Logo

Playground@Landscape

Internationales Fachmagazin für Spiel-, Sport- und Freizeitanlagen

Slide 0
Slide 1
Slide 2
Slide 6
Slide 7
Slide 8
15.08.2023 - Ausgabe: 4/2023

Mikroplastik auf Kunstrasenplätzen – EU-Kommission beschließt Reglementierung

Photo
© VRD /stock.adobe.com

Über vier Jahre nachdem die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) ihren Vorschlag zur Einschränkung von Mikroplastikemissionen veröffentlicht hatte, hat die EU-Kommission in einer Ausschusssitzung zur EU-Chemikalienverordnung REACH im April 2023 vorgeschlagen, Mikroplastik in den Anhang XVII der Verordnung aufzunehmen und ab sofort stärker zu reglementieren. Die Mitgliedsstaatsdelegationen hatten dem ebenfalls im April zugestimmt. Damit ist der Weg zu Umsetzung frei.

Auch auf Einstreugranulate auf Kunststoffrasenplätzen geht die Kommission direkt ein und beschließt ein Verbot der Inverkehrbringung nach einer Übergangsfrist von 8 Jahren. In der offiziellen Verordnung wird der Verlauf der Entwicklung noch einmal zusammengefasst.

Am 29. Januar 2019 veröffentlichte die ECHA ein Dossier nach Anhang XV, in dem sie zu dem Schluss kommt, dass die absichtliche Verwendung von Mikropartikeln aus synthetischen Polymeren, die zu Freisetzungen in die Umwelt führen, ein Risiko für die Umwelt darstellt, das nicht angemessen beherrscht wird und auf einer unionsweiten Basis angegangen werden muss. Zum Thema Einstreugranulate auf dem Kunstrasenplatz wird in dem Zusammenhang gefordert (Originaltext aus der Verordnung):

„(19)     Im Dossier nach Anhang XV wurden mehrere Beschränkungsoptionen für Einstreugranulat für synthetische Sportböden bewertet, und es wurde entweder ein Verbot des Inverkehrbringens mit einem Übergangszeitraum von sechs Jahren ohne Ausnahmen oder ein Verbot des Inverkehrbringens mit einem Übergangszeitraum von drei Jahren vorgeschlagen, wobei eine Ausnahme von diesem Verbot möglich ist, wenn durch Anwendung spezifischer Risikomanagementmaßnahmen sichergestellt wird, dass die jährliche Freisetzung von synthetischen Polymermikropartikeln aus synthetischen Sportböden 7 g/m2 nicht überschreitet".

Am 3. Juni 2020 nahm der Ausschuss für Risikobeurteilung (RAC) der Agentur eine Stellungnahme zum Dossier nach Anhang XV an. Zu den Granulaten heißt es dort:

„(30)     In Bezug auf das Inverkehrbringen von Einstreumaterial für synthetische Sportböden sprach sich der RAC unter Berücksichtigung von Erwägungen in Bezug auf die Emissionsreduzierung, Praktikabilität und Durchsetzbarkeit eindeutig für ein Verbot des Inverkehrbringens nach einem Übergangszeitraum gegenüber einer von der Umsetzung von Risikomanagementmaßnahmen abhängigen Ausnahme von dem Verbot aus. Der Hauptgrund dafür bestand darin, dass Einstreumaterial für Sportböden aus Kunstrasen der größte Verursacher von Mikroplastik in Produkten und die größte Quelle von Umweltemissionen absichtlich vorhandener synthetischer Polymermikropartikel auf europäischer Ebene ist. Der RAC hatte zudem Bedenken hinsichtlich der Wirksamkeit der vorgeschlagenen Risikomanagementmaßnahmen, insbesondere in Bezug auf bereits vorhandene Sportböden und kleinere Partikel. Darüber hinaus befürwortete der RAC den genannten Grenzwert von 7 g/m2/Jahr nicht als akzeptablen Schwellenwert, da dieser Wert für sich genommen immer noch erhebliche kontinuierliche Freisetzungen in die Umwelt impliziert.”

Schlussendlich beschloss die EU-Kommission:

„(53)     In Bezug auf Einstreugranulat für synthetische Sportböden hält die Kommission eine Verlängerung des Übergangszeitraums für das Verbot des Inverkehrbringens auf acht Jahre für gerechtfertigt, um sicherzustellen, dass eine größere Anzahl bereits vorhandener synthetischer Sportböden, bei denen dieses Produkt verwendet wird, das Ender ihrer Lebensdauer erreichen können, bevor sie ersetzt werden müssen.“

Letztendlich ist das Verbot der künstlichen Einstreugranulate wie erwartet gekommen. Die Kommission hat die ursprünglich vorgeschlagene Übergangszeit sogar nochmal auf 8 Jahre verlängert, damit bestehende Kunststoffrasenplätze nicht frühzeitiger einer erzwungenen Sanierung unterworfen werden. Ob diese zwei Jahre mehr wirklich einen Ausschlag geben, sei aber dahingestellt. Schließlich hat ein durchschnittlicher Kunststoffrasenplatz eine Lebensdauer von 15 Jahren.

Die Betreiber der Sportplätze sind nun gefragt, mit der Entscheidung umzugehen. Für alle Plätze, die in den kommenden 8 Jahren ohnehin saniert werden müssen, gibt es keine großen Probleme, da der Markt mittlerweile zahlreiche Alternativen beim Sportkunststoffrasen vorhält. Für alle anderen Plätze werden Lösungen gefunden werden müssen. Auch wenn schon seit 2019/2020 viele Sportplätze ohne Einstreugranulat aus Kunststoff gebaut wurden, wird es dennoch eine große Anzahl geben, die nach 8 Jahren dann theoretisch „zwangsumgebaut“ werden müssten. Vermutlich wird aber die Einlagerung größerer Bestände an Einstreugranulaten aus Kunststoffbasis die Lösung sein. Ob das im Sinne der Erfinder der EU-Verordnung ist, ist natürlich fraglich. Bei einigen Kunstrasensystemen ist aber auch ein Austausch gegen ein Einstreugranulat auf Naturbasis ohne Umbau möglich.

Es wäre sicher sinnvoller gewesen, eine Regelung zu schaffen, die besagt, dass ab einem bestimmten Tag x nach einem Austausch einer Kunststoffrasenoberfläche keine künstlichen Einstreugranulate mehr genutzt werden dürfen. Damit hätte sich die Problematik früher oder später von selbst erledigt. Denn wie in dem Zusammenhang bereits an früherer Stelle gesagt, stellt jede Kunststoffrasenoberfläche, die früher als notwendig ausgetauscht wird, ebenfalls eine große Masse an Abfall dar, die entsorgt werden muss. Von Nachhaltigkeit und Umweltschutz ist dabei nicht viel zu spüren, was die Intention der jetzt getroffenen Regelung ein wenig ad absurdum führt. Und warum kurzfristig mögliche Filterlösungen in der Drainage zur Eindämmung von Emissionen einfach „abgebügelt“ wurden, bleibt ebenso schleierhaft, wie die Tatsache, dass Kosmetikprodukte wie Lippenstifte und Make Up, die eine deutliche kürzere Lebensdauer haben, mit 12 Jahren eine längere Übergangszeit zur „Mikroplastik-Befreiung“ bekommen, als der Kunststoffrasenplatz. Mal ganz abgesehen davon, dass das Ganze direkt die sportliche Aktivität von Millionen EU-Bürgerinnen und -bürgern beeinflusst.

Auch wenn es nach vier Jahren des Prozesses jetzt eine Entscheidung gibt, letztlich verliert der Sport. Nur gut, dass es auf dem Markt mittlerweile viele gute alternative Lösungen gibt, mit der das Sporttreiben auf Kunststoffrasensportplätzen weiterhin gesichert ist.

TT

Mehr zum Thema Sports & Leisure Facilities

image

Sports & Leisure Facilities

Erst prüfen – dann sanieren!

In den vergangenen Jahren hat die Anzahl der Kunststoffrasenplätze zur Sportausübung weiter zugenommen und alte Geläufe wie Tennenplätze größtenteils verdrängt. Gründe für diese Entwicklung sind unter anderem die...

image

Sports & Leisure Facilities

Den Herausforderungen gewachsen –der Kunststoffrasenplatz der Zukunft

Der richtige Belag für einen Sportplatz ist immer wieder Inhalt vieler Diskussionen. Bei Fußballplätzen war es in den letzten Jahren eigentlich nur die Frage, ob Natur- oder Kunststoffrasen. Oft fiel dabei die Wahl auf letztgenannte Variante, weil...

image

Sports & Leisure Facilities

Der demographische Wandel in Bewegung - Sporträume für die ältere Generation

Es dürfte kaum jemandem entgangen sein, dass sich die Altersstruktur unserer Gesellschaft in den vergangenen Jahrzehnten stark verändert hat. Oder um es kurz zu sagen: das Durchschnittsalter steigt stetig an. Die soziologischen Gründe, die...

image

Sports & Leisure Facilities

Sport in der Stadt – warum mehr Bewegungsmöglichkeiten auch ein Mehrwert für die gesamte Gesellschaft sind

Sport und Bewegung sind für viele Menschen tagtägliche Aktivitäten und Bausteine für ein langes und gesundes Leben. Allerdings herrscht bei vielen anderen eher ein Bewegungsmangel vor und auch bei Kindern nimmt der Grad der täglichen körperlichen Aktivität zunehmend ab. Es sind die...

image

Sports & Leisure Facilities

Street- und Basketball – Klassiker im Outdoor-Freizeitsport

Im Vergleich mit vielen anderen Sportarten ist Basketball verhältnismäßig jung. Die Sportart wurde 1891 von einem Pädagogen namens James Naismith in den USA entwickelt und sollte ein Gegenentwurf zu anderen eher kampfbetonten Ballsportarten sein. Heute ist Basketball ein auf der ganzen Welt bekannter und...

image

Sports & Leisure Facilities

Sportstätteninfrastruktur im Fokus – Herausforderungen der 2020er Jahre

Schon seit vielen Jahren wird über Zustand und Erfordernisse der Sportstätteninfrastruktur in Deutschland diskutiert und dabei meist ein erheblicher Modernisierungsmangel sowie Sanierungsstau festgestellt. Und obwohl vielerorts auch viele...