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Internationales Fachmagazin für Spiel-, Sport- und Freizeitanlagen

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09.04.2013 - Ausgabe: 2/2013

Kita wird inspirierende Kinderlandschaft

von Dieter Meermeier und Doreen Munder, Planwerkstadt

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Zum Beginn des Projektes im Jahr 2008 stand die Aufgabe für den Ersatz-Neubau der Kindereinrichtung „Daberstedter Kinderglück“ die Freianlagen in eine naturnahe, inspirierende Kinderlandschaft zu verwandeln, in der sich Kinder von 0-6 Jahren kreativ entdecken und entwickeln können. Es gab eine Wunschliste mit Spielangeboten und pädagogischen Zielsetzungen.

In den Planerköpfen reifte die Idee, diesem Ort durch eigenwillige Gestaltung eine inspirierende Unverwechselbarkeit zu geben – eine spannende Geschichte, in Form einer fantastischen Landschaft zu erzählen. Die humanistisch geprägte Abenteuergeschichte „Ronja Räubertochter“ von Astrid Lindgren erfüllte diese Ansprüche und bildet „frei erzählt“ heute den roten Faden, der sich durch die individuelle, formenreiche, urwüchsige Kinderabenteuerlandschaft – „Räuberland“ zieht.

Der vielfältige und z.T. alte Baumbestand auf dem ca. 5.000 qm umfassenden Gelände bildet die grüne Basis der Planung. Das flache Terrain wandelte sich in eine bewegte Hügellandschaft mit vielen verwunschenen, von Sträuchern gerahmten, „geheimen“ Schlupfwinkeln. So entstand der eigenwillige von Bergen und Tälern durchzogene Lebensraum von Räubertochter Ronja, die als Tochter von Mattis dem schrecklichen Räuber in der Mattisburg lebt. Sie freundet sich mit Birk Borkason, dem Sohn aus der befeindeten Räuberbande an, welche in der Borkafeste zuhause ist. Die Reviere der beiden Familien sind von einer durch Blitzschlag entstandenen steilen Schlucht getrennt. Doch die Kinder finden eine Verbindung zueinander.

Von den Haupträuberlagern der Mattisburg und Borkafeste strolchen heute mutige Räuberkinder durch die Perglatzenhöhle, bewundern den Perglatzen-Schatz und streifen weiter Berg auf Berg ab, durch die Wolfsschlucht zur Bärenhöhle, die von Fels gerahmt wird. Hier wacht der schläfrige Bär über sein Reich und hält ein wachsames Auge auf seine vor der Höhle zum Trocknen aufgehängten Fische, aus dem Räuberbach. Durch den Mattiswald führen viel Geschick und ausgewogene Balance erfordernde, schmale Pfade auf Stämmen und Seilen, mit Verstecken in dem niedrigen Baumkronengewirr. Holzhäckselschnitzel schützen im Fall eines Sturzes. Es geht vorbei an der Kuhle der Graugnome. Ab hier müssen die kleinen Räuber auf der Hut sein, vor den Dunkeltrollen, die hier überall lauern. Ein Großteil des bewegten Geländes ist zudem mit dem anspruchsvollen Räuberrollerweg durchzogen auf dem man den Trollen schnell entkommen kann.

Auch Feuer, Wasser, Erde sind erlebbar in der Räuberwelt. Im Bauch der großen Schlange befindet sich der Räubergarten, die hier geernteten schmackhaften Gartenfrüchte können an der offenen Feuerstelle, zusammen mit knusprigem Stockbrot bereitet werden. Im Räuberbach werden Sanddämme gebaut und wieder nieder gespült, Wasser gestaut und Wasser gelenkt. An heißen Tagen ist zudem Wasser als Tropen-, Schnürlregen oder feinem Nebel erlebbar und seine besondere Vielfalt in Form unterschiedlicher Dichte auf der nackten Räuberhaut spürbar.

Die noch nicht so unternehmungslustigen Winzlinge leben behutsam im ruhigeren und sicheren Reich der Rumpelwichte. Hier gibt es eine Hausung, ein Versteck, eine Laube und für die Wagemütigen eine sanfte Rutsche. In diesem Teil des Räuberlandes ist alles etwas kleiner, flacher und beschaulicher. Es wird gekrabbelt, mit Sand gespielt und erste Rutsch- und Gehversuche unternommen.

Der gesamte Planungsprozess bis zur Fertigstellung dauerte vom Frühjahr 2008 bis in den Sommer 2010. Für die Umsetzung der planerisch vorgesehenen vielgestaltigen Spielattraktionen erfolgte ein Wettbewerb unter Kreativ-Holzbauern, der von der Spielart GmbH klar gewonnen wurde. Neben der besonderen Feinfühligkeit der Gestaltung überzeugte zudem die lange Lebensdauer der Ausstattung deren Basis wild gewachsene Robinenhölzer bilden. Die für das Räuberland gezielt entworfenen Spielkonstruktionen fügen sich in das in Anlehnung an die Geschichte entwickelte Landschaftsbild ein und erzählen die Geschichte gewissermaßen wieder, so dass die kindliche Phantasie sich vielschichtig hieran "entzünden" kann. Dies ist insoweit wesentlich, dass es für ein komplexes und zugleich kognitives Spielverhalten der Kinder, ihrer Phantasie bedarf, was sich förderlich auf deren Persönlichkeitsentwicklung und soziale Kompetenz auswirkt.

Die Begeisterung über die vielschichtige, nie langweilig werden Erlebniswelt hält an und spiegelt sich im neuen Namen „Räuberland“ wider. Es gibt nun jährlich ein Räuberfest, bei dem große und kleine Räuber dem erlebnisreichen Treiben im Räuberland in alten Räubertrachten frönen.

Die hier beschriebene individuelle Kinderwelt entstand nicht als Einzelleistung. Sie ist das Ergebnis einer fruchtbringenden Teamarbeit und vielseitiger Kommunikation zwischen Jugendamt, Garten-Friedhofamt der Stadt Erfurt, Planwerkstadt, den Mitarbeiterinnen von Kita und Krippe und den Elternvertreter.

Fotos: Spielart

 

 

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