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22.08.2014 - Ausgabe: 4/2014

Kunststoffrasenbeläge: Umweltverträglichkeit nach DIN 18035

Kommentar zur Überarbeitung der DIN-Norm vom Sachverständigen HJ. Kolitzus

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Die Umweltverträglichkeit von Kunststoffrasenbelägen wurde in der Vergangenheit nach DIN V 18035-6:2004 bzw. DIN V 18035-7:2002 geprüft. Beide Normen mussten auf Anordnung der Europäischen Kommission zurückgezogen werden - das gilt insbesondere auch für die umstrittene DIN SPEC 18035-7:2011. Die für Kunststoffrasenbeläge allein gültige Norm ist EN 15330-1:2013. (Für Kunststoffbeläge ist es die EN 14877:2013.) Da diese EN-Normen jedoch nur Angaben zum eigentlichen Belag enthalten, wurden DIN 18035-7:2013 und DIN 18035-6:2013 in überarbeiteter Form herausgegeben (die endgültige Neufassung von DIN 18035-7 wird Mitte 2014 veröffentlicht; von DIN 18035-6 liegt z.Zt. nur die Entwurfsfassung von 2013 vor). Diese Normen betreffen nur noch Aspekte des Unterbaus. Lediglich die Umweltverträglichkeits-Prüfung (UVP) ist erhalten geblieben.

Man hat die UVP in einigen wichtigen Punkten entrümpelt, indem man erstens den Nitrifikationshemmungs-Versuch und zweitens die Elution in CO2 gesäuertem Wasser eliminiert hat. Der Nitrifikationsversuch hat sich als fragwürdig erwiesen und die Elution in angesäuertem Wasser als überzogen. Darüber hinaus hat man die Elution auf 24h beschränkt und das führt zwangsläufig zu höheren Elutionswerten. Außer den Bewertungskriterien für den DOC-Gehalt hat man aber die Bewertungskriterien mehr oder weniger belassen, wie sie vorher für die 48h-Elution galten – ein ziemlich willkürliches Verfahren. Die Bestimmung von Phthalaten und Chlorparaffinen wurde hinzugenommen als zu beobachtende Parameter. Dies erscheint überflüssig, weil dafür keine Richt/Orientierungswerte vorhanden sind und die Untersuchungen der Vergangenheit gezeigt haben, dass diesbezüglich kein Handlungsbedarf im Sportplatzbau besteht, weil diese Stoffe praktisch bei Sportböden nicht gefunden wurden (das soll jedoch nicht heißen, dass diese Stoffe unbedeutend sind).

Wichtig ist, dass die Beurteilung der Umweltverträglichkeit nur noch als Empfehlung („Anhang B Umweltempfehlungen“) aufgeführt wird: Abschnitt 4.12 „Die Auswirkungen der Kunststoffrasensysteme auf Boden und Grundwasser werden im informativen Anhang B behandelt“. Die vorsichtige Formulierung lässt erahnen, dass das Verfahren noch ungesichert ist.

Die Tabelle mit den Umweltempfehlungen gilt für Elastikschichten, Kunststoffrasenbeläge und Infill-Materialien gleichermaßen. Es ist erstaunlich, dass die gleichen Bewertungskriterien undifferenziert für alle Komponenten gelten sollen!

Während das Verfahren für Kunststoffrasenbeläge und Infill-Materialien i.W. analog dem alten Verfahren (2002 bzw. 2004) durchgeführt werden kann, hat man sich für die Untersuchung von Elastikschichten etwas Neues einfallen lassen: Statt diese Schichten in Würfel zu zerschneiden, die Schnittkanten mit PUR-Bindemittel zu versiegeln und die Würfel dann dem Elutionsversuch zu unterwerfen, sollen nun aus der Elastikschicht Bohrkerne ausgeschnitten (Durchmesser 8 – 10 cm) und in einem Zylinder durchströmt werden – ein vollständiger Paradigmenwechsel: von der Elution zur Säulenmethode.

Erstaunlicherweise geht der Norm nach dem ersten Abschnitt (7.8.1) die Luft aus: es müsste jetzt festgelegt werden, wie viel Wasser wie oft bzw. wie lange die Probe durchströmen soll (Kontaktzeit) etc. Diese Situation erfordert auch eine völlige Überarbeitung der Bewertungskriterien. Aus unterrichteten Fachkreisen ist zu hören, dass der DIN Arbeitsausschuss sich da in eine Sackgasse manövriert hat. Am deutlichsten hat sich diese Situation bei der Untersuchung von wasserundurchlässigen Kunststoffbelägen gezeigt: wie soll da ein Durchströmen erzeugt werden? Deshalb hat das Bundesinstitut für Sportwissenschaft einen Forschungsauftrag an die BAM vergeben. Das Ergebnis wird im Herbst 2014 erwartet. Bis daraus etwas für die Praxis wird, vergehen allerdings erfahrungsgemäß sicher noch 2 Jahre.

Die Untersuchung von Elastikschichten kann somit nach der neuen DIN 18035-7:2014 nicht durchgeführt werden. Aber wie denn dann? Schließlich wird in vielen Ausschreibungen danach verlangt. Es geht wohl nicht anders, als diese Untersuchungen nach der alten Methode (2002 bzw. 2004) durchzuführen. Das betrifft die Herstellung von Würfeln und die PUR-Versiegelung der Schnittflächen. Die Elutionen selbst sind dagegen in nicht-gesäuertem Wasser 24h lang durchzuführen und die Ergebnisse nach den Umweltempfehlungen von DIN 18035-7:2014 zu bewerten. Wie allerdings elastische Tragschichten (d.h. Elastikschichten mit Mineralkörnern) im Elutionsverfahren oder nach der Säulenmethode untersucht werden sollen, bleibt ein Geheimnis der Prüflabors. Diese ergänzenden Bemerkungen sind auch für die Zertifizierungsprogramme „Kunststoffrasenbeläge“ und „Kunststoffbeläge“ von DIN Certco anwendbar, die bereits die neuen DIN 18035-6 und -7 vorweggenommen haben, leider auch mit ihren Handicaps. (http://www.dincertco.de/media/dincertco/dokumente_1/zertifizierungsprogramme/Kunststoffrasenflaechen_Zertifizierungsprogramm.pdf).

Das Umweltverträglichkeitskonzept war eine Zeit lang ein deutsch-schweizer Gemeinschaftsprojekt (seit Mitte der 90er Jahre). Im Jahre 2007 wurde das Thema in der Schweiz einer kritischen Prüfung unterzogen und man gelangte dabei zu einem völlig anderen Ergebnis. Es wurde ein großangelegter Freiluftversuch durchgeführt. Dabei wurden die verschiedensten Belagsarten mit komplettem Unterbau in sog. Lysimetern (Durchmesser 1m) eingebaut und der natürlichen Beregnung ausgesetzt. Das durch die Beläge sickernde Wasser wurde aufgefangen und analysiert. Es stellte sich heraus, dass die Elutionsmethode ein willkürliches Verfahren ohne Praxisrelevanz darstellt und überhaupt die Sickerwässer kritische Stoffe nur in vernachlässigbarer Menge enthielten. Auf jeden Fall wurde praktisch kein Zink gefunden. So wurde die Elutionsmethode aufgegeben und die Vorschriften hinsichtlich der Umweltrelevanz auf ein Minimum reduziert (Veröffentlichungen Bundesamt für Sport BASPO Nr. 112 und 113 in 2008). Das wurde in den DIN-Arbeitsausschüssen nicht einmal diskutiert.

In CEN TG 217 „Sportböden“ wurde der Gedanke der Schweizer aufgegriffen. Es wurde in einer speziellen Arbeitsgruppe diskutiert, wie man die Freiluftversuche labormäßig nachvollziehen kann. Leider ist in dieser Diskussion mittlerweile wenig Fortschritt zu verzeichnen.

Es dürfte von Interesse sein, wie es zum UVP-Konzept a la DIN 18035 überhaupt kam. Der Autor war bei der Geburt des UVP-Systems in den frühen 80er Jahren persönlich involviert. Aufgrund unerfreulicher Auseinandersetzungen über toxische Inhaltsstoffe in mineralischen Sportplatzbelägen (Tennenbelägen) in den 1960er und 70er Jahren (Arsen in Rotgrand-Belägen) hat die damalige Fa. Balsam bei der Stadt Bielefeld eine große Anzahl verschiedenster Kunststoffbeläge auf Inhaltsstoffe nach der Elutionsmethode untersuchen lassen. Das Ergebnis dieser Untersuchungen zeigte, mit welchen eluierbaren Inhaltsstoffen (hauptsächlich Schwermetalle) in welcher Bandbreite zu rechnen war. Die damaligen Referenzwerte markierten praktisch die Bandbreite.

In der Schweiz war Anfang der 80er Jahre festgestellt worden, dass das von Kunststoffbelägen ablaufende Regenwasser eine sehr niedrige Oberflächenspannung aufwies (Schaumbildung in Vorflutern) und beträchtliche Mengen Quecksilber enthielt. Beide Ansätze wurden zeitweilig gemeinsam beraten und führten zu parallelen Richtlinien. Aus der Schweiz wurde leider noch das unselige Nitrifikations-Hemmungs-Verfahren als Messverfahren für das toxische Potenzial der Eluate beigesteuert.

Die damaligen Referenzwerte waren somit pragmatisch/statistisch ermittelte Orientierungswerte, die erkennen ließen, ob ein Produkt ungewöhnliche Eigenschaften aufwies und insofern einer eingehenderen Untersuchung bedurfte. Im Laufe der Jahre wurde der Ursprung der UVP-Prüfung vergessen und das Verfahren hat sich "verselbständigt", indem die Referenzwerte/Bewertungskriterien in den früheren Normen (2002 + 2004) sachlich unbegründet zu "Grenzwerten" mutierten.

[Bemerkung: Die Bestimmung von EOX (extrahierbare halogen-organische Verbindungen) wird von unabhängigen Fachleuten in Frage gestellt. Welcher Belag wird stundenlang in Hexan extrahiert? Viel sinnvoller wäre ein GC-MS-Screening mit dem Ziel kritische Weichmacher, PAK etc. zu identifizieren. Aber das sind z.Zt. nur Überlegungen, die erst noch in eine praktikable Richtlinie umgesetzt werden müssten.]

Eine Rechtfertigung für die Zementierung des Verfahrens wurde mit der Behauptung gefunden, dass die Sportplatzbeläge dem Bodenschutzgesetz unterlägen. Das hat zur Folge, dass die Elution von Zink sich oft als kritisch erweist. Es ist aber nicht einzusehen, dass die wenigen Milligramm Zink, die insgesamt während einer langen Nutzungsperiode eines Sportplatzbelages an das Sickerwasser abgegeben werden, angesichts von Tausenden Tonnen Gummistaub von Fahrzeugreifen, die jährlich wieder und wieder in die Landschaft verteilt werden, kritisch bewertet werden. Der Gummistaub gibt wegen seiner großen relativen Oberfläche weit mehr Zink ab als der körnige bzw. faserige Gummizuschlagstoff in Sportbelägen.

Die Umweltexperten im DIN-Ausschuss müssen endlich darlegen, warum Sportbeläge unter die Bodenschutzverordnung fallen. Das haben sie bisher nicht getan. Wenn diese Verordnung schon gelten soll, warum wird §2, Abschnitt 2.2 ignoriert? Dort wird eine Zinkmenge von 1200g/ha und Jahr zugelassen. Das wären 120 mg/m² und Jahr. Eine Elutionsmenge von 0.5mg/l Zink im Elutionsversuch bedeutet umgerechnet auf den m² Kunststoffrasenbelag mit rd. 5kg Gummigranulat-Infill eine Belastung von total 25mg/m².

Schließlich fragt man sich, warum der Umweltschutz überhaupt in einer sporttechnischen Norm zentral geregelt werden muss. Schon aus normungstechnischen Gründen sollten unterschiedliche Sachverhalte getrennt kodifiziert werden, um zu verhindern, dass bei Änderungen im einen Sachgebiet gleich alle übrigen Sachgebiete auch betroffen sind. Ein öffentlicher Auftrag liegt nicht vor. Es kann nicht angehen, dass diesbezüglich unerfahrene Planer und Verwaltungsleute dieses Thema bestimmen. Der Umweltschutz ist Sache der jeweils zuständigen Fachbehörden und von Fall zu Fall zu prüfen. Umweltschutz umfasst im Übrigen mehr als nur die im Belag enthaltenen Stoffe.

Text+ Fotos:
Dipl.-Ing. Hans-Jörg Kolitzus
öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger a.D.
hjkolitzus@bluewin.ch

 

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