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Internationales Fachmagazin für Spiel-, Sport- und Freizeitanlagen

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15.10.2019 - Ausgabe: 5/2019

Nachhaltigkeit auf dem Fußballplatz - Wie in Rotterdam alter Kunstrasen Teil des neuen Belags wird

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© FieldTurf

Die Themen „Nachhaltigkeit“ und „Umweltverträglichkeit“ sind dieser Tage beim Bau von Kunstrasensportplätzen von großer Bedeutung. Dabei ist vor allem die nachhaltige Entsorgung alter Kunstrasensysteme eine schwerwiegende Problematik, für die es bisher noch keine Lösung gibt. Nach rund 12-15 Jahren Nutzungszeit müssen die meisten Kunstrasenoberflächen auf den Sportplätzen ausgetauscht werden – der größte Teil der alten Systeme wird allerdings bei der Entsorgung nach wie vor verbrannt oder alternativ einfach als Abfall gelagert, am besten noch als Export im Ausland, wo er dann häufig irgendwo verrottet. Aus ökologischer Sicht eine Katastrophe. Wenn man dann dazu bedenkt, dass in den nächsten zehn Jahren wohl mehr als 20.000 Kunstrasenfelder in der EU ersetzt werden müssen, dann sieht man erst die Dimensionen, die dies annimmt: allein die Menge an den Kunststoffen Polyethylen und Polypropylen beträgt dabei mehr als 500.000 Tonnen, die entsorgt werden müssen. Von daher stellt sich hier schon von alleine die Frage: wie kann man diese Menge Kunststoff wieder nutzbar machen und die Verbrennung oder Verrottung des Materials verhindern?


Kunstrasenrecycling – aber wie?

Hinsichtlich dieser Problematik hat der Kunstrasenhersteller FieldTurf gemeinsam mit der Morton Extrusionstechnik GmbH aus Abtsteinach bereits 2016 damit begonnen, ein Verfahren zum Recycling von Kunstrasens zu entwickeln, mit dem Ziel, Teile des alten Kunstrasensystems wieder in einem neuen System nutzen zu können. Dabei entsteht aus den Polyethylen-Fasern und dem Polypropylen-Teppichträgergewebe des alten Kunstrasens Verfüllgranulat, welches dann auf neuen Kunstrasenplätzen verwendet werden kann. Damit dies gelingt, wird zunächst die alte Kunstrasendecke noch auf der Baustelle vom bisherigen Infill und Sand getrennt und vor Ort zerkleinert. Diese Kunstrasenstücke bezeichnet man auch als „End of Life (EOL)“-Kunstrasen, also „Altkunstrasen“ (Vgl. im Engl. Altreifen = End-of-life-tyres). Im Werk werden dann erst Metallanteile aus dem Material entfernt, anschließend wird der alte Kunstrasen weiter zerkleinert und weitere Fremdmaterialien von den Kunststoff-Anteilen getrennt. Das am Ende weitestgehend reine und in kleine Fasern zerteilte EOL-Kunstrasen-Material wird dann mit einem neu produzierten Polyethylen-Compound gemischt und daraus dann ein Verfüllgranulat aus thermoplastischen Polymeren erzeugt. Dieses erste Granulat aus recyceltem Kunstrasen heißt „ProMax Hydroflex“ und hat einen Anteil von 30% an Kunststoffmaterial des alten Kunstrasens. Hochgerechnet auf den Granulatbedarf eines Kunstrasenplatzes wird durch diesen Anteil exakt der Altrasen eines kompletten alten Kunstrasenfeldes für das Einfüllgranulat eines neuen Feldes wiederverwendet. Mit dieser Methode sollen bereits im Jahr 2019 100 Kunstrasenspielfelder in der Anlage in Abtsteinach erfolgreich recycelt werden.

Beim Kunstrasenplatzneubau des Vereins SV Rippenweier im Spätsommer 2018 wurde erstmals dieses neu produzierte „Recycling-Granulat“ erfolgreich eingebaut. Das Infill erfüllt alle notwendigen technischen Voraussetzungen und Prüfanforderungen, die für einen Spielbetrieb von Nöten sind.

Der Sportcampus Rotterdam

Im direkten Umfeld des altehrwürdigen Feyenoord-Stadion in Rotterdam, besser bekannt als „De Kuip“ (die Wanne), befand sich bis zuletzt auch das Trainings- und Ausbildungszentrum „Varkenoord“, dessen Anlagen neben dem Verein Feyenoord auch zwei kleinere Klubs nutzten. Die Stadt Rotterdam hatte allerdings vor einigen Jahren in einem großen Masterplan eine Veränderung des gesamten Areals rund um das Stadion geplant. Während an anderer Stelle in der Stadt ein völlig neues Fußballstadion entstehen soll, soll „De Kuip“ selbst zu einem Leichtathletikzentrum umgebaut werden, gleichzeitig dort aber auch Wohnungen und ein Vereinsmuseum entstehen. Das Ausbildungszentrum Varkenoord wurde zugunsten eines „Sportcampus Rotterdam“ abgerissen und das Gelände soll als „Stadionpark“ neben Sportflächen auch für Neubauwohnungen und einen Erholungsbereich genutzt werden. Die neu geplanten Sportanlagen des Sportcampus gehören dann teilweise als Bestandteile zum neuen Ausbildungszentrums FASC von Feyenoord Rotterdam, teilweise werden aber auch öffentlich nutzbare Sportflächen errichtet. Mit dem Abriss und Umbauarbeiten am neuen Sportcampus wurde bereits 2018 begonnen.
 Im Rahmen des „Sportcampus Rotterdam“ entstehen neben einem Trainingsstadion auch mehrere neue Kunstrasensportplätze, wobei festgelegt wurde, dass die alten vorher bestehenden Kunstrasenoberflächen dafür nach der beschriebenen Methode durch FieldTurf recycelt werden sollten. Inzwischen sind alle 6 Großspielplätze und 3 Kleinspielplätze mit Kunstrasenbelag fertiggestellt, zertifiziert und in Betrieb. Mit der Installation von Kunstrasenspielfeldern auf einer Fläche von rund 35.000 m², die mit Granulat aus alten recyceltem alten Kunstrasen verfüllt sind, geht die Stadt Rotterdam als Vorreiter einen Weg der Nachhaltigkeit. Am Ende werden 68,4 Tonnen Kunstrasen insgesamt für dieses Projekt erfolgreich recycelt worden sein.


Nachhaltigkeit

Neben der Verhinderung einer umweltschädlichen Entsorgung des alten Kunstrasens, bietet die beschriebene Recycling-Methode noch weitere Vorteile. Denn die traditionelle Herstellung von elastischem Einfüllgranulat aus Rohöl ist mit einem hohen Energieaufwand verbunden. Zudem werden dabei hohe Emissionen an CO² und Methan freigesetzt. Die Herstellung von elastischem Einfüllmaterial aus altem Kunstrasen führt daher zu einer erheblichen Reduktion von Emissionen. Insgesamt werden durch den Einsatz von rezykliertem Einfüllgranulat im Vergleich zu Neumaterial  ca. 640.000 Kwh Energie eingespart und die CO² Emission um über 70 Tonnen reduziert (bezogen auf ein 8000 m² Spielfeld).

 Außerdem kann der Kreislauf der stofflichen Verwertung bei neu entstandenen Kunstrasenplätzen sogar noch erweitert werden. Denn während herkömmliche SBR oder EPDM-Granulate für den Recycling-Prozess herausgefiltert werden müssen, können TPE-Polymere und damit auch das „recycelte“ Granulat beim nächsten Oberflächenaustausch zusammen mit dem Kunstrasen wiederverwertet werden. Die Verwertungskette wird also damit erweitert. Das Unternehmen FieldTurf plant auch ab 2020 den Neubau von weiteren entsprechenden Recycling-Anlagen in Frankreich und den Niederlanden, um die Möglichkeiten des Kunstrasenrecyclings in großem Umfang zu ermöglichen.

Das Prüflabor Lehmacher Schneider aus Osnabrück bewertet diese Wiederverwertung von altem Kunstrasenbelag folgendermaßen:

„Die prüftechnische Begleitung im Bereich der stofflichen Verwertung und Recycling von bestehenden Kunststoffrasenspielfeldern wird durch das Labor Lehmacher | Schneider als deutschlandweit führendes ISO 17025 akkreditiertes Prüflabor sichergestellt. Ziel ist eine Zertifizierung des gesamten Prozesses bei der möglichst alle Bestandteile des alten Kunststoffrasenfeldes wiederverwendet werden können.

Bei der Umsetzung des Projektes Rotterdam wurde darauf Wert gelegt, dass alle am Projekt beteiligten Akteure die notwendigen lokalen und nationalen Recycling- Vorgaben einhalten und ausschließlich für den jeweiligen Bereich zertifizierte Unternehmen beteiligt wurden.

Im Bereich der Produktion von PE-EOL Einfüllgranulaten wird die Produktion regelmäßig gemäß der Anforderungen der DIN sowie der RAL überwacht und erfüllt dabei alle Anforderungen an synthetische Neugranulate.

Auch die anderen Systembestandteile der deinstallierten Kunstrasenfelder, werden heute nach entsprechender Reinigung wieder verwertet.

So wird der Sand in der Bauindustrie verwendet, in einigen europäischen Regionen wird der Sand wieder in die neuen Kunstrasen Felder eingebaut.

Die EOL SBR Granulate werden zur Herstellung von Fallschutzmatten eingesetzt, inzwischen gibt es auch erste Kunstrasen  Installationen in denen das EOL SBR in der Insitu-Elastikschicht eingebaut wird, ein großer Teil fließt aber wieder in die Herstellung neuer Reifen zurück.

Langfristig muss das Ziel die vollständige Verwertung aller Bestandteile eines „alten Kunststoffrasens“ sein um Abfall zu vermeiden und den Ressourceneinsatz für ein neues Kunststoffrasenspielfeld so gering wie möglich zu halten.“

 

Ausblick

Die umweltgerechte Entsorgung und Wiederverwertung von Kunstrasenoberflächen steckt insgesamt noch in den Kinderschuhen, vor allem hinsichtlich des großen Bedarfs und der stark zunehmenden Anzahl neuer Plätze. Die Produktion von Verfüllgranulaten aus alten Kunstrasenfasern ist ein wichtiger erster Schritt, bei dem die Produzenten eine neue umweltverträglichere Lösung entwickelt haben. Allerdings müssten solche Maßnahmen von vielen Seiten und flächendeckend angeboten werden und das recht bald, damit man die in Zukunft anfallende Menge von zu entsorgenden Kunstrasenoberflächen nachhaltig wiederverwerten kann. Die Stadt Rotterdam hat die Möglichkeit erkannt und in ein nachhaltiges Konzept investiert und gleichzeitig hochwertige neue Sportflächen erhalten.

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