
Der Ministerrat hat in seiner Sitzung vom 20. April 2010 die vorgelegten Entwürfe eines Ersten und eines Zweiten Landesgesetzes zur Kommunal- und Verwaltungsreform beschlossen. In die weiteren politischen Beratungen im Parlament fließen die Ergebnisse der begleitenden Gesetzesfolgeabschätzung und die vom Internationalen Institut für Staats- und Europawissenschaften in Berlin ausgearbeitete und kürzlich vorgestellte gutachterliche Stellungnahme zur Kommunal- und Verwaltungsreform ein. Die jetzt konzipierten Maßnahmen der Kommunal- und Verwaltungsreform sollen bis zu den allgemeinen Kommunalwahlen im Jahre 2014 abgeschlossen sein.
Das Interview führte Thomas R. Müller (Playground@Landscape)
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