Erst prüfen – dann sanieren!
In den vergangenen Jahren hat die Anzahl der Kunststoffrasenplätze zur Sportausübung weiter zugenommen und alte Geläufe wie Tennenplätze größtenteils verdrängt. Gründe für diese Entwicklung sind unter anderem die...
Internationales Fachmagazin für Spiel-, Sport- und Freizeitanlagen
Im Rollstuhl auf der Rampe? Alltag für den Hamburger David Lebuser, Inklusions-Aktivisten und Freestyle Wheelchair Motocross (WCMX)-Athleten. Der 33-Jährige ist der erste professionelle Rollstuhlskater in Deutschland, er setzt sich für Inklusion, Teilhabe und Selbstbestimmung ein und gibt Workshops, um andere Menschen im Rollstuhl zu motivieren, sowohl das Skaten als auch das eigene Können im Rollstuhl zu testen und weiterzuentwickeln.
Zum WCMX – so die Fachbezeichnung - kam er unmittelbar nach einem Unfall im August 2008, der zur Querschnittlähmung führte: „Die Paralympics liefen im Fernsehen, ich war ans Bett gefesselt. Als die Physiotherapeutin mir damals den Rollstuhl das erste Mal ans Bett schob, fühlte sich das wie eine Befreiung an. Ich wollte meine Selbstständigkeit wiedererlangen und habe schnell begonnen, Kanten zu fahren und im Rollstuhl Treppen rauf- und runterzukommen.“ Ein Video von Aaron Fotheringham, einem US-amerikanischen Rollstuhlskater, motivierte Lebuser weiter zu trainieren. Inzwischen hat er mehrere Titel inne, darunter den des Weltmeisters, erlangt 2014 im amerikanischen Venice-Beach. Lebusers Appell: „Skateparks inklusiv und zeitgemäß ausgestalten!“
Eine Forderung, die auch Ingo Naschold, Gründer und Inhaber von DSGN Concepts, vollends unterstützt. Lebuser und Naschold, dessen Büro seit 2005 urbane Trendsportanlagen plant und realisiert, lernten sich 2014 im Skaters Palace in Münster kennen, wo Lebuser bei einem Showevent sein Können zeigte. „Davids Forderung nach Inklusion und Erreichbarkeit zielt genau auf den Missstand ab, gegen den wir schon seit Jahren angehen: Skateparks werden nur bis zur Außenkannte gedacht, dahinter befindet sich das sprichwörtliche Ende der Welt“, so Naschold. Nasse, verdreckte Zuwege, keine Anbindung an umliegende Freiräume – dabei braucht Inklusion die passende Infrastruktur, welche bei Skateparks allerdings nicht mit Barrierefreiheit gleichzusetzen ist. „Barrierefreiheit muss hier differenziert betrachtet und unterschieden werden: Zwischen Gestaltung der Wege, der Auffahrt auf den Platz, Zuschauerflächen und der fachspezifischen Planung“, erläutert Naschold. Während für den ersten Part Barrierefreiheit gelten müsse, sei dies für das Verlassen der Tables (Stehflächen) nicht erwünscht. Lebuser ergänzt: „Die müssen ebenerdig erreichbar sein und dann ja genau das sein: eine Barriere als Herausforderung.“ Gerade ist er an der Entwicklung eines Positionspapiers für Planer beteiligt, in welchem auch auf Rahmenbedingungen hingewiesen wird, wie z. B. neue Förderzugänge, die sich für Kommunen durch inklusive Planungen ergeben können.
Positive Beispiele sind bisher vor allem international zu finden: Die USA und Skandinavien sind Vorreiter auf dem Gebiet der inklusiven Skateparks. Aber auch in Deutschland tut sich etwas – nicht zuletzt, weil beide inzwischen eng zusammenarbeiten. Lebuser formulierte dabei die Anforderungen: ebenerdige Erreichbarkeit, Stufen innerhalb der Anlage erwünscht, organische Formen, befestigte Wege. Naschold übersetzte sie in die Praxis; durch Wege mit fasenlosem Pflaster zum Skatepark, größere Standflächen sowie ebenso größere und befestigte Aufenthaltsbereiche, rollstuhlgerechte Zufahrten auf die Tables usw.
Zu den Projekten, bei denen Lebuser und DSGN Concepts zusammengearbeitet haben, gehört unter anderem der Skatepark in Emden, der über eine befestigte Zuwegung ebenerdig erreichbar ist und auch Personen im Rollstuhl die Nutzung der Anlauframpen ermöglicht. Ein weiteres Projekt war ein mobiler Skate-Parcours mit rollstuhlgerechten Rampen und Rails, der 2015 beim „Tag ohne Grenzen“, dem großen Aktionstag des Reha- und Behindertensports, auf dem Hamburger Rathausmarkt seinen ersten Einsatz hatte und seitdem regelmäßig bei der Rehacare-Messe in Düsseldorf aufgebaut wird, wo ihn u. a. auch schon Lebuser befahren konnte. Das Projekt im Auftrag und Abstimmung mit der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung sei eine spannende, komplexe Herausforderung gewesen, betont Naschold. Temporäre Skate-Elemente könnten generell dort Abhilfe schaffen, wo ein Skatepark bisher den Erfordernissen an Rollstuhlsport noch nicht gerecht werde – denn letztlich sei es wichtig die Balance zu finden, so die beiden Planer. Eine Anlage mit Zuschnitt auf Menschen im Rollstuhl solle noch immer auch die Sportlerinnen und Sportler anziehen, für die sie primär konzipiert sei. Die Bedeutung von inklusiven Anlagen reiche dabei weit über den Sport hinaus: „Skateparks schaffen Raum für soziale Interaktion sowie das Erkunden und Ausprobieren der eigenen Möglichkeiten“, sagt Naschold. Es sei an der Zeit, die Anlagen entsprechend weiterzuentwickeln als auch die Belange aller Nutzer- und Besuchergruppen mitzudenken – gerade vor dem Hintergrund, dass Skaten bei den auf 2021 verschobenen Spielen in Japan erstmals olympisch wird.
Bei Neuplanungen zeige sich inzwischen, dass das Thema Inklusion bei Auftraggebern langsam ankommt. „Eine große Anzahl von Skateanlagen im Bestand ist allerdings nach wie vor nicht darauf ausgerichtet“, erläutert Naschold weiter. Für ihn „nicht nur ein Problem von Inklusion, sondern auch von Kapazitäten und Vielseitigkeit. Denn viele Parks sind monoton und nur auf wenige Sportarten ausgerichtet – wir brauchen also zukünftig verstärkt verschiedene Skateanlagen-Typen und sollten schon jetzt bestehende Planungen überprüfen sowie möglichst inklusiv nachrüsten.“
Auch Lebuser, der für den WCMX, für Spaß und Flexibilität im Sport jenseits fester Trainingszeiten steht, schließt sich dieser Forderung an und ergänzt: „Bitte nicht ohne uns planen. Behinderte Menschen müssen als Experten unbedingt in die Planung eingebunden werden, damit das Ergebnis stimmt und Inklusion, Teilhabe und Selbstbestimmung der Sportlerinnen und Sportler im Vordergrund stehen.“
Er verweist darüber hinaus auf die steigende Zahl von Skatenden im Rollstuhl. Deutschlandweit seien derzeit rund 100 Personen dauerhaft aktiv, Tendenz deutlich steigend. Eine Beobachtung, die Lebuser unter anderem an den Workshops festmacht, für die er, zusammen mit seiner Freundin Lisa Schmidt, gebucht wird: „In den vergangenen sieben Jahren haben wir bei verschiedensten Veranstaltungen fast 1000 Menschen getroffen, trainiert und damit auch zahlreiche Personen zum Skaten gebracht, die bisher keine Berührungspunkte dazu hatten.“