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15.06.2023 - Ausgabe: 3/2023

Gemeinsam planen für eine gesunde Stadt

Von Thomas Preuß und Christa Böhme (Deutsches Institut für Urbanistik (Difu), Berlin)
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© M Einero/ peopleimages.com/ stock.adobe.com

Gesunde, gerechte, resiliente und damit lebenswerte Kommunen zeichnen sich dadurch aus, dass gesundheitliche Belange wie Ruhe, Erholung, Wohlergehen, Bewegung, Stressbewältigung und Entspannung in der Stadtplanung einen hohen Stellenwert besitzen. Für die Städte bedeutet das eine große Transformationsaufgabe, denn viele Stadträume sind noch dadurch gekennzeichnet, dass dort die Bevölkerung in Bezug auf die Umweltsituation sowie die gesundheitliche und soziale Lage von mehrfachen Belastungen betroffen ist. In vielen Städten sind die gesundheitlichen Chancen der Einwohner*innen räumlich ungleich verteilt, denn neben der sozialen Lage bestehen teils deutliche Unterschiede bei Belastungen durch Lärm, schlechte Luft und Hitze sowie bei der Ausstattung mit Grün. Grund genug, die gesundheitlichen Belange in der raum- und umweltbezogenen Planung stark zu machen.

 

Kommunale Planungen für mehr Gesundheit

Dass in der Lärmaktionsplanung, der Grün- und Freiraumplanung sowie der Bauleitplanung und der Stadtentwicklungsplanung vielfältige Ansatzpunkte liegen, um Gesundheitsbelange frühzeitig und umfassend zu berücksichtigen, wird in der neuen vom Deutschen Institut für Urbanistik in Kooperation mit LK Argus und der Hochschule für Gesundheit Bochum erstellten UBA-Fachbroschüre „Gemeinsam planen für eine gesunde Stadt – Empfehlungen für die Praxis“ dargestellt. Ausgehend von den Anforderungen an eine gesunde Stadt werden in der Veröffentlichung Empfehlungen gegeben, wie Aspekte von Gesundheitsvorsorge und Gesundheitsschutz stärker in kommunalen Umwelt-, Grün und Stadtplanungsämtern verankert werden können. Dabei werden die Potenziale der genannten Planungen beschrieben und illustriert sowie durch kommunale Praxisbeispiele konkrete Handlungsmöglichkeiten aufgezeigt. Ein großes Augenmerk liegt dabei neben den fachlich-inhaltlichen Schnittstellen zum Thema Gesundheit auf dem kooperativen Zusammenwirken der verschiedenen Ämter. Eine wichtige Funktion haben dabei die kommunalen Gesundheitsämter, die neben Aufgaben wie Prävention, Gesundheitsförderung, Gesundheitsschutz und Kinder- und Jugendgesundheit auch an den genannten gesundheitsrelevanten Planungen mitwirken. Diese Mitwirkung ist in den Gesetzen über den Öffentlichen Gesundheitsdienst einiger Bundesländer auch fest verankert.

 

Gesundheitsbelange in der raumbezogenen und Umweltplanung

Die Bauleitplanung bietet u.a. in der Festlegung von Grün- und Erholungsflächen sowie Frischluftschneisen, durch Festlegungen zu verträglichen baulichen Dichten (z.B. Abstandsflächen, Geschosshöhen) und durch die Zuordnung störender und nicht störender Nutzungen vielfältige Ansatzpunkte für die Integration gesundheitlicher Belange. Indem Lärmbelastungen, Luftverunreinigungen und Gerüche bei der Aufstellung von Bebauungsplänen gutachtlich bewertet werden und ein enger Abgleich der Bebauungspläne mit den Inhalten anderer gesundheitsrelevanter Planungen und Fachpläne erfolgt, können Gesundheitsbelange frühzeitig in die Planung einfließen. Auch städtebauliche Wettbewerbe im Vorfeld der Erarbeitung von Bebauungsplänen können gesundheitliche Belange als wichtige Kriterien aufgreifen. 

Ein besonderes Potenzial für die Integration von Themen und Akteure liegt in der Stadt(teil)entwicklungsplanung. So kann z.B. in integrierten Stadtentwicklungsplänen das Thema Gesundheit auf gesamtstädtischer Ebene als handlungsleitendes Querschnitts- oder Leitthema bearbeitet werden. Verschiedene fachsektorale Planungen mit gesundheitsrelevanten Schnittstellen lassen sich so bündeln: sowohl im Hinblick auf baulich-strukturelle „Verhältnisse“ als auch mit Blick auf gesundheitsbezogenes „Verhalten“ insbesondere vulnerabler Bevölkerungsgruppen. Dabei sollte darauf geachtet werden, dass sich das Gesundheitsamt als planender Akteur sowie weitere Stakeholder wie z.B. Sport- und Kleingartenvereine, Urban-Gardening-Initiativen, Kitas und Schulen aktiv mit ihren Zugängen zu mehr Gesundheit in der Stadt einbringen.  Schließlich können hier auch die Grundlagen für die Entwicklung sozialraumbezogener Gesundheitsprojekte geschaffen werden, welche z.B. auf Basis des Präventionsgesetzes durch Krankenkassen gefördert werden können.

Die formelle oder informelle Grün- und Freiraumplanung betrachtet alle Funktionen von Grün- und Freiräumen sowie ihre Wechselwirkungen. Sie ist damit eine integrierte Fachplanung mit einem großen Potenzial, auch die gesundheitsbezogenen Funktionen von Grün- und Freiräumen wie Bewegung und Sport, Erholung und Begegnung zu entwickeln. Zugleich können die kompensatorischen Funktionen des urbanen Grüns ausgebaut werden, um klimatische Belastungen, Luftverschmutzung und Lärm zu mindern. So können die in der Lärmaktionsplanung ausgewiesenen „Ruhigen Gebiete“ in die Plandarstellungen von grünbezogenen Plänen übernommen und vegetationstechnische bzw. ingenieurbiologische Maßnahmen zur Lärmminderung festgelegt werden. Sozialraumorientierte Grünversorgungsanalysen können dazu beitragen, mit Grün unterversorgte und gleichzeitig sozial benachteiligte Teilräume als zukünftige räumliche Handlungsschwerpunkte zu priorisieren.

Die Lärmaktionsplanung wiederum zielt mit der Aufgabe „Lärmminderung und Lärmvorsorge“ direkt auf zentrale gesundheitliche Belange. Schließlich geht es darum, mit lärmmindernden Maßnahmen Gesundheitsgefahren (u.a. Herz-Kreislauf-Erkrankungen, psychische Beeinträchtigungen, Stress, Schlafstörungen) und die Zahl Lärmbetroffener (Lärmsanierung) zu vermindern. Angesetzt werden muss hier primär beim motorisierten Straßenverkehr und bei Schienenverkehrswegen. Eine Stellschraube ist die Festlegung ruhiger Gebiete als öffentlich zugängliche Freizeit- und Erholungsgebiete, die vor einer Zunahme des Lärms zu schützen sind (Lärmvorsorge). Diese gilt es auch in innerstädtischen Lagen im Wohnumfeld insbesondere der mehrfach belasteten bzw. vulnerablen Bevölkerung auszuweisen. Um im städtebaulichen Bestand Abhilfe gegen Lärm zu schaffen, sollten niedrigere als bisher angewandte Auslöse- oder Zielwerte für Maßnahmen in den Lärmaktionsplänen angewandt werden. Diese sollten sich perspektivisch enger an den Empfehlungen der WHO-Leitlinien für Umgebungslärm orientieren. Zudem sollte die Lärmaktionsplanung enger als bisher mit anderen gesundheitsrelevanten Planungen wie der Grün- und Freiraumplanung, der Verkehrsentwicklungsplanung, der Luftreinhalteplanung sowie der Stadtplanung verzahnt werden.

Mehr Gesundheit in der Stadt bedeutet also weit mehr als die Betrachtung der Schutzgüter Mensch/menschliche Gesundheit in der Umweltprüfung zur Bauleitplanung bzw. Landschaftsplanung. Auch sollte es im Interesse der Stadtbewohner*innen darum gehen, die Beachtung des Immissionsschutzes nicht auf die Einhaltung bestehender Grenz-, Richt- oder Orientierungswerte zu beschränken.

 

Wichtige Stellschraube: Aktiv planende Gesundheitsämter 

Bei der Ausgestaltung der o.g. Fachplanungen sollten die Gesundheitsämter viel stärker als bisher aktiv an den raumbezogenen Fachplanungen mitwirken. Das betrifft sowohl inhaltliche Beiträge als auch verfahrensbezogene Aspekte. 

Inhaltlich muss es z.B. um das frühzeitige Einbringen von Gesundheitszielen und kleinräumigen Gesundheits- und Sozialdaten u.a. aus der Gesundheits- und Sozialberichterstattung in die Bestandsanalysen der raumbezogenen Planungen gehen. Weiterhin sind die spezifischen raumbezogenen gesundheitlichen Bedarfe vulnerabler Gruppen bzw. Einrichtungen in allen Verfahrensphasen der oben genannten Planungen einzubringen. Schließlich sollte aus Gesundheitsperspektive das Augenmerk besonders auf mehrfach belasteten Gebiete liegen, denn dort sind Maßnahmen zur Minderung von Gesundheitsbelastungen bzw. zur Verbesserung gesundheitsrelevanter Ressourcen (z.B. Grün) im Wohnumfeld vordringlich notwendig.

Verfahrensseitig können die Gesundheitsämter gesundheitliche Belange in der Planung mit qualifizierten Stellungnahmen im Rahmen der raumbezogenen Planungen, durch die aktive Mitarbeit in ämterübergreifenden Austauschformaten, mit der aktiven Beteiligung an informellen Beteiligungsverfahren bei städtischen und statteilbezogenen Planungen, mit der Netzwerkarbeit auf Quartiers- bzw. Sozialraumebene oder auch durch das Einbringen von Fragen der gesundheitsfördernder Stadt- und Quartiersentwicklung in kommunale Gesundheitskonferenzen stärken.

Als Player auf planerischer Augenhöhe innerhalb der kommunalen Verwaltung können sich Gesundheitsämter mit dem „Fachplan Gesundheit“ aufstellen. Ein solcher Fachplan adressiert die gesundheitlichen Belange mit engem Bezug zu den Stadträumen und einer datenbasierten Bestandaufnahme der gesundheitlichen und sozialräumlichen Lage sowie mit räumlichen Planungszielen für Gesundheit. Darauf aufbauend werden in enger Abstimmung mit anderen Ämtern und weiteren gesundheitsrelevanten Akteuren konkrete raumbezogene Gesundheitsmaßnahmen dargestellt. Der „Fachplan Gesundheit“ zeigt zudem die inhaltlichen Schnittstellen zu anderen gesundheitsrelevanten Planungen auf. Damit können so wichtige Aspekte wie Lärmminderung, Luftreinhaltung, Hitzevorsorge, Klimaanpassung, Verkehrs-, Grün- und Freiraum sowie Stadtentwicklung in die Gesundheitsplanung einfließen.

 

Mehr Gesundheit in der Stadt: zentrale Schlussfolgerungen

Damit Gesundheit einen höheren Stellenwert in der räumlichen Planung in den Kommunen erhält, ist von Seiten der relevanten Akteuren Folgendes erforderlich:

  • gemeinsames Verständnis davon, was ein Mehr an Gesundheit für die Stadt bedeutet,
  • gemeinsame Sprache in Bezug auf gesundheitliche Belange und räumliche Planung im Stadtraum,
  • gemeinsame Ziele, die für gesundheitliche Belange in der räumlichen Planung leitend sind,
  • definierte fachliche Zuständigkeiten, Aufgaben und Schnittstellen in Bezug auf gesundheitliche Belange in der räumlichen Planung,
  • gemeinsames ziel- und lösungsorientiertes Arbeiten mit den zur Verfügung stehenden Planungen, Instrumenten und Handlungsoptionen,
  • Austausch von Wissen und Daten über die gesundheitliche und soziale Lage sowie die Umweltsituation in der Gesamtstadt und den städtischen Teilräumen,
  • ämterübergreifende kooperative Zusammenarbeit in bestehenden oder neu zu etablierenden Strukturen,
  • Qualifizierung von Verwaltungsmitarbeiter*innen sowie die Möglichkeit zum fachlichen Austausch innerhalb der Kommune und darüber hinaus.

 

Die gesunde Stadt ist machbar

Eine gesunde Stadt ist in vielen Facetten schon heute machbar und vielerorts werden hierfür die akteurs- und bereichsübergreifenden Spielräume bereits genutzt. Für ein aktives und umfassendes Verwaltungshandeln pro Gesundheit in den Kommunen sind aber auch gute Rahmenbedingungen zu schaffen. Dazu zählen neben ausreichenden fachlichen und personellen Ressourcen in der kommunalen Verwaltung eine verbesserte Aus- und Fortbildung an der Schnittstelle Gesundheit, Umwelt und Planung sowie die Verankerung der Mitwirkung an der Planung als Aufgabe der Gesundheitsämter in allen Landesgesetzen über den Öffentlichen Gesundheitsdienst.

 


Publikationshinweis:

Böhme, Christa, Elke Bojarra-Becker, Thomas Franke, Eckhart Heinrichs, Heike Köckler, Thomas Preuß und Michael Schreiber (2023): Gemeinsam planen für eine gesunde Stadt – Empfehlungen für die Praxis. Umweltbundesamt (Hrsg.), Dessau-Roßlau. 

Kostenloser Download unter: https://www.umweltbundesamt.de/publikationen/gemeinsam-planen-fuer-eine-gesunde-stadt

 

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