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Internationales Fachmagazin für Spiel-, Sport- und Freizeitanlagen

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17.08.2020 - Ausgabe: 4/2020

Umwelt, Klima, Nachhaltigkeit – Herausforderungen für den Sportplatz der Gegenwart und Zukunft

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© dayves – stock.adobe.com

Auch wenn die aktuelle Corona-Pandemie die Klimadebatten des vergangenen Jahres ein wenig hat verstummen lassen, so gehören Umwelt-, Klima- und Nachhaltigkeitsfragen nach wie vor zu den größten Herausforderungen unserer Zeit. Die Umweltverschmutzung durch CO²-Emmissionen sowie Makro- und Mikroplastik, die Klimaerwärmung, die Zerstörung und Eindämmung von Naturräumen und der verschwenderische Umgang mit natürlichen Ressourcen sind nur einige der damit verbundenen Probleme, die mittlerweile weitläufig bekannt sind und die es nach Möglichkeit zu lösen oder zumindest abzumildern gilt. Die Dimension der bisherigen Schäden wird erst nach und nach von der Wissenschaft aufgedeckt und der Druck, flächendeckende Lösungen zu finden, steigt mehr und mehr an – trotzdem scheinen wirtschaftliche Interessen in vielen Bereichen immer noch sinnvolle Gegenmaßnahmen zu verhindern oder abzuschwächen.

Längst sind Umweltschutz, Klimafreundlichkeit und nachhaltiges Planen und Handeln aber nicht nur Sache von Regierungen, Großunternehmen und anderen Global Playern. Die Umweltbewegung hat in den vergangenen mehr als 50 Jahren zahlreiche Unterstützer gewonnen, hat den Umwelt und Klimaschutz auf die politische Tagesordnung gebracht und erreicht mit ihren Erkenntnissen mittlerweile sehr viele Menschen. Heutzutage ist jeder und jede Einzelne gefragt, ihren/seinen Beitrag für die Umwelt und das Klima zu leisten. Umwelt- und Klimaschutz beginnt im privaten Bereich und dehnt sich von dort auf die Gesellschaft, die berufliche Ebene und den menschlichen Alltag aus, je nachdem wie intensiv er betrieben wird und wie stark das individuelle Umweltbewusstsein ist. Gerade Teile der jungen Generation haben in den vergangenen Jahren ihr Engagement nochmal intensiviert und fordern deutlich schärfere sofortige Maßnahmen zugunsten von Umwelt und Klima. Ihr Zuspruch wird immer größer, er ist schon so groß, dass man sich vor den Herausforderungen in den Bereichen Umwelt, Klima, Nachhaltigkeit nicht mehr wegducken kann. Dies liegt nicht nur an neuen Gesetzen und Forderungen der Bewegung – das Umweltbewusstsein jedes/jeder Einzelnen steigt auch immer weiter an.

Auch bei Bau, Planung und Unterhalt von Sportstätten ist die Thematik heutzutage omnipräsent. Stichworte wie „Klimaneutralität“, „Ressourcenschonung“, „Emissionsarmut“, „Biodiversität“ und „Lebenszyklusanalyse“ gehören in diesem Zusammenhang mittlerweile zum Standardvokabular. In den Sportverbänden und auch vielen Kommunen wird auf diese Punkte bereits hoher Wert gelegt, es gilt aber natürlich, diese auch mit den Anforderungen des Sports und der Sportlerinnen und Sportler zu vereinen. Es bedarf nicht nur an Gesetzes- und Normänderungen, neuen Ausrichtungen und Kompromissen -  in einigen Bereichen ist auch ein komplettes Umdenken gefragt. Es ist nicht schwer vorstellbar, dass dies nicht immer einfach ist, zuweilen gibt es natürlich auch deutliche Differenzen. Die Debatte um die Mikroplastikgranulate auf vielen Kunstrasenplätzen hat dies aufgezeigt. Auf der einen Seite wird der Kunstrasen an sich schon von vielen Umweltaktivisten kategorisch abgelehnt und dies teilweise durch nicht unbedingt haltbare wissenschaftliche Studien begründet. Auf der anderen Seite stehen Sportler und Sportvereine, die fürchten, neuen Umweltvorschriften wirtschaftlich nicht mehr gewachsen zu sein. Und obwohl die Industrie längst schon an Lösungen zur Verhinderung der Mikroplastikemission durch Granulate arbeitet und es dazu schon das ein oder andere Alternativprodukt sowie technische Ergänzungen auf dem Markt gibt, bleiben vor allem die Umweltverbände in ihrer Meinung festgefroren.

Die Thematik des Mikroplastiks hat sich in den letzten Jahren zu einer der zentralen Umweltproblematiken entwickelt. Schon sehr lange ist bekannt, dass sich künstliche Materialien nur sehr schlecht in der Natur zersetzen und jahrzehnte- sogar jahrhundertelang dort überstehen können. Die Erde ist jetzt schon mit Millionen Tonnen von altem Plastikmüll übersät. In den Weltmeeren schwimmen beispielsweise Quadratkilometer große Inseln aus Kunststoffabfall und zehntausende Vögel und Fische sterben jämmerlich, weil sie Teile davon für Nahrung halten. Die wissenschaftliche Forschung hat zudem erkannt, dass nicht nur die großen Plastikteile ein Problem sind, sondern auch die kleinen. Da geht es nicht nur um Granulatkörner auf dem Kunstrasenplatz, da geht es um mikroskopisch kleine Plastikpartikel, die mittlerweile überall vorhanden sind: im Meer, in der Wüste, in der Arktis, in unserem Trinkwasser und sogar in der Luft. Die Politik hat dem Mikroplastik den Kampf angesagt, in Europa sollen bald neue Richtlinien gelten. Aber wäre ein totales Verbot von Kunststoff, wie es Umweltverbände teilweise fordern, wirklich sinnvoll für den Sportplatzbau? Wieder Tennenlaufbahnen für die Leichtathletik? Stark frequentierte Fußballplätze, die bei Regen und Schnee unbespielbar sind? Streetballanlagen und Kleinspielfelder auf Beton? Kunststoff hat sich im Sportplatzbau zum Wohle der Sportler bewährt. Verringerte Verletzungsgefahr, bessere Sportbedingungen, angenehmere Bespielbarkeit, Nutzbarkeit bei Regen – Kunststoffoberflächen und -bestandteile weisen viele nützliche Eigenschaften auf. Ein totales Verbot würde diese Vorteile wieder rückgängig machen. Das kann keine Lösung im Sinne des Sports sein. Es gilt an den negativen Eigenschaften des Kunststoffs zu arbeiten. Die Emission von Mikroplastik in die Umwelt durch höhere Abriebsfestigkeit und verbesserte Drainage zu verhindern sowie eine deutliche Optimierung der Recyclebarkeit und der Wiederverwertungsoptionen wären zielführender. Hier sind neue Entwicklungen der Industrie gefragt, es teilweise sogar bereits gibt. Neue Gesetzesvorgaben sollten Forschung, Entwicklung und Planung genügend Zeit und Raum lassen, neue umweltgerechte Innovationen auf den Markt zu bringen und dort zu etablieren. Sportplatzbau im Sinne des Sportlers und der Umwelt – das wäre für die Zukunft zu wünschen.

Im Übrigen gilt es auch darüber hinaus, große und kleine Plastikabfälle rund um den Sportplatz zu verhindern. Trainingsmaterialien, Mobiliar und vor allem Gegenstände des täglichen Bedarfs von Sportlern und Zuschauern. Auch hier sollte auf robuste, wiederverwertbare und umweltfreundliche Produkte geachtet werden. Das Internationale Olympische Komitee hat gemeinsam mit der UN die Initiative „Plastic Game Plan for Sport“ ins Leben gerufen. Dort wird für umweltbewusste und plastikvermeidende Konzepte im Sport geworben. Negative Beispiele sind Getränkebecker, Nahrungsverpackungen, Sportkleidung und Eintrittskarten. Eine sehr sinnvolle Maßnahme – der Sportplatzbau wird allerdings dabei nicht erwähnt.

Ein klimafreundlicher Sportplatz ist einer, der wenig bis gar kein CO² oder andere schädliche Gase erzeugt und auch für eine geringe CO²-Emission verantwortlich ist. Hier spielt das Material der Nutzungsoberfläche nicht die Hauptrolle, auch wenn ein Naturrasen natürlich eine wesentlich bessere Klimabilanz hat als ein Kunstrasen. Eine gute Wiederverwertbarkeit und die Schaffung von Ausgleichsflächen beim Sportplatzbau können aber die Bilanz von Kunststoffoberflächen durchaus verbessern. Die Klimafreundlichkeit eines Sportplatzes ist aber  auch mit vielen „kleineren Maßnahmen“ optimierbar. Vor allem bei der Energieeffizienz: energiesparende Sportplatzbeleuchtung, Verwendung von Bewegungsmeldern, gut gedämmte Gebäude am Sportplatz, geringer Wasserverbrauch, verbrauchsarme Heizungsanlagen, thermische Solaranlagen – in vielen Bereichen können Ressourcen und damit auch klimaschädliche Abgase eingespart werden. Klimafreundliche Sportplätze sind nicht nur gut für die Umwelt – viele Umbaumaßnahmen werden auch gefördert und vorbildliche Anlagen von Verbänden sogar ausgezeichnet.

Das Thema „Nachhaltigkeit im Sportplatzbau“ hat viele Facetten. Das Bundesinstitut für Sportwissenschaften hat 2017 die Online-Publikation „Nachhaltige Sportfreianlagen - Ansätze zur Umsetzung der nachhaltigen Entwicklung auf Sportfreianlagen“ herausgebracht. Die Autoren – die Wissenschaftler Jutta Katthage und Prof. Dr. Martin Thieme-Hack (Hochschule Osnabrück) stellen darin das „Bewertungssystem Nachhaltige Sportfreianlage“ vor. Dabei werden sechs unterschiedliche Aspekte von Nachhaltigkeit in Bezug auf die Planung, den Bau und den Unterhalt von Sportplätzen aufgeführt. Innerhalb der einzelnen Aspekte gibt es eine Vielzahl von Bewertungskritierien, die dann ein Bild der Nachhaltigkeit einzelner Sportstätten liefern.

Die ökologische Nachhaltigkeit bezieht sich zum einen auf bereits aufgeführte Anforderungen an Klimafreundlichkeit, Ressourcenschonung und Emissionsvermeidung. Zum anderen soll aber auch u.a. eine Umweltbelastung durch Pflanzenschutzmittel und Überdüngung vermieden und eine möglichst hohe Biodiversität im Bereich und Umfeld des Sportplatzes geschaffen werden.

Die ökonomische Nachhaltigkeit dreht sich um die Lebenszykluskosten einer Sportanlage. Die Grundfrage dabei: Wie teuer ist eine Spielstunde auf dem fertigen Sportplatz? Dieser Aspekt ist vor allem in der Planung relevant: z.B.:  bei der Auswahl von Oberflächenmaterialien oder bei der Entscheidung für eine Bauweise. Dabei geht es nicht nur um Kosteneffizienz sondern beispielsweise auch um Nutzer- und Umweltfreundlichkeit. Auch Pflege- und Entsorgungskosten sowie die Lebensdauer des Sportplatzes spielen hier eine wichtige Rolle.

Die soziokulturelle und funktionale Nachhaltigkeit bezieht sich u.a. darauf, wie anwenderfreundlich eine Sportanlage ist. Wurden Wünsche der Nutzer bspw. durch Partizipation in der Planung berücksichtigt? Ist eine Sportanlage für jedermann nutzbar? Wie ist die Aufenthaltsqualität? Ist die Sportanlage sicher? Wie sieht es mit der Barrierefreiheit aus? Darüber hinaus werden auch Aspekte wie Vandalismus-Prävention und Umnutzungsfähigkeit hinzugezogen.

Bei der Bewertung der technischen Qualität werden die Bauweise und die verwendeten Baustoffe beleuchtet. Hier geht es um die ökologischen Eigenschaften der verwendeten Materialien und Arbeitsweisen. Auch das Vorhandensein und die Beschaffenheit eines Pflege- und Instandhaltungskonzept werden untersucht.

Die Prozess-Qualität beleuchtet den Planungsprozess, die Bauausführung und die Bewirtschaftung einer Sportanlage auf ihre Nachhaltigkeit. Dabei werden ökologische, ökonomische und soziologische Nachhaltigkeitskriterien auf diese Prozesse ausgedehnt.

Die Standort-Qualität nimmt abschließend nochmal die lokale Position einer Sportanlage unter die Lupe. Kriterien wie Verkehrsanbindung, Lärmemission und Integration des Areals in die Umgebung werden hierbei u.a. angeführt.

Anhand dieser unterschiedlich gewichteten Kriterien und Ansätze kann die Nachhaltigkeit einer Sportanlage schon sehr gut dargestellt werden. Nachhaltigkeit bezieht Umwelt- und Klimaschutz mit ein, muss aber darüber hinaus auch auf anderen vielschichtigen Ebenen betrachtet werden. Die vollständige Publikation ist unter https://www.bisp.de/DE/Home/Shiny_Projects/Sportstaetten_Nachhaltige_Sportstaetten.html  herunterladbar.

 

Fazit

Wie viele andere Bereiche unseres Lebens, so wird es auch im Sportplatzbau in Zukunft höhere Anforderungen an Umwelt- und Klimagerechtigkeit sowie Nachhaltigkeit geben. Globale Probleme wie Klimaerwärmung und die Abfall- / Mikroplastikproblematik werden neue Regelungen aber auch neue Forschungsansätze erforderlich machen. Es gibt aber eine Vielzahl von Möglichkeiten und Chancen dabei auch zukunftsgerechte Sportplätze zu erschaffen, die nicht nur viele Anforderungen an Umwelt und Klima erfüllen, sondern auch den Sportlerinnen und Sportlern sowohl im Freizeitbereich als auch im Spitzensport eine bestmögliche Ausübung ihrer Aktivität ermöglichen.

 

TT

 

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