3.000 Teilnehmer beim 8. Kongress »Bewegte Kindheit«
Der gemeinsam von Universität Osnabrück und dem Niedersächsischen Institut für frühkindliche Bildung und Entwicklung (nifbe) veranstaltete
Für 3.000 Teilnehmer standen in der Stadthalle Osnabrück über drei Tage mehr als 150 Vorträge, Seminare und Workshops auf dem Programm.
Im Fokus des diesjährigen Kongresses stand die Inklusion, also das gemeinsame Aufwachsen und Lernen von allen Kindern in Kita und Grundschule. Die Vizepräsidentin der Universität Osnabrück, Prof. Dr. May-Britt Kallenrode, mahnte in ihrer Begrüßung dazu, in der bildungspolitischen Diskussion zur frühkindlichen Bildung nicht nur über die Anzahl der Plätze zu streiten, sondern auch die Qualität zu diskutieren und allen Kindern die gleichen Bildungschancen zu bieten. In Niedersachsen strich sie das nifbe als „wichtiges und landesweit vernetztes Instrument“ heraus, um zum Beispiel neue Forschungsergebnisse und innovative Qualifizierungsansätze tatsächlich in die Praxis zu bringen.
Vielfalt als Chance und Ressource
Die niedersächsische Wissenschaftsministerin Dr. Gabriele Heinen-Kljajic rief in ihrem Grußwort dazu auf, „Vielfalt als Chance und Ressource“ zu sehen. Sie unterstrich das Ziel der neuen niedersächsischen Landesregierung, „die Inklusionin der frühkindlichen Bildung von der Ausnahme zur Regel zu machen. Dafür werden wir die rechtlichen Grundlagen für eine inklusive Kita schaffen. Wir wollen zusammen mit Trägern, Wissenschaft und den Einrichtungen erreichen, dass unsere Krippen und Kindergärten in Niedersachsen sich auf die individuellen Bedürfnisse der Kinder besser einstellen können. Alle Kinder, ob mit oder ohne Handicap, sollen gemeinsam Kindertageseinrichtungen besuchen und miteinander aufwachsen.“ Den Kongress lobte sie als „Erfolgsgeschichte“, der in Theorie und Praxis zeige, worauf es in den ersten Jahren unserer Kinder am meisten ankomme: „der Körper mit seinen Bewegungen und die sinnlichen Wahrnehmungen bilden das Fundament aller Lern- und Bildungsprozesse“.
Gegen Verkopfung und Leistungsdruck
Kongressleiterin Prof. Dr. Renate Zimmer hob die Chancen der Bewegung im Hinblick auf die Inklusion heraus; „Bewegung ist in besonderem Maße geeignet, einen Zugang zu allen Kindern – unabhängig von ihrem kulturellen Hintergrund und ihrer sozialen Herkunft, unabhängig von ihren Entwicklungs- und Lernvoraussetzungen – zu finden.“ Kritisch ging sie auf die zunehmende „Verkopfung“ und einen immer höherer Leistungsdruck schon in der Grundschule ein und pointierte: „Im Klassenzimmer sitzt aber nicht nur der Kopf, sondern das ganze Kind mit all seinen Ressourcen und Bedürfnissen.“
Für eine „humane“ Bildung
In eben diesem Sinne konstatierte auch Prof. Dr. Julian Nida-Rümelin in seinem Festvortrag eine „merkwürdige Vereinseitigung unseres Bildungsbegriffs und unserer Bildungspraxis“. Statt den Kindern das „selber denken“ zu ermöglichen, stehe das „passive Rezipieren“ und das Anhäufen von Wissen im Vordergrund. Der ehemalige Kulturstaatsminister skizzierte mit Rückbezügen auf philosophische Klassiker wie Platon oder Aristoteles eine „humane Bildung, die dem ganzen Menschen gerecht wird“. Neben Bewegung, Musik, Kunst und den Kulturtechniken wie Lesen, Schreiben und Rechnen böte diese auch genügend Raum zum „selber denken“ und zum „Standpunkte entwickeln“. Scharf grenzte er eine solche humane von einer rein auf Zwecke wie Wirtschaftlichkeit oder persönlichen Erfolg orientierten Bildung ab: „Es eignet sich nicht alles als Mittel zum Zweck“. Entscheidend für das Glück und die Zufriedenheit im Leben sei eine aus dem Menschen selber entspringende „intrinsische“ Motivation. Nida-Rümelin fordert die Politik auf, der Bildung tatsächlich Priorität einzuräumen, denn das sei Deutschlands eigentliche Ressource. Zur Verblüffung der Teilnehmer rechnete er vor, dass im Vergleich zum Jahr 1977 und gemessen am Bruttosozialprodukt heute 35 Milliarden Euro weniger in Bildung investiert würden – und das trotz heute rasant gestiegener Anforderungen insbesondere im frühkindlichen Bereich.
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