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Internationales Fachmagazin für Spiel-, Sport- und Freizeitanlagen

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17.08.2020 - Ausgabe: 4/2020

Der klimafreundliche und umweltgerechte Sportkunststoffrasen – Anforderungen und Möglichkeiten in der Entwicklung

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© tamayura39 – stock.adobe.com

Die letztjährigen Diskussionen um die Umweltverträglichkeit von Kunststoffrasenplätzen im Sport sind vielen bestimmt noch im Gedächtnis. Dabei waren in dieser Angelegenheit nicht mal der Kunststoffrasen an sich, sondern die Einfüllgranulate und ihr möglicher Austrag als Mikroplastik in die Umwelt Grundlage für die geplanten Maßnahmen der EU-Kommission. Obwohl es bisher noch keine endgültige Entscheidung über die Zukunft von Kunststoffgranulaten gibt, haben sich Industrie und Verbände sowie Länder und Kommunen bereits auf ein mögliches Verbot eingestellt. Dabei gilt es nicht nur Alternativen in der Verfüllung zu konzipieren und zu nutzen, sondern auch den Kunststoffrasen im Sport klimafreundlicher, umweltverträglicher und nachhaltiger zu entwickeln.

Durch die Diskussion um den Mikroplastikaustrag ist der auch Sport-Kunststoffrasen an sich verstärkt ins Visier von Umweltschützern geraten. In der aktuellen Debatte um die Erweiterung des Trainingsgelände des 1.FC Köln, wo auf dem Gebiet des Kölner Grüngürtels mehrere neue Kunststoffrasenplätze geschaffen werden sollen, haben sich die Fronten mittlerweile fast verhärtet. Rechtliche Klagen sind bereits angekündigt. Neben dem Schutz des Stadtgrüns, steht hier unter anderem der Kunststoffrasen als Belastung der Umwelt und des Klimas im Mittelpunkt. Der Verein verspricht, dass das Projekt umwelt- und klimagerecht umgesetzt wird. Aber wie umwelt- und klimafreundlich kann ein Sportkunststoffrasen sein?

Kunststoffrasensportplätze haben sich in den vergangenen Jahren vor allem im urbanen Raum als Standard im Fußballplatzbau durchgesetzt. Vor allem die Wetterfestigkeit und die vielen möglichen Nutzungsstunden machen Kunststoffrasenoberflächen für viel frequentierte Sportplätze fast unverzichtbar. Von der Beschaffenheit und Sporttauglichkeit ist ein moderner Kunststoffrasenplatz schon sehr nahe an seinem Vorbild – dem Naturrasenplatz. Und da er obendrein auch robuster und pflegeleichter ist, ist er häufig die erste und einzige Wahl. Witterungs- oder sanierungsbedingte Sportplatzsperren sind auf einem Kunststoffrasenplatz äußerst selten. Allein in Sachen Nachhaltigkeit, Umwelt- und Klimaschutz hat der Sportkunststoffrasen noch Defizite. Aber es sei auch gesagt, dass auch ein Naturrasenplatz kein ökologisches Vorzeigemodell ist. Auf einer Naturwiese tummelt sich das Leben, auf einem Naturrasenplatz sind alle Lebewesen außer dem Rasen an sich und den menschlichen Nutzern per se unerwünscht. Dünge- und Pflanzenschutzmittel kommen häufig zum Einsatz und belasten Umwelt und Grundwasser. Ökologisch gesehen hat der Naturrasensportplatz sicherlich einige Vorteile, aber er ist auch kein Naturschutzreservat.

Bisher war das Mikroplastik der hauptsächliche Kritikpunkt bei der Umweltverträglichkeit von Sportkunststoffrasen und das lag wie erwähnt meist an den Einfüllgranulaten. Viele Bundesländer haben die Förderung des Baus von Kunstrasenplätzen mit Einfüllgranulaten aus Kunststoff bereits eingestellt, auch ohne gesetzliche Vorgabe. Seitdem entstehen hierzulande hauptsächlich Kunststoffrasenplätze mit alternativen Verfüllungen wie Quarzsand, Kork oder gemahlenen Olivenkernen. Zudem hat die Industrie auch schon unverfüllte Kunststoffrasenoberflächen für Sportplätze entwickelt. Ein Fußball Kunstrasen ohne Granulat ist eine einfache Lösung. Erstens ist er eine saubere Lösung für die Umwelt, da kein Granulat = Mikroplastik Austrag möglich ist und zweitens ist er eine saubere Lösung für die Spieler, da kein Granulat in den Schuhen und in der Kleidung verbleibt.  Auch können bereits bestehende Plätze mit entsprechenden Filtern in der Drainage ausgestattet werden, die die Emission von Mikroplastikelementen ins Grundwasser und die Umgebung verhindern können. Auch wenn noch nicht klar ist, ob und wann die EU den Einsatz von Kunststoffgranulaten verbietet, wird bei den meisten aktuellen Bauprojekten bereits jetzt schon drauf verzichtet.

Aber nicht nur die Emission von Mikroplastik ist ein Thema, viel entscheidender wird in den kommenden Jahren auch die ökologische Nachhaltigkeit sein. Kunststoffrasenoberflächen auf Sportplätzen müssen bekannterweise spätestens alle 15 Jahre oft aber auch schon wesentlich früher ausgetauscht werden. Gründe dafür sind meist der Verschleiß und die Abnutzung. Die alte Kunststoffrasenoberfläche wird dann abgebaut und entsorgt. In den allermeisten Fällen bedeutet dies Verbrennung oder dauerhafte Lagerung auf Müllhalden. Beides ist natürlich alles andere als umwelt- und klimafreundlich. Zwar gibt es zunehmend auch immer mehr unterschiedliche Wiederverwertungsarten für alten Sportkunststoffrasen, allerdings sind nicht alle wirklich nachhaltig.

Dies könnte aber jetzt durch neue Vorgaben aus der Politik geändert werden: Die neue EU-Kommission hat zu Beginn ihrer Legislaturperiode den „European Green Deal“ ins Leben gerufen. Europa soll bis 2050 der erste klimaneutrale Kontinent werden und die Reduktion von CO²-Emmissionen soll bis 2030 noch deutlicher ausfallen als bisher geplant. Teil des „Green Deals“ ist ein neuer nachhaltiger Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft. Darin sagt die EU-Kommission, dass sie Rechtsvorschriften für eine nachhaltige Produktpolitik vorschlagen wird, „um sicherzustellen, dass in der EU in Verkehr gebrachte Produkte so konzipiert sind, dass sie über eine längere Lebensdauer verfügen, leichter wiederverwendet, repariert und recycelt werden können und einen größtmöglichen Anteil recycelter Materialien statt Primärrohstoffe enthalten. Die Verwendung von Einwegprodukten soll eingeschränkt werden. Außerdem soll gegen vorzeitiges Veralten vorgegangen (…)  werden.“ /Quelle: https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/IP_20_420). Der Aktionsplan besagt ebenfalls, dass es bei Kunststoffen neue verbindliche Anforderungen an den Rezyklatanteil sowie besondere Konzentration auf Mikroplastik sowie biobasierte und biologisch abbaubare Kunststoffe geben und dass die Entstehung von Abfall zugunsten der Umwandlung in Sekundärrohstoffe vermieden werden soll. Dieses Vorhaben wird sich auch auf die Anforderungen an Sportkunststoffrasen auswirken.

Zum einen wird die Haltbarkeit der Sportkunststoffrasenoberflächen im Fokus stehen. Die Oberflächen werden noch robuster und wetterfester werden müssen. Dadurch entsteht nicht nur weniger Abrieb an Mikroplastik, sondern durch längere Lebenszyklen fällt über die Zeit gesehen auch wesentlich weniger an Abfall an. Zum anderen dürfen alte Kunststoffrasenoberflächen dann nicht mehr einfach entsorgt werden, sondern müssen möglichst komplett dem Wirtschaftskreislauf wieder zugeführt werden. Bei einem Austausch eines abgespielten Kunststoffrasenplatzes müssen alle Systembestandteile einer Wiederverwendung zugeführt werden. So wird der Sand in der Bauindustrie verwendet. Die Granulate werden zur Herstellung von Fallschutzmatten oder neuer Reifen eingesetzt. Der Kunstrasen selbst wird in einem speziellen Verfahren aufbereitet und in Kunststoffgranulat konvertiert, welches dann wieder in der Industrie zur Herstellung neuer Kunststoffteile eingesetzt wird.  Und das in einem industriellen Prozess, der möglichst wenig Ressourcen verbraucht, die Umwelt und das Klima nicht belastet und dessen Endprodukt die gleichen Anforderungen erfüllt, wie der vorherige Kunststoffrasen.

Der Sportkunststoffrasen muss also in Zukunft vor allem in Beschaffenheit und Produktion viele weitere Vorgaben erfüllen müssen. Dies sind große Herausforderung an Forschung und technische Entwicklung. Hierbei ist Kreativität und Forschung auf vielerlei Ebenen gefordert. Die Diskussionen des letzten Jahres haben da schon etwas Vorschub geleistet. Es wird mittlerweile z.B. an Sportkunststoffrasen auf Basis von nachwachsenden Rohstoffen und anderen natürlichen Bestandteilen geforscht. Besonders vielversprechend sind neueste Entwicklungen, bei denen Kunstrasen aus Altplastik produziert wird. Bei diesem chemischen Recyclieren wird durch Pyrolyse aus altem Kunststoff Öl konvertiert und dieses zur Herstellung von neuen Kunstrasenfasern genutzt. Die Entwicklung wird also weitergehen, denn es darf nicht darum gehen, den Sportkunststoffrasen zu verbieten, sondern ihn so zu verbessern, dass er neben seinen bekannten Vorteilen auch hohe Ansprüche an Nachhaltigkeit sowie Umwelt- und Klimagerechtigkeit erfüllt.

 

TT

 

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