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Internationales Fachmagazin für Spiel-, Sport- und Freizeitanlagen

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16.04.2012 - Ausgabe: 2/2012

Nicht „billig“ aber „günstig“

oder: Die produktneutrale Ausschreibung eines Kunststoffrasens

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Diese Erkenntnis, dem englischen Sozialreformer John Ruskin aus der Mitte des 19. Jahrhunderts zugeschrieben, ist aktueller denn je. Obwohl seit langem über die Wirtschaftlichkeit von Kunststoffrasen diskutiert wird, ist in der Praxis allzu häufig allein der Preis das entscheidende Kriterium für die Auftragsvergabe. Die Qualität wird häufig nur oberflächlich bewertet, etwa nach dem Motto „da lässt sich gut drauf spielen“. Anders kann man sich den teilweise leichtfertigen Umgang mit der Thematik Kunststoffrasen und insbesondere seiner Polverfüllung nicht erklären.
Die Ausschreibung von einem Kunststoffrasenbelag gestaltet sich im Vergleich zu anderen Sportbelägen, wie z.B. Rasen oder Tenne, umfangreicher und teilweise auch schwieriger. Ursache hierfür ist sicherlich die Komplexität des Materials, bestehend aus Kunststofffasern, Trägergewebe, ggf. Zweitrücken und einer Rückenbeschichtung. Hinzu kommt dann häufig eine mehr oder weniger problembehaftete Polverfüllung.
Ein Weg, der im Rahmen einer Angebotseinholung leider oft beschritten wird, ist die Beschreibung eines bestimmten Produktes, da diesem besonders Vertrauen geschenkt wird. Vielleicht auf Grund eines Seminars, was der Hersteller veranstaltet hat, vielleicht aber auch, weil irgendwer schon einmal auf einem solchen Platz gespielt hat. Damit anderen Herstellern oder Bietern die (theoretische) Möglichkeit eröffnet wird, ein Angebot abzugeben, wird der Leistungsbeschreibung noch der Zusatz „oder gleichwertig“ hinzugefügt. Neben verfahrensrechtlichen Bedenken, hinsichtlich einer produktneutralen Ausschreibung, wird hierbei die Problematik der Feststellung und der Bewertung der Gleichwertigkeit der angebotenen Produkte völlig verkannt. Der Bieter ist nämlich gefordert im Rahmen seines Angebots nachzuweisen, dass das von ihm angebotene Produkt gleich gut oder aber, je nach Sichtweise, gleich schlecht zu dem Leitprodukt ist. Ein Nachweis, der gerade im Bereich des Kunststoffrasens schwer fallen dürfte.
Dabei ermöglicht die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleitungen (VOB) bei der Vergabe von Leistungen nicht alleine nach dem Preis zu entscheiden (VOB/A § 16 Absatz 6 Nr. 3), sondern weitere Wertungskriterien, wie z.B. die Qualität heranzuziehen. Es wird sogar ausdrücklich angeführt, dass der niedrigste Angebotspreis nicht allein entscheidend ist für die Vergabe. Folgerichtig ist nicht dem billigsten, sondern dem wirtschaftlichsten Angebot der Zuschlag zu erteilen. Dies erfordert jedoch von dem Bauherrn oder dem beauftragten Fachplaner ein umfangreiches Wissen zu der Thematik Kunststoffrasen und einen Mehraufwand bei der Ausschreibung und der Angebotsprüfung.
Grundsätzlich sollten bei jeder Form von Ausschreibung von den Bietern gültige Nachweise zur Eignung, Umweltverträglichkeit und der Qualitätssicherung des angebotenen Belages verlangt werden. Seit Oktober 2011 ist in Deutschland die hierzu maßgebliche Regelung die DIN SPEC
18035-7. Sie wurde u.a. unter Einbeziehung der interessierten Kreise beim Deutschen Institut für Normwesen e.V. (DIN) erarbeitet, da die bis dahin gültige DIN V 18035-7, nach fast 10 Jahren nicht mehr den aktuellen Stand der Technik widergespiegelt hat. Auf einen angebotenen Belag, für den die entsprechenden Prüfzeugnisse nicht vorgelegt werden können oder bei dem sich die einzelnen Prüfzeugnisse und Nachweise nicht zweifelsfrei aufeinander beziehen, sollte kein Zuschlag erteilt werden. Technische Datenblätter, welche möglicherweise von den Belagsherstellern selbst angefertigt worden sind, stellen dabei keine Prüfzeugnisse oder Nachweise im Sinne der DIN SPEC 18035-7 dar. Damit die in den Prüfzeugnissen dargelegten Werte auf Plausibilität geprüft werden können, empfiehlt es sich zum Angebot ein Belagsmuster anzufordern. Die Größe eines DIN A 4 Blattes für das Muster hat sich dabei in der Praxis bewährt. Hieran kann eine Vielzahl von Werten kontrolliert werden. Bei verfüllten Belägen sollte zudem ein Muster der jeweiligen Polverfüllung gefordert werden.
Sich bei der Ausschreibung allein auf die DIN SPEC 18035-7 zu beziehen wird allerdings auch nicht zu dem gewünschten Erfolg führen. Sie enthält in ihrem Anhang A, der lediglich einen informativen Charakter besitzt, eine Übersicht von insgesamt zehn Belagstypen. Bereits hier zeigt sich, dass Kunststoffrasen eben nicht gleich Kunststoffrasen ist. Grenzt man diese Übersicht auf die polverfüllten Beläge ein, so reduziert sich die Auswahl auf acht Belagstypen. Bei einer weiteren Eingrenzung auf Sand oder Sand/Gummi verfüllte Beläge bleiben noch jeweils vier Typen übrig. Damit alle Bieter für eine Angebotserstellung die gleichen Vorraussetzungen haben, ist es daher erforderlich zumindest den gewünschten Belagstyp zu benennen. Die Erwähnung eines Produktes ist allerdings nicht erforderlich. Neben den üblichen Angaben zu der Ausschreibung, wie z.B. die Vorlage der zuvor erwähnten Prüfzeugnisse und Nachweise, sind auch etwaige Wertungskriterien bereits in den Vergabeunterlagen bekanntzugeben. Voraussetzung hierfür ist, dass bereits im Rahmen der Vorbereitung der Ausschreibung die Kriterien und deren Wertigkeit festgelegt worden sind. In der Darstellung 1 sind beispielhaft Kriterien und ihre Wertigkeit aufgeführt. Auf diese wird im Folgenden kurz eingegangen:
Preis: Gewertet werden kann der Einheitspreis der entsprechenden Position oder der Gesamtpreis eines Angebotes. Dies ist bei der Vorbereitung der Ausschreibung festzulegen. Bei einer Ausschreibung mit einer Gewerketrennung kann z.B. für das Gewerk Kunststoffrasen der Gesamtpreis pro m² in der Bewertung berücksichtigt werden. Im Rahmen einer Gesamtausschreibung bleibt im Grunde keine andere Möglichkeit, als nur den Einheitspreis der entsprechenden Position zu werten, da ansonsten die Wertung durch andere Preiseinflüsse verzerrt werden würde. In der Wertung erhält der niedrigste Preis die höchste und der teuerste Belag die niedrigste Punktzahl.
Poleinsatzgewicht: Das Poleinsatzgewicht gibt an, mit wie viel Garnmaterial der Belag bei der Herstellung ausgestattet wird. Entgegen der alten DIN V 18035-7, bei der die Angabe des Polschichtgewichtes gefordert wurde, wird nun auch das Material berücksichtigt, welches sich auf der Rückseite des Kunststoffrasens befindet. Dieses steht dem Sportler als eigentliche Nutzschicht allerdings nicht zur Verfügung. Das Poleinsatzgewicht eines Belages ist somit immer höher als das Polschichtgewicht. Da das Polmaterial mit das Teuerste an einem Kunststoffrasenbelag ist, sollte ein Belag mit viel Polmaterial höher bewertet werden, als einer mit wenig Material.
Noppenzahl: Die Noppenzahl ergibt sich, vereinfacht dargestellt, aus der Multiplikation der Anzahl an Noppen in einer Reihe, mit der Anzahl der Reihen. Sie spiegelt daher in gewisser Weise die Dichte eines Kunststoffrasens wieder. Auch hier gilt, je dichter, desto besser, da die Lebensdauer neben dem Garn, auch von der Dichte eines Belages abhängt. Außerdem wird in dichten Belägen die Polverfüllung besser gehalten, was wiederum den Pflegeaufwand reduziert.
Zweitrücken: Die Formstabilität eines Kunststoffrasens hängt in besonderer Weise von dem Zweitrücken ab. Da ein Gewebe mehr Stabilität als ein Vlies gibt wird dies auch höher bewertet.
Um mögliche Missverständnisse im Bezug auf die spätere Berechnung der Wertungspunkte zu vermeiden, empfiehlt es sich den Rechenweg durch ein kurzes Beispiel aufzuzeigen. (Darstellung 2)

Preis:
niedrigster Preis pro m² € 15,00 = 100,00 % x Faktor (5,00) = 500,00 Bewertungspunkte
höchster Preis pro m² € 17,50 = 85,71 % x Faktor (5,00) = 428,55 Bewertungspunkte
Poleinsatzgewicht:
höchstes Poleinsatzgew.1.100 g/m² = 100,00% x Faktor (2,60) = 260,00 Bewertungspunkte
niedrigstes Poleinsatzgew. 900 g/m² = 81,82% x Faktor (2,60) = 212,73 Bewertungspunkte
Darstellung 2: Berechnungsbeispiele
Bei den ausgewählten Wertungskriterien und Faktoren handelt es sich immer um subjektive Einschätzungen desjenigen, der ausschreibt. Sie können und sollten folglich individuell den jeweiligen Zielsetzungen angepasst werden. Darüber hinaus ist es möglich weitere Wertungskriterien, wie z.B. die Bändchenart, die Faserstruktur, den Tuftgassenabstand oder die Polhöhe in einer Ausschreibung zu berücksichtigen. Andere Merkmale eines Kunststoffrasens, wie z.B. die Rückenperforation, sind dabei eher von einer untergeordneten Bedeutung, da die Vorgaben der entsprechenden Regelwerke hier ausreichend sind. Im Falle der Rückenperforation wäre es die Wasserdurchlässigkeit.
In der Darstellung 3 wurde beispielhaft die Auswertung einer fiktiven Ausschreibung zusammengestellt. Bei den in den vier Angeboten abgebildeten Kennwerten der Kunststoffrasenbeläge handelt es sich um reale Werte, welche aus Datenschutzgründen abgeändert und umbenannt wurden. In dem Beispiel hat der Anbieter A mit den Belägen „FuBa“ und „FuBa Top“ ein Haupt- und ein Nebenangebot abgegeben. Gleichzeitig hat der Bieter B, beispielsweise als Generalunternehmer, den Belag „FuBa Top“ des Bieters A ebenfalls angeboten, jedoch zu einem etwas höheren Preis, da er die ihm entstehenden Kosten, wie zum Beispiel für die Koordinierung der Arbeiten oder die allgemeinen Geschäftskosten, auf das Angebot umgelegt hat. Der Bieter C liegt mit seinem Angebot und Belag „KSR One“ nach der Submittierung auf dem zweiten Platz, ist also nicht der billigste Bieter.
Im Rahmen der Angebotsprüfung werden nun neben der allgemeinen Prüfung, die zu bewertenden Faktoren, wie der Preis, das Poleinsatzgewicht, die Noppenzahl und der Zweitrücken an den jeweiligen Angeboten und den vorgelegten Mustern überprüft und in eine Bewertungsmatrix eingetragen. Danach liegt der Belag „FuBaTop“ des Bieters A bei den Wertungskriterien „Preis“, „Noppenzahl“ und „Zweitrücken“ jeweils auf Rang eins. Nach der Auswertung des Poleinsatzgewichtes schiebt sich allerdings der Bieter C mit dem Kunststoffrasen „Next Generation“ in der Gesamtauswertung auf den Rang eins vor, da er offensichtlich durch ein schwereres Garn, mehr Polmaterial einsetzt. Er hat folglich das im Verhältnis aller Wertungskriterien wirtschaftlichste Angebot abgegeben und sollte den Auftrag für die Verlegung des Kunststoffrasens erhalten. Wie in dem beschriebenen Beispiel dargelegt, würde somit einem, gegenüber dem Submissionsergebnis brutto 3.570,00 € (Summe Bieter A, „FuBa Top“: 156.187,50 €, abzüglich Summe Bieter C, „KSR One“: 159.757,50 €), entspricht 2,29 % teureren Angebot der Zuschlag erteilt werden.
Wie in dem Beispiel dargestellt, verkennt die Wertung von Angeboten allein über den Preis die Tatsache, dass sich die einzelnen Beläge in verschiedenen Faktoren unterscheiden. Ein Nachweis der Gleichwertigkeit wäre somit bereits bei den drei angebotenen Kunststoffrasenbelägen nicht möglich.
Die produktneutrale Ausschreibung eines Kunststoffrasenbelags ist natürlich möglich, sie erfordert allerdings von der ausschreibenden Seite, Bauherr oder Fachplaner, die entsprechenden Fachkenntnisse. Die Vorgabe, dass eben nicht zwangsläufig das billigste Angebot den Zuschlag erhält, ist in der VOB geregelt. Dem günstigsten Bieter soll unter Berücksichtigung aller Gesichtspunkte der Auftrag erteilt werden, denn „wenn wir dagegen zu wenig bezahlen, verlieren wir manchmal alles, da der gekaufte Gegenstand die ihm zugedachte Aufgabe nicht erfüllen kann.“ (John Ruskin).

Fotos:  Fotolia.com

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