Erst prüfen – dann sanieren!
In den vergangenen Jahren hat die Anzahl der Kunststoffrasenplätze zur Sportausübung weiter zugenommen und alte Geläufe wie Tennenplätze größtenteils verdrängt. Gründe für diese Entwicklung sind unter anderem die...
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„Multifunktional“ – das klingt nach hochtechnischer Herausforderung, heißt aber in der Sportplatzplanung zunächst mal nur, dass man auf dem jeweiligen Sportareal vielfältige Sport- und Bewegungsarten ausüben kann. Trotzdem sind multifunktionale Sportareale wichtig für die Sportinfrastruktur der Zukunft, vor allem um der wachsenden Vielzahl an Sportarten und Bewegungstrends sowie der innerstädtischen Nachverdichtung entsprechen zu können.
Bereits im Jahr 2014 hatte der Rat der Stadt Düsseldorf beschlossen, über 10 Jahre lang jährlich in die Errichtung multifunktionaler Sporträume zu investieren. Eine Befragung der Bevölkerung hatte nämlich ergeben, dass eine große Anzahl der Bürger*innen ihre sportlichen Betätigungen individuell und außerhalb des organsierten Sports ausübt. Auf diese Entwicklung wollte die Stadt unbedingt reagieren. Seitdem entsteht jährlich ein neues multifunktionales Sportareal – immer in einem anderen Stadtbezirk. Dabei werden an jedem Standort unterschiedliche Sportarten berücksichtigt, um insgesamt möglichst vielen sportlich aktiven Bürger*innen ein Bewegungsareal zu bieten. Bisher sind dabei einige attraktive Areale entstanden.
Was beim Begriff „multifunktionale Sportanlage“ grundsätzlich kompliziert klingt, kann in der Praxis theoretisch ganz einfach aussehen. Eine einfache glatte Betonfläche beispielsweise, eine ebene Kunststofffläche oder eine Wiese sind im Prinzip schon multifunktionale Sportflächen. Bei der Öffnung des Tempelhofer Feldes in Berlin im Jahr 2008 konnte man schnell sehen, wie Sportler*innen aus unterschiedlichen Sportarten die Gegebenheiten des riesigen Areals – Teer-, Beton- und Grünflächen – für ihre Aktivitäten nutzten. Sport braucht Räume – vielen Anhängern bestimmter Sportarten und Bewegungsformen reichen schon solche „einfachen“ Lösungen aus.
Allerdings sind solche einfachen Areale natürlich kein Allheilmittel, sondern nur eine Teilmöglichkeit. Eine multifunktionale Sportanlage soll auch komplexere Sportarten ermöglichen. Ein kleiner Fußballplatz mit Basketballkörben z.B., wo man vielleicht auch noch ein Netz für Tennis, Badminton oder Volleyball spannen kann. Oder eine Bewegungslandschaft mit Fitnessgeräten, Calisthenics, Parkour-Elementen und einem Kletterbereich. In der Planung muss geschaut werden, welche Sport- und Bewegungsformen man am ehesten miteinander verbinden kann. Der Königsweg wäre dabei natürlich eine gestaltete Fläche zu haben, die möglichst viele Möglichkeiten der körperlichen Aktivität gleichzeitig bietet. Aber eierlegende Wollmilchsäue sind immer am begehrtesten. Man sollte allerdings nicht nur einfach schauen, was sich gut verbinden lässt, sondern sich hier vor allem an den Wünschen der potentiellen Sportler*innen orientieren. Denn was nutzt einem die tollste multifunktionale Sportanlage, wenn sie keiner nutzt, weil die angebotenen Sportmöglichkeiten nicht auf entsprechendes Interesse stoßen.
Multifunktionalität muss sich nicht zwingend auf ein einzelnes Sportareal richten. Auch viele Sportareale an einem zentralen Ort stellen eine multifunktionale Sportanlage dar. Wenn neben dem Skatepark ein Pumptrack und die bereits beschriebene Rollsportfläche installiert sind, dann hat man hier viele Möglichkeiten in einer großen Anlage vereint. Sportparks sind somit auch multifunktional, selbst wenn es die einzelnen Areale nicht zwingend sind. Entscheidend ist hier der Vorteil: die Benutzung einer gemeinsamen Infrastruktur. Wenn Parkplätze, Zuschauerbereiche, sanitäre Anlagen, Zuwege und -gänge etc. von mehreren Sportarealen gleichzeitig genutzt werden können, dann ist das auch sehr effektiv. Und das kann eine Sportanlage sogar noch weiter beleben: viele unterschiedliche Sportler an einem Ort locken nicht nur mehr Zuschauer und Begleitpersonen, sondern damit auch mögliche Interessenten bspw. für einen zentralen Kiosk oder ein Café an. So wird aus der multifunktionalen Sportanlage schnell ein sozialer Hotspot in der Stadt. Und das im positiven Sinne. Und es ergeben sich weitere Vorteile: Größere multifunktionale Sportanlagen werden nicht so einfach zugunsten anderer Bauvorhaben stillgelegt und haben durch die Größe eine deutlich erhöhte Aufmerksamkeit. Und im Gegensatz zu den „kompakten“ Multifunktionsanlagen – also mehrere Sportarten auf dem gleichen Sportareal - stehen sich die unterschiedlichen Sportler nicht beim Ausüben der jeweiligen Sportart im Weg. Viele kennen das ja bestimmt noch aus ihrer Jugend, wenn im Fußballkäfig der Ball rollt, haben die Basketballer das Nachsehen. Sobald jede Gruppe eine eigene Anlage neben der anderen hat, dann kommen alle auf ihre Kosten und man ist irgendwie doch durch die Nähe zusammen.
Multifunktionalität ist nix neues – in den meisten kommunalen Sport- und Turnhallen wird das auch schon seit Jahrzehnten praktiziert. Schulen und Vereine teilen sich die Hallen für dutzende unterschiedliche Sportarten von Hallenhandball bis zur rhythmischen Sportgymnastik. Das Ganze funktioniert aber nur, weil Sport- und Schulamt – häufig kommunal auch ein gemeinsames Amt – einen festen Nutzungsplan erstellen, der dann Grundlage für alle ist. Und das wiederum klappt aber nur, wenn Schulen und Vereine die Hauptnutzer sind. Wenn aber weitere Nutzer oder sogar Individualsportler*innen dazu kommen, kann ein solches System kaum funktionieren. Daher warnt auch Bernard Kössler vom Hamburger Sportbund in seinem Beitrag „Multifunktionale Sport- und Bewegungsräume“ in der aktuellen DOSB-Publikation „Sport- und Bewegungsräume der Zukunft“ (https://cdn.dosb.de/alter_Datenbestand/fm-dosb/arbeitsfelder/umwelt-sportstaetten/Veroeffentlichungen/Sport-_und_Bewegungsraeume_der_Zukunft_Ansicht.pdf) , dass Multifunktionalität nur da eingesetzt werden soll, wo es auch sinnvoll ist. Probleme können auftreten, wenn Areale außer für den Sport auch für andere Aktivitäten zur Verfügung stehen. Oder wenn eine öffentliche Sportanlage ohne Priorisierung Vereinen und Individualsportlern zur Verfügung steht. Wer / welche Sportart hat Vorrang? Eine gute Organisationsstruktur ist bei der Verwaltung von multifunktionalen Sportanlagen elementar, wenn auch Vereine diese nutzen sollen. Das darf aber keinen von der Errichtung entsprechender Anlagen abhalten.
Die Ziele müssen schon bei der Planung sein:
Das alles klingt ziemlich logisch, macht in der Kombination die Sache aber natürlich ambitioniert. Und nicht in jedem Fall ist eine multifunktionelle Sportanlage die perfekte Lösung. Dafür müssen die Gegebenheiten auch passen, z.B. verschiedene Gruppen von Sportler*innen vor Ort sein und für die geplanten Sportmöglichkeiten muss auch Bedarf herrschen. Daher sollten in der Sportplanung multifunktionale Sportanlagen, wo immer es geht, das Angebot ergänzen, nicht aber Grundlage für die Errichtung jeder Sportanlage sein. Ein Fußballplatz, wenn er von einem oder mehreren Vereinen genutzt wird, ist vor allem im urbanen Bereich meist schon mehr als gut ausgelastet. Würden noch weitere Sportareale auf dem Areal angesiedelt werden, wären auch hier Konflikte vorprogrammiert. Die Zusammenstellung muss stimmen, ein Sportangebot darf nicht zu dominant sein, sonst passt das nicht. Auch die Variante mehrerer Areale an einem Ort kann schnell nicht mehr funktionieren. Wenn ein einzelnes Areal z.B. überfüllt ist und die Nutzer*innen auf andere Areale ausweichen. Von daher macht es Sinn, vorher die Sportinteressen vor Ort in einer Befragung herauszustellen. Dann kann man die jeweilige Größe einzelner Sportareale der Menge an potentiellen Nutzer*innen anpassen.
Multifunktionale Sportanlagen bieten eine Vielzahl an Sportmöglichkeiten und können das Sportangebot durch gute Planung deutlich erweitern und mehr Sportler*innen anlocken. Aber das ganze Projekt muss sinnvoll und gut geplant sein und dazu sind Instrumente wie z.B. Partizipation unerlässlich.
TT