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Internationales Fachmagazin für Spiel-, Sport- und Freizeitanlagen

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13.08.2021 - Ausgabe: 4/2021

Sportplatzbau und Umweltfragen – Kunststoffe und Mikroplastik im Fokus

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© NicoElNino / stock.adobe.com

Umweltschutz ist heutzutage nicht nur eine Herausforderung, es wird zu einer Pflicht für jeden von uns. Die negativen Einflüsse der menschlichen Zivilisation auf die Natur werden immer umfangreicher. Dazu gehört auch die Emission von Kunststoffabfällen in die Natur, vor allem das sog. Mikroplastik, das fast schon überall in der Umwelt zu finden ist. Längst bereitet die EU-Kommission unterstützt von der Europäischen Chemikalienagentur ECHA Beschränkungen vor, die die Produktion von Mikroplastik stark eindämmen sollen. 

Seit rund drei Jahren wird das Vorhaben der EU diskutiert und auch wenn die ECHA der EU-Kommission bereits ihre Vorschläge unterbreitet hat, ein endgültiger Beschluss liegt heute noch nicht vor. Doch längst hat der Prozess anderswo Fakten geschaffen. Bis 2019 wurde in Deutschland beim Bau von (Sport-)Kunststoffrasenplätzen standardmäßig Kunststoffgranulat zur Verfüllung genutzt. Da durch die Initiative der EU ein zeitnahes Verbot der Verwendung von Kunststoffgranulaten befürchtet wurde, wurde vielerorts die öffentliche finanzielle Förderung von neugebauten Kunststoffrasenplätzen mit Granulat bereits eingestellt. Denn ein neugebauter Platz soll möglichst eine Lebensdauer von weit über 10 Jahren bis zum Oberflächenaustausch erreichen, ein in wenigen Jahren einsetzendes Granulatverbot würde hier Probleme bereiten. Und so ist seit 2020 in allen Bundesländern die öffentliche finanzielle Förderung von granulatverfüllten Kunststoffrasenplätzen weit vor einer Entscheidung der EU-Kommission eingestellt. Mit alternativen Materialien verfüllte Varianten oder unverfüllte Kunststoffrasenplätze werden aber nach wie vor gefördert.

Kunststoffgranulate auf Sportplätzen sind aber auch aus anderen Gründen in die Kritik geraten, nämlich aufgrund ihrer Zusammensetzung. SBR-Granulate, die weitestgehend aus recycelten Altreifen bestehen, sind oft stark mit polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK) belastet, welche als stark gesundheitsschädlich eingestuft sind. Ab 10. August 2022 tritt eine neue EU-Verordnung in Kraft, die besagt, dass der Gehalt  aller  aufgeführten  PAK  zusammen nicht mehr als 20 mg/kg betragen darf. Eine neuere Studie der ECHA hat zudem weitere gesundheitsschädliche Schadstoffe in den Granulaten definiert, z.B. Kupfer, Blei, Cadmium, Kobalt, Zink, 4-tert-Octylphenol, Benzylbutylphthalat (BBP) und andere. Diese Stoffe sind allesamt problematisch zu werten, nun stellt sich aber die Frage, wie man mit den Studienergebnissen umgeht. Die ECHA geht davon aus, dass die Problematik sich mit einem grundsätzlichen Inverkehrbringungsverbot von Kunststoffgranulaten für Kunststoffrasenplätze direkt miterledigen würde. Diese Maßnahme ist einer von zwei Vorschlägen, die sie der Kommission bezüglich der Mikroplastikdiskussion unterbreitet hat. Der andere Vorschlag würde verpflichtende Maßnahmen zur Vermeidung der Mikroplastikemission von den verfüllten Sportplätzen bedeuten. Beispielsweise Filteranlagen in der Drainage oder Mengenbeschränkungen.

Egal, welchen der beiden Vorschläge die EU-Kommission annimmt, es drohen hohe Kosten für die Betreiber von Kunststoffrasensportplätzen. Bei der Variante des Inverkehrbringungsverbots geht man von einer Übergangszeit von 6 Jahren aus. Das würde nicht reichen, um alle bestehenden Plätze erst bei der nächsten anstehenden Oberflächensanierung mit einem alternativen Kunststoffrasenbelag zu versehen. Es droht vor allem zum Ende einer solchen Übergangszeit eine große Anzahl von dringend notwendigen Sanierungen vieler Kunststoffrasenplätze, um den Spielbetrieb aufrecht zu halten. Es ist mehr als fraglich, ob das zeitlich und personell überhaupt zu schaffen sein wird. Darüber hinaus sollte allen politischen Entscheidern in der Kommission auch klar sein, dass gewaltige Mengen an Kunststoffabfall durch die Sanierungen entstehen und viele Oberflächen notgedrungen entsorgt werden, obwohl sie noch einige Jahre hätten genutzt werden können. Ob das umweltgerecht ist, darf deutlich hinterfragt werden.

Doch man muss längst feststellen, dass auch in diesen Diskussionen oft mehr Ideologie als Praktikabilität die Entscheidungen beeinflusst. Bei der von der EU geplanten Automobilwende soll eine Erstzulassung für Autos mit Verbrennermotoren irgendwann nicht mehr möglich sein. Eine solche Lösung wäre auch für den Kunststoffrasenplatz angebrachter. Wenn entsprechende Regelungen erst bei Neubauten oder dem Austausch alter Oberflächen gelten würden, würde das im Prinzip nur eine Verlängerung der Übergangszeit bedeuten, die Umwelt und die Finanzen der Sportplatzbetreiber würden aber nicht überstrapaziert und vor allem wäre ein Sportbetrieb gewährleistet.

Auch weitere Maßnahmen im Rahmen des EU Green Deals werden Einfluss auf den Bau und Unterhalt von Kunststoffrasenplätzen haben. Hersteller von Kunststoffen sollen Planungen zufolge zukünftig ihre Produkte hinterher selbst wieder entsorgen und diese in einem verpflichtenden Anteil als Rezyklat in neuen Produkten wiederverwenden. Dies gilt bereits schon für Kunststoffverpackungen, eine Ausdehnung auf alle Kunststoffprodukte scheint möglich. 

Viele Produzenten von Sportkunststoffrasen reagieren bereits auf mögliche zukünftige Vorgaben der EU. Auch weil es sich bei öffentlichen Ausschreibungen bereits heute schon lohnen kann, nachhaltige Produkte anzubieten. Wer Kunststoffprodukte mit einem hohen Rezyklatanteil herstellt oder weitere nachhaltige Konzepte anbietet, kann in den Ausschreibungen bevorzugt werden. Auch in vielen deutschen Kommunen wird auf solche Kriterien bereits hoher Wert gelegt. 

Allerdings sind Sportflächen aus Kunststoff vielerorts auch generell in der Kritik. Das Problem ist die Flächenversiegelung. Diese führt vor allem im urbanen Raum häufig zu lokaler Überhitzung. Da im Zuge des Klimawandels die Durchschnittstemperatur weltweit stetig ansteigt, will man verhindern, dass es auch in den Innenstädten immer heißer wird. Versiegelte Flächen gelten in diesem Zusammenhang als problematisch und sollen nach Ansicht vieler Kommunalpolitiker*innen zukünftig stärker vermieden werden. Allerdings kann man einen Kunststoffrasensportplatz nicht so einfach durch einen Naturrasenplatz ersetzen, vor allem keine vielfrequentierten Anlagen in den Städten und Kommunen. Von daher muss man schauen, wie man andere Lösungen findet. Man könnte z.B. andere Flächen rund um den Spielplatz unversiegelt lassen. Für Gehwege, Parkplätze und Aufenthaltsflächen gibt es z.B. praktikable Varianten. Auch die Industrie wird sicherlich daran arbeiten, die Problematik durch neue Produkte und Bauweisen zu entschärfen.

Eines ist sicher, das Thema Umweltschutz wird den Sportplatzbau in Zukunft noch stärker begleiten und beeinflussen. Die Sensibilität für dieses Thema ist bei Betreibern aber auch in der Industrie stark gewachsen. Politische Richtlinien sind in diesem Zusammenhang sicherlich nicht verkehrt, aber am Ende muss eines nach Möglichkeit verhindert werden: dass die Sportlerinnen und Sportler darunter leiden.

TT

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