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Internationales Fachmagazin für Spiel-, Sport- und Freizeitanlagen

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15.12.2016 - Ausgabe: 6/2016

Sporttreiben und Wohnen in der Stadt - zum Interessenausgleich zwischen Sportentwicklung und Lärmschutz

von Klaus Hebborn, Deutscher Städtetag, Beigeordneter Dezernat Bildung, Kultur, Sport und Gleichstellung

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Wohnen und Sport stellen wesentliche Elemente von Urbanität und Lebensqualität in unseren Städten dar. Sie sind sich ergänzende Nutzungen, die in räumlicher Nähe möglich sein müssen. Nach der Leipzig-Charta hat sich das Leitbild von der funktional gegliederten Stadt zur funktionsgemischten und räumlich geschlossenen Stadt, die sich überwiegend durch Innenentwicklung erneuert und weiterentwickelt, gewandelt. Innenentwicklung bedeutet dabei vor allem, dass die Städte in die Lage versetzt werden, sinnvolle bzw. gewünschte Nutzungsmischungen – hier Wohnen und Sporttreiben – zulassen zu können.

Notwendig ist somit ein fairer und langfristig tragfähiger Ausgleich zwischen den Interessen von Sporttreibenden an der Nutzung von (möglichst) wohnungsnahen Sportanlagen auf der einen Seite und dem ebenso berechtigten Ruhebedürfnis der Nachbarschaft solcher Anlagen auf der anderen Seite. Ein solcher Ausgleich schließt eine unbeschränkte Nutzung von Sportanlagen ebenso aus wie deren Verdrängung an die Peripherie der Städte.

 

Problemlagen und Ursachen

Die seit 1991 geltende Sportanlagenlärmschutzverordnung (18. BImSchV) ist seit jeher auf den Ausgleich der verschiedenen Interessen ausgerichtet und hat sich in der kommunalen Praxis grundsätzlich bewährt. Mit ihr werden Sportanlagen, entsprechend dem politischen Ziel der Förderung von Schul- und Vereinssport, gegenüber anderen Nutzungsformen wie beispielsweise Freizeit- und Gewerbeanlagen privilegiert. Gleichwohl haben sich in den letzten Jahren vermehrt Konflikte beim Nebeneinander von Sport- und Wohnbedürfnissen vor allem im verdichteten großstädtischen Bereich ergeben, die nicht selten vor den Gerichten ausgetragen werden. Vielfach führen die Auseinandersetzungen zu Nutzungseinschränkungen bei Sportanlagen, die den organisierten Sport empfindlich treffen.

 Für die Situation sind insbesondere folgende Entwicklungen ursächlich:

 

  • Bauliche Verdichtung im städtischen Raum, verbunden mit sog. heranrückender Wohnbebauung;
     
  • steigende Lärmbelastung der Bevölkerung (z. B. durch Verkehr) und niedrigere Toleranzschwelle gegenüber (Sport-)Lärm;
     
  • Verdichtung der Nutzung von Sportanlagen an späten Nachmittags- und Abendstunden sowie an Wochenenden durch verschiedene gesellschaftliche Entwicklungen wie beispielsweise Veränderungen im Schulalltag (G8-Ganztagsschulausbau), Änderungen in der Arbeitswelt oder verändertes Freizeit- und Sportverhalten;
     
  • Gefährdung bzw. Verlust des sog. „Altanlagenbonus‘“ bei Modernisierungen von Sportanlagen mit der Folge von Nutzungseinschränkungen oder Schließungen von Sportanlagen;
     
  • zusätzliche Auflagen und Anforderungen an passiven Lärmschutz, verbunden mit erheblichen Investitionen und Kosten;
     
  • unterschiedliche Behandlung von „Kinderlärm“ je nachdem, ob Aktivitäten innerhalb oder außerhalb normierter Sportanlagen stattfinden.

 

Mögliche Lösungen und Maßnahmen

Der Koalitionsvertrag für die laufende Legislaturperiode des Deutschen Bundestages enthält das Ziel, die Interessen des Sports in immissionsschutzrechtlichen Konfliktlagen angemessen zu berücksichtigen und eine Änderung der einschlägigen rechtlichen Bestimmungen zu prüfen.

Der angestrebte Interessenausgleich sollte durch ein Bündel differenzierter Maßnahmen hergestellt werden. Dabei sind die immissionsschutzrechtlichen Bestimmungen wie die Sportanlagenlärmschutzverordnung ebenso in den Blick zu nehmen wie das Baurecht. Eine schlichte pauschale Erhöhung der zulässigen Immissionswerte mag zwar vordergründig für den Sport rechtlich eine Verbesserung darstellen; es darf aber bezweifelt werden, ob allein dadurch vor Ort tatsächlich nachhaltig tragfähige Lösungen gefunden werden. Notwendig sind vielmehr ein Bündel von Maßnahmen, vor allem aber für die Bürgerinnen und Bürger nachvollziehbare und mit ihnen erarbeitete Interessenausgleiche vor Ort.

Grundsätzlich sollte angestrebt werden, an einer bundesweit geltenden Regelung festzuhalten. Die Einführung einer Länderöffnungsklausel, wie seinerzeit von der Freien und Hansestadt Hamburg vorgeschlagen, wird kritisch gesehen, da hierdurch die Gefahr einer Verlagerung der Konflikte auf Länder und Kommunen, eine Zersplitterung des Rechts und weitere Rechtsunsicherheit besteht.

Im Vordergrund sollten die Überprüfung und gegebenenfalls Anpassung der immissionsschutzrechtlichen Regelungen sowie die Prüfung baurechtlicher Möglichkeiten bei der Herstellung des Interessenausgleiches stehen.

Auf der Grundlage dieser Prämissen sollten insbesondere folgende Änderungen der immissionsschutzrechtlichen Regelungen geprüft werden:

 

  1. Der sog. „Altanlagenbonus“ für vor 1991 errichtete Sportanlagen muss gesichert werden. Durch eine Konkretisierung sollte gewährleistet werden, dass der Spielbetrieb auch bei Modernisierungen und Nutzungsänderungen (z. B. Umwandlung eines Tennenspielfeldes in einen Kunstrasenplatz) sowie bei einer leichten Überschreitung der Lärmschutzwerte bestehen bleibt. Die Freie und Hansestadt Hamburg und des Land NRW haben hierzu Erlasse herausgegeben, an die für eine bundesrechtliche Regelung angeknüpft werden kann.
     
  2. Mit Blick auf veränderte Sport- und Freizeitgewohnheiten der Bevölkerung sollten bestehende Ruhezeiten revidiert werden, konkret die Mittagsruhezeit an Sonn- und Feiertagen (Wegfall der Ruhezeit an Sonn- und Feiertagen zwischen 13.00 und 15.00 Uhr gem. § 2 Abs.5 SALVO). Zudem sollte dem Sporttreiben am Abend bis 22:00 Uhr lärmschutzrechtlich Rechnung getragen werden.

 

  1. Das Gesetz zur Privilegierung des von Kindertageseinrichtungen und Spielplätzen ausgehenden Kinderlärms von 2011 legt fest, dass Lärm von Kindern auch im Wohnumfeld als “ sozialadäquart “ gilt. Die Privilegierung gilt jedoch nur für Kinder (nicht für Jugendliche) und nur für Kinder, die in Kitas und auf Kinderspielplätzen aktiv sind. Die Kinderlärmprivilegierung sollte im Sinne der Gleichbehandlung auch auf Sport- und Freizeitanlagen ausgedehnt werden.

 

Neben den angesprochenen Änderungen des Immissionschutzrechts sollten aber auch bestehende Handlungsmöglichkeiten der Kommunen genutzt werden, um Kompromisse und Konfliktlösungen zu erarbeiten. Insbesondere in einem Bebauungsplanverfahren können Interessenausgleiche hergestellt und nachhaltig wirksam gesichert werden. Im Rahmen dieses Verfahrens sollten die Möglichkeiten der Bürgerbeteiligung aktiv und umfassend genutzt werden.

Ebenfalls wichtig erscheint die enge Zusammenarbeit der zuständigen kommunalen Fachämter, insbesondere der Umwelt- und Sportverwaltung, mit den Vereinen und Anwohnern, die sich im Hinblick auf die Lösung bzw. Entschärfung von Konflikten bereits in vielen Städten bewährt hat, aber zukünftig noch stärker in den Blick genommen werden muss.

 

Fazit

Insgesamt ist festzustellen, dass verbindliche gesetzliche Regelungen zum Lärmschutz notwendig sind. Über die angesprochenen Änderungen besteht zwischen Ländern, Kommunen und dem organisierten Sport breiter Konsens. Die Bundesregierung ist jetzt gefordert, diese zügig wie zugesagt in geltendes Recht umzusetzen. Gesetzliche Regelungen ersetzen aber nicht die notwendige Kommunikation der Beteiligten vor Ort. Kompromissfähigkeit und konstruktive Zusammenarbeit sind letztlich der Schlüssel dafür, dass Sporttreiben und Wohnen in den Städten und Gemeinden auch zukünftig möglich bleiben.

 

Klaus Hebborn

Beigeordneter und Sportdezernent

Deutscher Städtetag

 

Foto: Jacob Lund - fotolia.com

 

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