Erst prüfen – dann sanieren!
In den vergangenen Jahren hat die Anzahl der Kunststoffrasenplätze zur Sportausübung weiter zugenommen und alte Geläufe wie Tennenplätze größtenteils verdrängt. Gründe für diese Entwicklung sind unter anderem die...
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Bewegungs-Park, Jugendfreizeit-Park, Mehrgenerations-Park, Familien-Park, Sport-Park: immer häufiger treten verschiedene Labels für Park-Konzepte in Erscheinung, die, im Betriebs-Modus „umsonst, frei und draußen“, Anlagen für den informellen, selbstorganisierten Sport bereithalten. Bei genauerer Betrachtung fällt auf, dass es sich zum Teil um ein Potpourri von höchst unterschiedlich ausgerichteten Bewegungspraktiken handelt, die gemeinsam auf einem Areal angeboten werden. Oftmals lassen sich die Raum-Typen in drei Kategorien einteilen von (1) Sportflächen, die in modifizierter Form das Gleiche bieten, wie im Verein, nur selbstorganisiert (Fußball / Street Soccer, Basketball / Streetball, Volleyball / Beach Volleyball etc.), über (2) Möglichkeiten für selbstorganisierten Funktionssport (Radsport, Fitness, Jogging etc.) bis zu (3) Räumen für urbane Bewegungspraktiken bzw. Urban Sports (Skatepark, Parkour, Pumptrack, Calisthenics etc.). Nicht nur Skateparks, sondern auch Anlagen für bewegungsverwandte Praktiken scheinen Hochkonjunktur zu haben und werden zunehmend und umfangreicher in den o.g. Park-Arealen mehr oder weniger als Urban Sports Parks konzeptualisiert.
Doch wie können Sportanlagen für sonst vergleichsweise ‚spitze‘ bzw. Nischensportarten, wie Skateboarding und BMX, ein Angebot für eine große Nutzergruppe darstellen? Um das Potential von Urban Sports Parks zu verdeutlichen, werden im Folgenden einige wichtige Aspekte aufgezeigt und anhand der Planung eines der größten Urban Sports Parks in Deutschland, dem „Begegnungs- und Freizeitsportzentrum ‚Am Eisteich‘ “ in Hof, erläutert.
Die Bezeichnung „Urban Sports“ fasst Bewegungspraktiken, wie Skateboarding, BMX, Stunt Scooter, Inline Skating, WCMX (Wheel Chair Skating) und Parkour, unter einem Oberbegriff zusammen. Anders als die Begriffe „Trendsport“, „Action Sport“, „Fun Sport“ etc. betont „Urban Sports“ den Bezug der urbanen Herkunft und das Ausüben in einem städtischen Umfeld, was diese Bewegungspraktiken als Urban Sports im engeren Sinne kennzeichnet.
Anlagen für Urban Sports unterscheiden sich bezgl. der praktischen Nutzung fundamental von Spielplätzen und Sportstätten. Während Spielplätze in der verdichteten Stadt einen geschützten Raum für die spielerische Bewegungserziehung bereithalten, vor allem für Kinder, ihre motorischen Fähigkeiten zu entwickeln, sind Sportstätten normierte Funktionsräume, die zumeist Flächen und Einrichtungen für den sportlichen Wettkampf bzw. Funktionssport bieten. Die Praktiken folgen gewissen Bewegungsidealen, sind zielgerichtet und an objektiven Bewertungsmaßstäben ausgerichtet. Urban Sports-Anlagen sind weitestgehend die Nachbildung von architektonischen Gegebenheiten des städtischen Raums, ganz allgemein und spezifisch optimiert für die Nutzung der unterschiedlichen Urban Sports. Die Gestaltung dieser Anlagen unterliegt, außer sicherheitstechnischen Anforderungen, keiner Normierung oder Standardisierung, denn es handelt sich um (Spiel)Räume für ‚kreative Performance‘. Anders als in Sportstätten ist das Leitbild nicht der direkte, objektive Leistungs-Vergleich, sondern das Zeigen von zumeist subkulturell geprägten Stil-Praktiken in Form von Fahrstilen, Tricks und Fahr- bzw. Laufwegen durch das Terrain. Das subjektive Bewegungserlebnis steht über einem objektiv bewertbaren Ergebnis. Es ist wichtig zu verstehen, dass aus soziokultureller Sicht Urban Sports-Anlagen keine Trainingsplätze für Wettkämpfe in Zweckräumen sind. Sie stellen durchaus ein alternatives Bewegungs-Angebot zum traditionellen Sport dar, indem flowartige Bewegungs-Erlebnisse für die Akteure*innen nach innen wirken (auf die Körper) und durch Stil-Praktiken expressiv nach außen gezeigt werden. Der wesentliche Unterschied zum funktionalen und Wettkampfsport liegt vor allem in der Lust am individuellen Erleben dieser spezifischen Bewegungsformen als Selbstzweck. Dadurch unterscheiden sie sich fundamental von der Logik des funktionalen Sports (Fitness, Jogging usw.) bzw. des Wettkampfsports. Ob mit einem Skateboard, BMX-Rad, Stunt Scooter, Inline-Skates, WCMX-Wheel Chair oder als Parkour-Läufer*in, letztendlich geht es immer um das Ausreizen des Terrains, entsprechend der eigenen Kompetenz inklusive des individuellen Stils. Mit zunehmenden Freiheitsgraden des Anlagen-Typs geht auch ein größeres Kreativitätsspektrum der Nutzung einher, das eine verstärkte kulturelle Prägung zum Ausdruck bringt, die in der Planung berücksichtigt werden muss.
Unter dem Titel „Begegnungs- und Freizeitsportzentrum ‚Am Eisteich‘“, bekamen die Büros Landskate aus Köln und seecon aus Leipzig den Zuschlag, ein sanierungsbedürftiges Areal an der Saale in einen Ort für informellen Sport und eine Begegnungsstätte von jung bis alt umzugestalten. Die Landschaftsgestaltung sah die Renaturierung des Eisteichs vor, die Sportflächen und Wegeführung sollen mit viel Aufenthaltswert in einem Park-Konzept integriert werden.
In einem mehrstufigen Beteiligungsprozess mit allen interessierten Personen, Nutzergruppen und Organisationen wurden die Sportflächen festgelegt und konkret geplant. Auf dem 13.500 m² großen Areal wurden Flächen für einen Street Skatepark (1.300 m²), Skate Bowl (300 m²), BMX Bowl (350 m²), Pumptrack (650 m²), Multi-Sportfläche (450 m², Sommer-Stockschießbahn und Streetball) und Outdoor Fitness & Calisthenics (140 m²) vorgesehen.
Um den Nutzen von Urban Sports-Anlagen für die Allgemeinheit zu maximieren, bietet die Zusammenstellung der verschiedenen Anlagen in Hof einerseits ein thematisches Angebot für eine große Nutzer*innen-Gruppe. Andererseits wurden bei der Planung der einzelnen Flächen die drei sozialen Merkmale berücksichtigt, die heute vielerorts – zumindest dem Anspruch nach – vor allem bei der Planung von Skateparks als Rahmenbedingung zum Einsatz kommen:
1. Viele unterschiedliche Nutzer*innen-Gruppen (Diversität)
Die Urbans Sports-Anlagen wurden für eine möglichst breite Gruppe verschiedener Urban Sports geplant.
2. Für jedes Alter (Intergenerationalität)
Die Flächen wurden nach dem Motto: „von jung bis alt“ als ‚sichere‘, blickdurchlässige Räume gestaltet, mit direkt anschließenden Aufenhaltsmöglichkeiten an den Aktionsflächen.
3. Von Anfänger*innen bis Profis (Interperformativität)
Jede Anlage wurde für unterschiedliche Können-Niveaus ausgerichtet, damit sie sowohl für Anfänger*innen und Freizeitsportler*innen als auch für Fortgeschrittene geeignet ist.
Nicht nur die einzelnen Flächen bieten jeweils kleiner dimensionierte Elemente für einen niedrigschwelligen Einstieg – selbst die Geräte der Outdoor Fitness & Calisthenics-Anlage wurden so gewählt, dass jedes Können-Niveau berücksichtigt wird –, sondern auch die unterschiedlichen Anlage-Typen offerieren, im Sinne einer Bewegungs-Genese, Terrain-Strukturen mit unterschiedlichen Freiheitsgraden der Nutzung. Als grundsätzliche Heranführung an das Thema Urban Sports bieten die beiden Pumptracks - komprimierte bahnähnlich geschlossene Rundkurse mit relativ dicht aufeinander folgenden Speed Bumps (kleine Hügel bzw. Wellen) und Steilkurven - einen sehr leichten Einstieg, sogar für Kinder mit Laufrädern. Mit Pumpen („Pump“) wird durch dynamische Gewichtsverlagerung auf einer Strecke („Track“) Schwung geholt. Ihr Reiz liegt für die Nutzer*innen weniger in der Varianz einer kreativen Nutzung mit stilistischem Ausdruck, wie bei dem Street Skatepark, dem Skate- und BMX-Bowl, sondern deutlich enger in der sukzessiven Steigerung von Geschwindigkeits- und physischen Rausch-Erlebnissen. So können sich die Nutzer*innen das Terrain zunächst mit bereits vertrauten Sportgeräten, wie Laufrad, BMX-Rad und Stunt Scooter, aneignen. Die ersten Gleit- und Beschleunigungs-Erlebnisse im Kids Pumptrack können dann im großen Pumptrack mit ersten Sprüngen um das Gefühl von kurzzeitiger Schwerelosigkeit erweitert werden. Insbesondere der BMX Bowl ermöglicht dann, die Sprünge und das Gefühl des Fliegens zu steigern, wobei immer mehr auch stilistischer Ausdruck und Varianz in die Bewegungen einfließen. Der Skate Bowl und der multi-direktional angelegte (Multi-Lines) Street Skatepark bietet schließlich eine Terrain-Struktur für Tricks, Vielfalt, Varianz und einen individuellen stilistischen Ausdruck der Nutzung der Akteure*innen.
Eine weitere Besonderheit ist, dass Urban Sports-Anlagen weitaus mehr als ausschließlich Sporträume sind. Die durchschnittlich langen Nutzungs- und Aufenthaltszeiten, sowie die vielen anliegenden Sitz- bzw. Verweilmöglichkeiten, machen Urban Sports Parks zu besonders lebhaften Orten mit viel sozialer Interaktion und Aufenthaltsqualität.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass – vorausgesetzt, es gelingt diese drei sozialen Aspekte bei der Planung der einzelnen Flächen zu berücksichtigen – durch die Kombination von verschiedenen Anlage-Typen in einem Urban Sports Park Nischensport-Themen für eine breite Nutzer*innen-Gruppe in großem Stil zugänglich, erlebbar und nutzbar gemacht werden.
Literatur:
Kilberth, V., Mikmak, W. & Isbrecht, S. (2021). Urban Sports Anlagen-Konzept Stadt Köln. Köln: Amt für Kinder, Jugend und Familie (im Erscheinen).
FACTS
Größe: 13.500 m² Gesamtfläche
Planungsbüros: Landskate, Köln (Sportflächen) und seecon, Leipzig (Landschaftsgestaltung)
Baubeginn: Juli 2021
Über den Autor:
Veith Kilberth, ehemaliger professioneller Skateboarder, Diplom-Sportwissenschaftler, promoviert an der Europa-Universität Flensburg und Mitinhaber des Skatepark-Planungsbüros Landskate GmbH in Köln www.lndskt.de.
Kilberth ist Autor des ersten wissenschaftlich fundierten Buchs zur Gestaltung von Skateparks: “Skateparks – Räume für Skateboarding zwischen Subkultur und Versportlichung”, das gerade im transcript-Verlag erschienen ist.