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Internationales Fachmagazin für Spiel-, Sport- und Freizeitanlagen

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14.04.2023 - Ausgabe: 2/2023

Spielplatzanlage mit identifikationsstiftender Außenwirkung: Klettern wie die Ziegen im Tierpark Quadrath-Ichendorf, Bergheim

Von Michael Mielke, MOLA Landschaftsarchitektur GmbH, Düsseldorf
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Der öffentlich zugängliche Tierpark in Bergheim ist durch sein unterschwelliges und attraktives Angebot Anziehungspunkt, Identifikationsort und die ‚Grüne Mitte‘ des Stadtteils Quadrath-Ichendorf. Innerhalb des Förderprogramms des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) entstand unter Beteiligung örtlicher Akteure und Nutzergruppen eine markante inkludierende Spielplatzanlage.

Der Tierpark wurde vor fast 60 Jahren zur Erholung der Bürger*innen am Wohnort in Quadrath-Ichendorf innerhalb der stetig wachsenden Kohleregion errichtet und bildet heute zusammen mit den angrenzenden Schulstandorten, einer Seniorenresidenz sowie Sport- und Freizeiteinrichtungen wichtige Bausteine im Stadtgefüge. 

2005 stand der Tierpark aufgrund hoher Kosten kurz vor der Schließung und auf der Fläche waren Parkplatzanlagen und Baugrundstücke angedacht. Um das Kleinod zu erhalten gründete sich 2010 der Förderverein Tierpark Quadrath-Ichendorf e.V. und widmet sich seitdem mit ehrenamtlichem Engagement der Pflege, Weiterentwicklung und nicht zuletzt auch dem finanziellen Hintergrund zum Betrieb der Anlage auf öffentlicher Fläche. 

Der Tierpark erfreut sich großer Beliebtheit und bildet den Freizeitmittelpunkt im Stadtteil. Neben dem eigentlichen Tiergehege mit Teichanlage bietet er auch öffentlich zugängliche Spielbereiche, einen Seniorentreff und einen Jugend-Bereich. Aufgrund der nach und nach hinzugebauten additiven und teilweise in die Jahre gekommenen Spielgeräte und Ausstattungselemente wies die Grünfläche keine einheitliche Gestaltqualität auf. Zudem waren die Zugänglichkeit und Nutzbarkeit der Anlage nicht für alle Menschen gegeben. 

Um den gesamten Stadtteil Quadrath-Ichendorf in seinen sozialen, ökologischen und gestalterischen Funktionen zu stärken, entschied die Kreisstadt Bergheim mit ihrer städtischen Tochter, der Entwicklungsgesellschaft Bergheim, sich auf Fördermittel des EFRE-Programms zu bewerben. Mit der Erstellung des Antrags und der damit einhergehenden Potenzialanalyse des Stadtteils unter Einbeziehung der Bürger*innen wurde das Büro Stadt- und Regionalplanung Dr. Jansen aus Köln beauftragt. Der umfangreiche Analyse- und Ideenprozess unter Einbeziehung lokaler Akteur*innen sah unter anderem eine Mehrfachbeauftragung vor, in dem mehrere Planungsbüros Ideen entwickelten, um das beste zukunftsfähige Konzept für den Stadtteil zu finden. Mit unseren Ideen konnten wir die Jury, die durch Beteiligung der Öffentlichkeit unterstützt wurde, überzeugen. Unter dem Projekttitel „Barrierefreie und ökologische Erneuerung des Tierparks Quadrath-Ichendorf“ wurde ein Planungsprozess angestoßen, bei dem unter anderem eine Spielplatzanlage mit thematischem Bezug zum Tierpark entwickelt wurde.

Im Tierpark leben neben Damwild und Geflügel auch Ziegen, die in einem markanten Kletterfelsen ihren Unterstand und Klettermöglichkeiten finden. Daraus entstand die Idee, die Gestaltung des Ziegengeheges in den öffentlichen Raum zu spiegeln und eine thematische Spiellandschaft zu entwickeln. Diese Idee traf auch bei der Bürger*innen- und Kinderbeteiligung auf großen Zuspruch, bei der rund 70 Teilnehmer*innen ihre Ideen einbrachten. Bei der Beteiligung wurden neben der Konzentration der Spielangebote in einem räumlich zusammenhängenden Kontext Spielbereich für Kinder aller Altersstufen und vor allem von Kindern Angebote für Inklusion gefordert.

Bei der Umsetzung des Konzepts und der Ideen aus der Bevölkerung in eine konkrete Entwurfs- und Ausführungsplanung hat uns das Unternehmen Kinderland Emsland Spielgeräte aus Geeste unterstützt. Innerhalb der öffentlichen und produktneutralen Ausschreibung zur gesamten Maßnahme der Aufwertung des Tierparkgeländes konnte sich die Firma für die Lieferung und Montage der geplanten Spielkombinationen platzieren. 

Das Herzstück der Spiellandschaft bildet ein Fallschutzsandbereich mit vier Flächen aus synthetischem Fallschutz, die wie Inseln in der Fläche liegen. Die Farbe der Deckschicht wurde bewusst zurückhaltend in den Farben Grau und Grün gehalten, um den natürlichen Charme der Anlage zu stärken. Zwei Flächen sind als sanfte Hügel mit Dränbeton als Unterbau ca. 30 und 60 cm über dem Sandspiegel angelegt, um im Sinne der ‚Ziegenkletterei‘ topographisch ein spannendes Spielerlebnis zu erzeugen. Der Übergang der Hügel zum Sandspiegel wurde bewusst in einem starken Neigungswinkel (ca. 45°) modelliert, um die Hügel frei von Spielsand zu halten. Zusätzlich gewährleisten zwei barrierefreie Ebenen aus synthetischem Fallschutz die Zugänglichkeit zu einer Nestschaukel und einer Schiebespielwand. Um den ‚Inselcharakter‘ der synthetischen Fallschutzflächen und die barrierefreie Erreichbarkeit nicht zu verlieren, ist eine der Flächen über den Fallschutzsand hinaus über einen hölzernen Steg barrierefrei erreichbar. 

Innerhalb der großen Spielanlage ist die 1,00 m breite Freifallrutsche aus Edelstahl mit einer Fallhöhe von ca. 3 Metern und hohem Gefälle die Attraktion. Die Breite der Rutsche lässt es zu, dass auch zwei Kinder gleichzeitig die Rutsche bespielen können. 

Der Aufstieg zum Rutscheneinstieg wurde bewusst anspruchsvoll über einen Steigstamm mit Handlaufseil und Balancierseil sowie mit einem steilen Netzaufstieg gestaltet. Wer diese Hürden nimmt, findet auch den rutschenden Abstieg auf die Ebene Null. Besonders dieser Bereich macht in der Beobachtung der Nutzung Freude. Gerade kleinere Kinder nehmen den Aufstieg zunächst vorsichtig an, um dann oben am Rutscheneinstieg zögernd hinunterzuschauen. Ist das Hinaufklettern und Runterrutschen einmal ‚gemeistert‘ wird der Kreislauf mit zunehmender Sicherheit immer schneller wiederholt. 

Die Hauptspielanlage besteht aus einem Kletterrundweg mit etappenweise unterschiedlich schwierigen Angeboten und Spielwerten. Bei der Beobachtung der Nutzung der Anlage hat sich gezeigt, dass sich erfreulicherweise ein kompetitives Spiel entwickelt hat, das das Ziel hat, bei einer kompletten Umrundung nicht den Boden zu berühren. Zu erklimmen sind ein Baumhaus mit Netzbrücke aus Herkules-Tauwerk, Tampenübergänge, Netzbrücken, Steigstämme und Balancierpoller sowie ein Balanciermikado aus 16 Robinienstämmen. Um den thematischen Bezug zum Tierparkgelände zu stärken, thronen auf den höchsten Punkten geschnitzte Zicklein. Die freie Fallhöhe der Anlage beträgt am höchsten Punkt 2,50 m.

Die gesamte Spiellandschaft ist auf eine Vielfalt an sensorischen Reizen ausgelegt. Um die haptischen Sinne anzusprechen, weisen die Spielelemente selbst eine hohe Materialvielfalt auf. Schwerpunkt bilden hier natürlich gewachsene Materialien wie Standpfosten aus frei gewachsenen, geschälten und geschliffenen Robinienstämmen. In Anlehnung an den Ziegen-Kletterfelsen im Tiergehege wurden in der Spielanlage drei ‚schwebende‘ Felsen aus frei modelliertem und gefärbtem Beton eingebaut. Diese bestehen aus einer Bewehrung aus einem Stahlkorpus mit Mattengitter und einer im Trockenspritzverfahren aufgebrachten ca. 12 – 15 cm starken Spritzbetonschicht. Die Felsen werden mit Gewindehülsen durch farbig beschichtete Metallpfosten ‚in der Luft‘ gehalten. Durch ihr scheinbares Schweben lösen die Felsen bei den Kindern Neugierde aus und bilden innerhalb der Anlage Zielpunkte, die es zu erklettern gilt. 

Auch neben den eigentlichen Spielgeräten ist die Spielanlage strukturreich gestaltet. Neben Grauwacke-Blöcken und Robinienstämmen als Sandspieleinfassung sowie Findlingen wurde ein Bereich unter dem Titel ‚Tier-Safari‘ angelegt. Auf verschlungenen schmalen Holzhäcksel-Wegen können zwischen dichter, robuster Vegetation, unter anderem aus Strauchweiden und Haselnusssträuchern, bespielbare Wildschwein-Schnitzereien und ein Spielhaus mit Angeboten für U3-Kinder entdeckt werden. Zusammen mit dem Bereich Grünpflege und Unterhaltung sowie der Behindertenbeauftragten der Stadt Bergheim wurde für den Tierpark ein barrierefreies Konzept erarbeitet. Die Haupteingänge des Geländes sind unter Berücksichtigung von Sicherheitsaspekten bezüglich der Spielplatznutzung barrierefrei gestaltet. Dabei sind die obligatorischen Sperrgitter so angeordnet, dass Rollstuhlfahrer*innen diese bequem durchqueren können. Die Bereiche mit Picknick-Tischen und den Sitzbänken sind so gestaltet, dass auch Rollstuhlfahrer*innen hier Platz finden. 

Neben der in Teilen barrierefreien Erschließung der Hauptspielanlage über die synthetischen Fallschutzinseln und Stege ist auch ein unterfahrbarer Sandspieltisch aus Robinienholz mit Sandsieb, Sandrinne und Sandkran eingebaut. Da der Sicherheitsbereich von 4,5 x 4,5 m bei einer freien Fallhöhe von 83 cm stoßdämmende Oberflächenmaterialien aufweisen muss und der Sandspieltisch gleichzeitig barrierefrei erreichbar sein soll, ist in diesem Bereich die Sandspieleinfassung in Abstimmung mit dem Spielplatzprüfer durch einen Weichkantenstein ausgebildet. Neben dem Ziel der Teilhabe aller Menschen ist die Barrierefreiheit zudem ein wichtiges Kriterium des Fördermittelgebers. 

Da schon im Bestand die Identifikation der Menschen vor Ort mit dem Spielangebot des Tiergeheges sehr hoch war, sind gut erhaltene Spielgeräte wie die Seilbahn oder ein Karussell erhalten geblieben. Andere Spielgeräte, die in das neue Gestaltungskonzept nicht integrierbar waren, wurden an anderer Stelle im Ortsteil wieder aufgebaut. 

Auch die ökologische Revitalisierung und hinsichtlich des Klimawandels zukunftsfeste Bepflanzung des Tiergeheges wird in diesem Jahr angepackt. So sollen zum Beispiel gegen Klimastress resistente Baumarten den spielenden Kindern Schatten spenden. Pflanz- und Saataktionen mit Blühwiesen sowie bepflanzte Hochbeete mit Patenschaften stärken die Identifikation mit dem Ort aus der Bevölkerung heraus. 

Als nach der Abnahme durch den Spielplatzprüfer und der Freigabe für die Öffentlichkeit ganze Schulklassen der umliegenden Schulen auf die Spielplatzanlage anstürmten und mit geballter Kraft alle Spielfunktionen ausprobierten, entstanden bei uns zugegebenermaßen einige Schweißperlen auf der Stirn. Die Anlage konnte aber die erste Bewährungsprobe und den Praxistest bestehen.

 

Weitere Informationen:

MOLA Landschaftsarchitektur GmbH

Friedrich-Ebert-Straße 8

40210 Düsseldorf

www.mola-la.de

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