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Internationales Fachmagazin für Spiel-, Sport- und Freizeitanlagen

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15.06.2021 - Ausgabe: 3/2021

Ist ein Skatepark nicht für alle da? Unterschiedliche Sportgeräte und zunehmende Nutzerzahlen sorgen für massive Konflikte

Von Ingo Naschold, Gründer und Geschäftsführer von DSGN CONCEPTS sowie Obmann des DIN Gremiums NA 112-07-02 AA „Skate- und Parkour-Einrichtungen“

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© Alexandra Kern

Ob in Bayreuth, Gießen, Tuttlingen oder Jena: In zahlreichen Städten häufen sich die Konflikte in kommunalen Skateparks. Nach mehreren Unfällen haben Städte wie Tübingen und Frankfurt am Main bereits reagiert und Öffnungszeiten angepasst, den Nutzungskreis eingeschränkt sowie den Bestand um weitere Rollsportangebote ergänzt. Der Grund: Kinder mit Scootern, Bobby-Cars oder Minirädern toben sich immer häufiger in Skateparks aus und verursachen dabei teils schwere Stürze und Zusammenstöße. Im benachbarten Polen kam es jüngst sogar zu einem Unfall mit Todesfolge, als ein BMX-Fahrer im Skatepark einem kleinen Mädchen auf einem Tretroller, das plötzlich in seiner Sprungbahn aufgetaucht war, auswich und bei diesem Versuch, das Kleinkind zu schützen, verunglückte. Viele Eltern scheinen nicht sensibilisiert zu sein für die gefährlichen Situationen, die entstehen, wenn ein Kind, das noch nicht entsprechend vorausschauend handelt, unkontrolliert zwischen Skatenden rumtobt. 

Wir, das auf urbane Bewegungsräume spezialisierte Büro DSGN CONCEPTS, beobachten den Trend schon länger sehr kritisch und arbeiten mit unserem Münsteraner Team bereits an Lösungsansätzen. Unser Appell: Ein Skatepark ist nicht für alle da. Die Grenze des Machbaren ist hier längst überschritten! Was im Moment in den Skateparks stattfindet, muss konsequenterweise als regelrechte Übernutzung bezeichnet werden. 

Fast wöchentlich erreichen uns seit Anfang diesen Jahres Anrufe und Mails aus Städten aller Bundesländer, die alle dasselbe Problem haben: überlaufene Skateparks, sich häufende Gefahrensituationen sowie hochemotionale Konflikte zwischen uneinsichtigen Eltern mit ihren Kindern und frustrierten Skatenden. 

Aber was genau passiert gerade und warum hat das Thema so viel Brisanz? Fakt ist, die Beliebtheit des Rollsports nimmt zu und Skateparks müssen inzwischen eine explodierende Anzahl an Nutzern verkraften. Die Sportlandschaft entwickelt sich schon seit längerem weg vom normierten Vereinssport hin zu niedrigschwelligen Angeboten. Zusätzlich ist Skateboarding nun auch olympisch und es lässt sich vermuten, dass dadurch wieder ein starker Zuwachs an weiteren Nutzern dazukommen wird. Längst ist aus dem bloßen Zeitvertreib und Hobby ein Sport geworden, welcher Trainingsmöglichkeiten bedarf. Gleichzeitig strömen weitere Nutzergruppen wie Kinder mit Scootern oder sogar Bobby-Cars auf die Skateanlagen. Meist unberechtigt, denn die DIN EN 14974 sieht für die Nutzung von Skateparks ein Mindestalter von acht Jahren vor. Konflikte sind da vorprogrammiert. Zusätzlich verschärft die Corona-Pandemie die Lage drastisch: Alle Sportanlagen sind geschlossen, nur Skateparks sind meist geöffnet. Für viele Eltern ist es nun der Ort, um den Nachwuchs irgendwie zu beschäftigen. Es gibt keinen Klavierunterricht, aber der ursprünglich für den Schulweg angeschaffte Scooter ist jederzeit verfügbar.  

Andererseits reiche es aber nicht aus, die komplexe Problematik allein auf diesen Kern herunterbrechen zu wollen. Der „Corona-Effekt“ wird sich vielleicht wieder etwas mildern, jedoch spielen weitere Faktoren eine Rolle, die jeweils aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet werden müssen, um zu einer moderaten Lösung für alle zu gelangen. Dabei sollte man unbedingt mit der Entwicklung der Bestands-Skateanlagen beginnen: Während in den 1990ern, mit Aufkommen der ersten kommunalen Skateparks in Deutschland, noch rund 70% der Nutzer Skateboard, 25% Inline-Skates und die restlichen 5% BMX gefahren sind, hat sich die Nutzung längst differenziert. Wir haben in den letzten Jahrzehnten beobachtet, dass BMX-Fahrende und vor allem Kinder zunehmend eine größere Rolle beim Konzept der Anlage spielen. Das alleine stellt Planende und Verantwortliche bereits vor große Herausforderungen, denn nicht jedes Konzept einer Skateanlage eignet sich immer für alle Sportgeräte – auf Scooter oder gar Bobby-Cars sind Skateparks erst recht nicht ausgelegt. 

Die meisten Bestandsanlagen sind einem Wettbewerbs-Parcours nachempfunden. Hier können die Skatenden ihre Runs und Tricks üben, indem sie die Skate-Elemente sozusagen linear abfahren. Das heißt aber auch, dass sie immer nur nacheinander auf der im betreffenden Moment genutzten Skatefläche aktiv sind, ohne sich gegenseitig in die Quere zu kommen. Ein „Kreuz-und-Quer-Rollen“ von Kindern ist nicht vorgesehen. Im Gegenteil, dies ist nicht nur gefährlich, sondern führt auch zu Beteiligungsverdruss bei den Jugendlichen und juristischen Abwägungen bei den Verantwortlichen. Der Großteil der Skateparks entsteht heutzutage in mehrstufigen Planungs- und Beteiligungsverfahren, in die sich die lokalen Szenen über Jahre intensiv einbringen. Und dann ist die Anlage in den ersten Tagen so voll von Kindern, die kreuz und quer rollen, dass die Projektbeteiligten ihre Tricks erst gar nicht versuchen können und wollen und wieder woanders skaten gehen. Da kommt Frust auf. 

Erst kürzlich wurde von Skatenden in Münster sogar eine Petition gestartet, um „kleine Kinder, Scooter und Fahrradfahrer“ aus den Skateparks zu verbannen – ein Verzweiflungsakt, der genau widerspiegelt, wie sehr sich die Situation zuspitzt. Nicht zuletzt ist die Radikalität der Petition, die wir so nicht teilen, darauf zurückzuführen, dass sich die Skatenden zunehmend von den für sie konzipierten Anlagen verdrängt fühlen. Zugleich stoßen Versuche, die Nutzungsreglungen zu erklären sowohl bei Kindern als auch Eltern auf taube Ohren. 

Denn seit jeher wurde sowohl von Herstellern als auch Planern meist als Verkaufsargument angeführt, dass ein Skatepark für alle Nutzer- und Könnergruppen geeignet sei. Auf der politischen Ebene ist dies zwar ein sehr willkommenes Argument, um mit nur einer Investition für „alle“ etwas zu schaffen. Mit den Jahren führte dies jedoch zunehmend zu Konflikten, da die gegenseitige Rücksichtnahme in der realen Welt nicht so reibungslos funktioniert, wie es die Theorie fordert. Bis heute hält sich dieser Mythos hartnäckig und wird nach wie vor von einigen Planenden zur Begründung ihrer Konzepte bemüht. Die Planung von Skateparks und deren Anforderungen verändern sich laufend in einem natürlichen Prozess. Der Bedarf an jeder Form von Rollsport wächst und es werden unterschiedliche Flächen benötigt werden, statt einer Fläche für alle Sportgeräte und schon gar nicht für alle Altersklassen.

Denn trotz aller Kritik, haben wir größtes Verständnis für Kinder und Eltern: Kinder wollen sich natürlich bewegen, rumrollen und sich austesten. ... und das ist gut so! Nur wo und wie, das ist die Frage, die uns seit geraumer Zeit beschäftigt und für die wir schon länger an Lösungen arbeiten. Wir möchten z. B. mit einer Rollspielfläche, als einer Mischung aus dem klassischen Spielplatz und den typischen Elementen eines Skateparks oder Pumptracks, eine neue Form des Spielplatzes etablieren. Mit modellierten Bodenwellen und kleinen Rampen, auf denen die Kleinen sich austoben und testen können, ohne sich und andere Nutzer in Gefahr zu bringen. Im nordrhein-westfälischen Hemer ist bereits im Jahr 2010 eine gesonderte Fläche für Anfänger entstanden, die neben der Anlage für Jugendliche und Erwachsene liegt. In Leipzig wurde 2018 erstmals eine Rollspielfläche realisiert. Hierbei sind die Grundelemente zum Rollen, wie eine kleine organische Welle und eine seichte Steilkurve, in die bestehende Asphaltfläche integriert worden. Das Konzept überzeugt und durch die Nähe des Spielplatzes wird die Fläche nun vorzugsweise von Kindern zum Rollen genutzt.   

Ein Lösungsansatz, der die Konflikte mit jüngeren Kindern in vielen Städten entschärfen könnte. Letztlich geht es bei den überfüllten Skateparks nicht nur um die Gefahren und den Frust bei Jugendlichen und Erwachsenen, sondern auch um weitere Kapazitäten durch den zu erwartenden Olympia-Boom. Dementsprechend sollte man sich frühzeitig vorbereiten und schon bei Neuplanungen einen facettenreichen Ansatz wählen sowie verschiedene Bereiche und/oder weitere Anlagen im Stadtgebiet für unterschiedliche Sportgeräte berücksichtigen. So zeigt es sich bereits, z. B. am Bielefelder Kesselbrink oder an der open airea in Oberhausen, dass Skateanlagen mit unterschiedlichen Konzepten an einem Ort für die Nutzer konfliktfreier sind als ein Gesamtkonzept für alle Nutzergruppen. Doch selbst mit solch großen Anlagen kommt man in Großstädten bereits heutzutage an die Kapazitätsgrenzen. 

Damit wird deutlich, in welche Richtung es in der Zukunft gehen sollte und auch, dass die Planungsaufgabe und die damit einhergehende Beraterfunktion nicht unterschätzt werden darf. Jeder, der sich mit Skateparks, Pumptracks und Rollspielflächen beschäftigt, muss am Puls der Zeit bleiben und sich laufend mit neuen Gegebenheiten auseinandersetzen. Schon heute können wir nicht mehr so planen wie vor zwei Jahren. Die größeren Herausforderungen haben wir jedoch mit den Bestandsanlagen. Hier gibt es keine Universallösung und jede Kommune muss die lokale Situation beobachten und bei Konflikten unter Beteiligung der verschiedenen Akteure gemeinsam einen Kompromiss erarbeiten. Eine bauliche Lösung wird kurzfristig meist nicht möglich sein und man sollte versuchen, mit ordnungsrechtlichen Regelungen einen Kompromiss zu erzielen. Ein Verbot für Scooter sollte die letzte Option sein, ggf. kann man zunächst über eine Nutzungszeitenregelung gehen, wie es bereits einige Kommunen versuchen. Dort ist die Nutzung mit Scootern bis zu einer bestimmten Uhrzeit am Nachmittag oder an bestimmten Tagen begrenzt. Hilft das Regeln über die Beschilderung nicht, gäbe es noch die Möglichkeit auf eine personelle Begleitung durch Streetworker zu setzen, einen institutionellen Betreiber zu finden oder auch am Ende über einen Ordnungs- bzw. Sicherheitsdienst zu versuchen, die Reglungen durchzusetzen. Wobei die letzte Lösung nur noch wenig mit der gelebten Skatepark-Kultur gemein hat. Um das zu vermeiden, muss dringend an die Eltern und ihre Aufsichtspflicht, aber vor allem an die Vernunft aller Akteure appelliert werden. 

 

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