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Internationales Fachmagazin für Spiel-, Sport- und Freizeitanlagen

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09.04.2013 - Ausgabe: 2/2013

Entwicklungsförderung draußen - die Kita Steilshooper Allee in Hamburg

Von Dipl. - Ing. Kirsten Winkler, Landschaftsarchitektin und Stadtplanerin, Winkler-Landschaftsarchitekten

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An der Kita Steilshooper Allee erobern sich Kinder im Alter von acht Wochen bis zu sechs Jahren Schritt für Schritt ihren neuen Freiraum. Das Gelände wurde in Funktionsbereiche untergliedert, die Kinder in den unterschiedlichen Entwicklungsphasen unterstützen.

Der 'Fischersteg' als hausnächster Spielbereich wurde so gestaltet, dass sich auch die Kleinsten möglichst selbständig den Raum aneignen können. Mit integrierten schiefen Ebene und kleinen Hütten bietet er Herausforderungen für diejenigen, die das Krabbeln oder Gehen noch üben. Kinder eigenen sich ihre Umwelt spielerisch an. Sobald die Kleinsten beginnen, sich rollend, robbend und krabbelnd fort zu bewegen, sollte dem nichts im Wege stehen. Die Umwelt selbständig erkunden! Beispiel: Es werden Fallhöhen von 5 - 15 cm auf Wiese und bis zu 25 cm in den Spielsand ermöglicht. Mehr nicht! Die vom TÜV erlaubten 60 cm freie Fallhöhe auf Pflastersteine sind für diese Altersgruppe zu hinterfragen. Die Steg-Elemente wurden aus Holz individuell an das Gelände angepasst, die Ecken stark abgerundet. Der Fischersteg ist als ruhiger Rollenspielbereich allen Kindern zugänglich. Der Raum bleibt für Begegnung und soziales Lernen in altersgemischten Gruppe offen. Als Gegenpol dazu ist das 'Baumhaus' an der anderen Ecke des Geländes für Krippenkinder schwer bekletterbar, bietet dafür aber für fünfjährige noch Herausforderungen.

Vom Spielplatz zum Mobilplatz

Kleine Außengelände erfordern multifunktionale Konzepte. Die ‚Dalbenpfosten’ am Fischersteg dienen als Befestigungssystem für mobile Schaukel- und Kletterinstallationen. Erzieherinnen können mit wenigen Handgriffen das Bewegungsangebot alters- und entwicklungsgerecht differenzieren. Die Idee eines flexiblen ‚Mobilplatzes’ wurde im Hamburger Forum Spielräume an der Universität Hamburg entwickelt. Entwicklungspsychologen und Bewegungstherapeuten beschreiben, wie wichtig es für Kinder ist, zunächst sich selbst zu spüren und beklagen vielfältige Defizite, die aus mangelnder ‚Sensorische Integration’ herrühren. Der 'Mobilplatz' bietet nicht nur individuellere weil flexiblere Fördermöglichkeiten sondern durch vielfältigere Materialwahl auch wirksamere psychomotorische Elemente. Mobile Stoffhängematten sind ‚anschmiegsamer’ als die übliche Hängematte aus Herkules-Tau und ermöglichen eine bessere Körperwahrnehmung. Das Schaukeln in dunklen Schaukelfässern schärft den Gleichgewichtssinn (Vestibuläre Stimulation). Wackelnde, herausnehmbare Schaukelbretter erfordern mehr Ausbalancieren, mehr Achtsamkeit in der Muskelkoordination als der fixierte Standardschaukelsitz.
Die Erzieherinnen lernen den Umgang mit den mobilen Elementen sowie die entsprechenden Sicherheitsregeln in einer hierauf abgestimmten Fortbildung. Die Inhalte sind mit der Unfallkasse Nord abgestimmt. Für ältere Kinder kann an den Dalben im Übrigen die Seilbaustelle als Konstruktionsspiel eingeführt werden.

Wasser, Sand, Steine, Holz – Naturmaterial als Lehrmeister

Kinder müssen erst im ‚Funktionsspiel’ - wie es z.B. Rolf Oerter typisierte - Körpererfahrung aber auch Materialerfahrung sammeln.
Die Wahl von Naturmaterialien zum Bauen ist für Kinder unter vier Jahren deshalb keine Geschmacksfrage, sondern entwicklungspsychologisch sinnvoll. Materialien aus der Natur regen viele Sinne an. An der Kita Steilshooper Allee wurde Robinienholz wie gewachsen als Grundgerüst für die Spielgeräte ausgewählt. Mit Marcus Kretschmar als Holzgestalter war ein individuelles Eingehen auf die Wuchsform des Einzelstammes möglich. Hieraus ergibt sich eine gestalterische Detailvielfalt, die ‚unplanbar’ ist.
Aus Natursteinen wurde ein Wasserlauf mit Pumpe gebaut. Hier experimentieren die Kinder mit Wasser, Sand, Steinen und Erde. Der Bereich ist aber auch für Konstruktionsspiele wichtig. Nicht teure Rinnenkonstruktionen sind dazu notwendig, sondern genügend Platz zum kreativen Bauen mit Sand und Wasser.
Den klassischen ‚Spielhügel’ halten wir nicht für unmodern - im Gegenteil. Richtig geplant erfüllt er nachhaltig Funktionen der motorischen Förderung im Rollenspiel. Trampelpfade werden vorher angelegt. Robuste Straucharten wie Weide, Zimthimbeere oder Hartriegel geben dem geneigten Boden mit ihren Wurzeln halt. Auch dornlose Brombeerranken und Holunder sowie Schmetterlingssträucher sind integriert. Alles ungiftig oder sogar essbar - versteht sich! So bleibt der Hügel lange stabil und Generationen von kleinen Tigern, Pferden oder Indianern werden spielerisch immer geschickter. "Nebenbei" lernen sie die Natur kennen, beobachten und nutzen.

Pädagogische Schwerpunkte stärken

Die Aufteilung des Außenraums ist eine Frage des pädagogischen Konzepts und der Altersstruktur. Die Außenräume sollen nicht nur vielfältige motorische Möglichkeiten eröffnen, sondern gleichzeitig die kognitiven Fähigkeiten von Kindern fördern. Dass sich dies nicht ausschließt - im Gegenteil - wissen wir aus der Psychomotorik. Trotzdem müssen bei der Entwicklung eines Gesamtkonzeptes Prioritäten gesetzt werden.
Die Kita Steilshooper Allee legt einen Schwerpunkt auf das Thema 'Bildung'. Durch die Verkleinerung des Fußballplatzes entstand Platz für einen Naturerlebnispfad. Aus einer Sackgasse, die am Ballfangzaun endete, wurde ein Rundweg durch’s ‚Unterholz’. Die Erzieherinnen haben kleine ‚Forscherkoffer’ mit Lupen und Schaufeln zusammengestellt und machen schon in der Krippe ‚Bildungsangebote’ für die 2 – 3jährigen. Sie gehen mit ihnen auf Erkundungstour, finden Regenwürmer und Schnirkelschnecken, kleine Steine und angefressene Blätter. Regelspiele zu denen auch das Fußballspiel gehört werden ab ca. 4-5 Jahren gespielt. Durch die Verlagerung der Horte an die Schulen und eine immer frühere Einschulung sinkt die Nachfrage nach großen Fußballbereichen an Kindertagesstätten.

Gemeinsam planen und umsetzen

Ohne das Fachwissen der Experten vor Ort kann eine Planung nicht gelingen.
Darum gehen unserer Planung meist Workshops oder intensive Gespräche mit dem Kita-Personal voraus, die eine Nutzungsanalyse beinhalten sowie die Entwicklung eines räumlichen Gesamtkonzepts. Es leiten sich aber nicht nur funktionale Aussagen ab, sondern oft auch Grundsätze eines Gestaltungskonzepts. Wir freuen uns, wenn von der ersten Idee bis zur Mit-Bau-Stelle Erzieherinnen und Planer aber auch Kinder und Eltern gemeinsam beherzt anpacken. Die Zusammenführung aller Aspekte zu einem funktional tragfähigen sowie gestalterisch ansprechenden Ganzen ist unsere Verantwortung als Planer.

 

Weitere Hintergrundinformationen:
Kita Steilshooper Alle, Hamburg: http://www.elbkinder-kitas.de/de/kita_finder/kita/432
Träger: Vereinigung Hamburger Kindertagesstätten
Landschaftsarchitektur: Winkler-Landschaftsarchitekten
Gefördert im Rahmen des Programms ‚Aktive Stadtteilentwicklung’ der Freien und Hansestadt Hamburg
Konzept Bewegungsbaustelle / Dalben: in Kooperation mit Ivo Hoin, Hamburger Forum Spielräume

 

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