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Internationales Fachmagazin für Spiel-, Sport- und Freizeitanlagen

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12.10.2021 - Ausgabe: 5/2021

Kinderreport Deutschland 2020 – Die Bedeutung des Draußenspielens für Kinder

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© eibe Produktion + Vertrieb GmbH & Co. KG

Themenschwerpunkt des Kinderreports 2020 war das Draußenspiel von Kindern in Deutschland. Im Einzelnen wurde abgefragt, wie wichtig es für Kinder ist, draußen zu spielen, und welche Gründe es geben könnte, warum Kinder nicht draußen spielen. Außerdem wurde erhoben, welche Maßnahmen das Draußenspielen für Kinder und Jugendliche erleichtern könnten und wie die Möglichkeiten von Kindern eingeschätzt werden, bei der Stadt und Freiflächenplanung – die maßgeblich das Draußenspielen von Kindern beeinflusst – mitzubestimmen. Schließlich wurde noch abgefragt, in welchen Bereichen Kindern und Jugendlichen generell mehr Rechte auf Mitbestimmung eingeräumt werden sollten. 

 

Bewertung der Wichtigkeit des Draußenspielens für Kinder 

Für 39 Prozent der befragten Kinder und Jugendlichen kommt dem Draußenspielen eine sehr große Bedeutung zu (10 Prozent „äußerst wichtig“ und 29 Prozent „sehr wichtig“), für weitere 31 Prozent ist es „wichtig“. Das sehen immerhin 29 Prozent anders: Für 23 Prozent ist das Draußenspielen „weniger wichtig“ und für 6 Prozent „gar nicht wichtig“. Damit bewegen sich die Ergebnisse in etwa auf dem Niveau der entsprechenden Befragung aus dem Jahre 2018. Damals kam für 41 Prozent dem Draußenspielen eine sehr große Bedeutung zu (12 Prozent „äußerst wichtig“ und      29 Prozent „sehr wichtig“), für 30 Prozent war es „wichtig“, und für 28 Prozent kam dem Draußenspielen keine Bedeutung zu (23 Prozent „weniger wichtig“ und 5 Prozent „gar nicht wichtig“). 

Die erwachsenen Befragten kommen zu ganz anderen Einschätzungen. Für                    89 Prozent kommt dem Draußenspielen eine sehr große Bedeutung zu (56 Prozent „äußerst wichtig“ und 33 Prozent „sehr wichtig“), für weitere 10 Prozent ist es „wichtig“. Auch hier bewegen sich die Ergebnisse in etwa auf dem Niveau der entsprechenden Befragung aus dem Jahre 2018. 

 

Politische Schlussfolgerungen  

Die Ergebnisse der Umfrage für den Kinderreport 2020 unterstreichen die kinderrechtliche und wissenschaftliche Perspektive auf das Draußenspiel: Ein Großteil der Kinder und der Erwachsenen misst diesem große Bedeutung bei. Dies trifft insbesondere auf die jüngeren Kinder zu. Bei den älteren Kindern sind hingegen deutlich niedrigere Werte zu beobachten. Deshalb sollte bei ihnen mit Bildungs- und Beteiligungsoffensiven, insbesondere im schulischen Bereich, angesetzt werden, um die Bedeutung des Draußenspiels zu vermitteln sowie ihre Bedarfe besser berücksichtigen zu können. Dabei ist herauszustellen, dass dem Spiel im Freien in der Natur, mit Gleichaltrigen und zwischen den Generationen, ein weitreichender Stellenwert persönlich wie gesellschaftlich zukommt. In den Blick genommen werden sollten insbesondere die Gymnasien, deren Schülerinnen und Schüler sich am wenigsten für das Draußenspiel aussprechen. 

Ausgehend von dem Befund, dass die Einschätzung zur Wichtigkeit des Draußenspiels bei Erwachsenen mit niedrigem Bildungsabschluss oder niedrigem Einkommen deutlich geringer ausfällt, ist auch diese Gruppe zu fokussieren, wenn es um Wissensvermittlung im Rahmen von Familienbildung geht.  

Im Hinblick auf den politischen Diskurs ist festzuhalten, dass dem Draußenspiel ein deutlich höheres Gewicht beigemessen werden sollte. Auch in Deutschland zeigt bereits die Gesetzeslage in Bund, Ländern und Kommunen, dass die Interessen von Kindern in der Stadt- und Raumplanung häufig wenig Beachtung finden. Dabei ist sowohl ein rasant fortschreitender Abbau von Spielflächen als auch die weit verbreitete Vernachlässigung von Qualitäten auf Spielflächen zu beobachten. Hier gibt es entsprechenden Handlungsbedarf. 

 

Was Kindern das Draußenspielen erleichtern würde 

Hauptgrund für die Kinder und Jugendlichen, nicht draußen zu spielen, ist das Fehlen anderer Kinder zum Spielen. Das gaben 54 Prozent der Befragten (17 Prozent „Trifft voll und ganz zu“ und 37 Prozent „Trifft eher zu“) an. Damit hat sich dieser Gesamtwert im Vergleich zum Kinderreport 2018 um 7 Prozentpunkte erhöht. Für die befragten Erwachsenen ist das Fehlen anderer Kinder nicht der Hauptgrund, dass Kinder und Jugendliche nicht draußen spielen. Nur insgesamt 34 Prozent (9 Prozent „Trifft voll und ganz zu“ und 25 Prozent „Trifft eher zu“) stimmen dieser Aussage zu. 

92 Prozent der Kinder und Jugendlichen plädieren für eine bessere Erreichbarkeit von Orten zum Draußenspielen beispielsweise durch kostenlose Busse und Bahnen, sichere Radwege oder grüne Wegeverbindungen.  Auch bei den Erwachsenen belegt die Forderung nach besserer Erreichbarkeit von Orten zum Draußenspielen beispielsweise durch kostenlose Busse und Bahnen, sichere Radwege oder grüne Wegeverbindungen den Spitzenplatz. Hier liegt die Zustimmungsrate sogar bei 94 Prozent. 

88 Prozent der Kinder und Jugendlichen sind der Auffassung, dass mehr Spielorte, die sich ganz in der Nähe der Wohnung befinden, wie ein kleiner Spielplatz, eine Wiese oder eine Spielstraße, das Draußenspielen erleichtern würden. Bei den Erwachsenen sind wiederum 94 Prozent der Befragten dieser Meinung. 

Auch mehr verkehrsberuhigte Bereiche in Wohngebieten, sogenannte Spielstraßen, werden von den Kindern und Jugendlichen eindeutig favorisiert. 87 Prozent der Befragten befürworten das als eine Maßnahme, die das Draußenspielen erleichtern würde. Auch bei den Erwachsenen treffen mehr verkehrsberuhigte Bereiche in Wohngebieten auf viel Zustimmung. 85 Prozent befürworten dies. 

Die Einrichtung von naturbelassenen Flächen im Wohnumfeld, sogenannte Naturerfahrungsräume, wird ebenfalls als sinnvolle Maßnahme angesehen, wenn es darum geht, Kindern und Jugendlichen das Draußenspielen zu erleichtern. 86 Prozent der Kinder und Jugendlichen sehen das so. Bei den Erwachsenen sind es insgesamt sogar 88 Prozent, die dies als mögliche Maßnahme befürworten. 

Große Sympathie gibt es auch für in den Schulalltag integrierte Angebote, die das Spielen im Freien vor allem im Rahmen von Ganztagsschulen ermöglichen. 84 Prozent der Kinder und Jugendlichen sprechen sich dafür aus. Auch hier befürworten die Erwachsenen diese Maßnahme etwas positiver (87 Prozent).  

 

Politische Schlussfolgerungen  

Die Umfrageergebnisse lenken den Blick auf die Umsetzung einer umfassenden kommunalen Stadtgestaltung, welche die Interessen von Bürgerinnen und Bürgern insgesamt, aber vor allem von Kindern im Speziellen – im Sinne kinderfreundlicher Kommunen – in den Fokus rückt. So etwa in der Städtebauförderung, denn konkrete Aussagen zu Grün- und Erholungsflächen und insbesondere zu Freiflächen für das kindliche Spiel sind bisher keine verbindlichen Fördervoraussetzungen. Außerdem werden beteiligungsorientierte Spielraumkonzepte und der Einsatz von bewährten Instrumenten wie der Spielleitplanung bisher nicht als besonders förderungswürdig angesehen. Vielmehr liegt es im Ermessen der beantragenden Kommunen, an welchen Stellen sie ihre Schwerpunkte setzen – hier haben die spezifischen Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen noch zu oft das Nachsehen. Dies sollte geändert werden, besonders kinderfreundliche Maßnahmen sollten bevorzugt gefördert werden. Darüber hinaus gilt es, einen Förderschwerpunkt auf die besonders stark verdichteten, innerstädtischen Quartiere zu legen, in denen die Kinder unter Mehrfachbelastungen leiden.  

Zur Bewertung, Sicherung, Weiterentwicklung und Zwischennutzung kindgerechter Freiräume sollte ein Spielraumgesetz die Einführung beteiligungsorientierter Konzepte und fachübergreifender Gesamtplanungen wie der Spielleitplanung fordern und zugleich aktiv fördern. Kinder und Jugendliche sind an solchen Gesamtplanungen mit geeigneten Methoden ebenso zu beteiligen wie an der verbindlichen Bauleitplanung. Über die verbindliche Bauleitplanung hinaus gilt es jedoch, Kinder und Jugendliche an allen Planungen in Stadt- und Verkehrsplanung zu beteiligen, bei denen ihre Belange direkt oder indirekt berührt werden. Der Kampagne „Mehr Freiraum für Kinder. Ein Gewinn für alle!“ in Nordrhein-Westfalen folgend, sollten alle Bundesländer entsprechende Unterstützungsangebote für kinderfreundliche Planungen und die Umsetzung der Maßnahmen an ihre Kommunen richten.  

Spielflächen vorzuhalten zählt derzeit nicht zur pflichtigen Aufgabe der Daseinsvorsorge. Lediglich das Land Berlin verfügt bereits seit Ende der 1970er Jahre über ein Spielplatzgesetz, einige andere Kommunen haben freiwillig Spielraumsatzungen erlassen. Die anderen Bundesländer sollten entsprechend dringend nachziehen und Spielraumgesetze erlassen. Dies würde auch dazu führen, dass Kommunen eine Flächenbevorratung vornehmen und wichtige, zum Draußenspiel geeignete Brachflächen stattdessen nicht zwingend als Bauland an den Höchstbietenden veräußern müssten. 

Ein wichtiger politischer Handlungsschritt sind zudem strengere Vorschriften bei der Pflicht zur Anlage eines hausnahen Spielplatzes beim Neubau von Wohngebäuden. Gleichzeitig ist es wichtig, die bestehenden Vorschriften konsequenter als bisher umzusetzen, zu kontrollieren und zu ahnden. Ausnahmen sollten immer von der Kommune eingeschätzt und nicht allein von den Architektinnen und Architekten oder Bauträgern entschieden werden. Für die in begründeten Einzelfällen mögliche Befreiung von der Pflicht sollten die Kommunen in jedem Fall eine Ablösesumme verlangen, die wiederum in öffentliche Spielplätze investiert wird.

Es geht beim Draußenspiel aber nicht nur um Spielplätze, sondern auch um Orte, an denen Kinder die Natur erfahren können – sogenannte Naturerfahrungsräume. Es ist dringend angezeigt, diese rechtlich im Baugesetzbuch zu verankern. Darüber hinaus müssen, vorausschauend und frühzeitig, ausreichend große Flächen in Stadtentwicklungsprozessen gesichert und neue Mittel für Einrichtung, Unterhaltung und Betreuung bereitgestellt werden. 

Nicht zuletzt sollte Kindern und ihren Interessenverbänden ein Instrument an die Hand gegeben werden, gegen die zunehmende Verdichtung in den Städten vorzugehen. Für Eingriffe in den Bestand an Spiel- und Freiflächen (z.B. Rückbau eines Spielplatzes) existieren keine Schutzmechanismen wie im Naturschutzrecht. Das gilt es zu ändern.  

Es muss dringend auf eine kinderfreundliche Stadt- und Verkehrsplanung hingewirkt werden, hierfür braucht es Anpassungen auf Bundes- wie Landesebene. Ein Instrument, um Kindern das Draußenspiel zu erleichtern, sind verkehrsberuhigte Bereiche. Diese verdrängen zwar nicht den kompletten Autoverkehr aus den Innenstädten, schaffen aber mehr Spielraum für Kinder und damit mehr Lebensqualität im Wohnumfeld. Die bisherige Rechtslage erschwert vielen Kommunen jedoch die Einrichtung von verkehrsberuhigten Bereichen. Darüber hinaus können auch temporäre Spielstraßen durch die Kommunen errichtet werden. Das Konzept der temporären Spielstraßen wird derzeit vielerorts erprobt, weil diese sich von dauerhaften Spielstraßen darin unterscheiden, dass sie nur zeitweise, d.h. beispielsweise für einen begrenzten Zeitraum von einigen Stunden einmal in der Woche, als Spielstraße fungieren und Kraftfahrzeuge von der Benutzung ausschließen. Dafür sind keine Gesetzesänderungen oder zwangsläufig größere bauliche Maßnahmen erforderlich. Somit können temporäre Spielstraßen zumeist ohne erheblichen Aufwand realisiert werden. 

Weitere zentrale Ergebnisse der repräsentativen Umfrage des Kinderreport 2020, den der Präsident des Deutschen Kinderhilfswerkes, Thomas Krüger, und die damalige Bundesfamilienministerin Dr. Franziska Giffey in Berlin vorstellten, unter www.dkhw.de 

 

 Plädoyer für Kinderrechte im Grundgesetz

„Gerade in Krisenzeiten dürfen wir die Interessen von Kindern und Jugendlichen nicht aus dem Blick verlieren", sagte Familienministerin Franziska Giffey (SPD), die die Vorstellung des Kinderreports unterstützte. Sie forderte mehr Mitsprache für Kinder und Jugendliche, nutzte die Gelegenheit, fürs Wählen ab 16 Jahren zu werben und den Koalitionspartner Union daran zu erinnern, dass Kinderrechte wie besprochen ins Grundgesetz müssten: „Wann, wenn nicht jetzt in diesen Zeiten, wird einem bewusst, wie wichtig die Kinderrechte sind. Wie wichtig es ist, dass die Kinderrechte bei allen staatlichen Entscheidungen auch mit berücksichtigt werden."

Was die aktuelle Corona-Lage angeht, so befürwortete die Familienministerin Öffnungsschritte in den Bundesländern, die Kindern zugutekommen. Allerdings betonte sie: Das seien natürlich immer Abwägungsfragen, die vor Ort entschieden werden müssten.

„Die Ergebnisse des Kinderreports 2020 zeigen die grundsätzliche Einschätzung der Menschen zum Draußenspiel vor der Corona-Pandemie. Als zentraler Hinderungsgrund wird von den befragten Kindern das Fehlen Gleichaltriger zum Spielen angegeben. Dies deutet unter anderem darauf hin, dass es vielerorts an zugänglichen Treffpunkten und Angeboten im direkten Lebensumfeld fehlt, an denen sich Kinder begegnen. Insbesondere Angebote der offenen Kinder- und Jugendarbeit sind deshalb eminent wichtig und müssen ausgebaut werden. Wir brauchen aber auch endlich kindgerechtere Kommunen in Deutschland. Dazu gehören ausreichend Freiflächen für das kindliche Spiel, beteiligungsorientierte Spielraumkonzepte und der Einsatz bewährter Instrumente wie der Spielleitplanung." Sagt Thomas Krüger, Präsident des Deutschen Kinderhilfswerkes.

 

 

 

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