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Internationales Fachmagazin für Spiel-, Sport- und Freizeitanlagen

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12.06.2013 - Ausgabe: 3/2013

Von der Kampfbahn zur Sport- und Freizeitanlage für alle

Von Dr. Stefan Eckl

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Angesichts einer sich wandelnden Sportnachfrage und gesellschaftlichen Veränderungen stellt sich die Frage, wie diese regelkonformen Sportstätten weiterentwickelt und auf die Bedürfnisse des Freizeitsports und der älter werdenden Gesellschaft angepasst werden können.

Bis in die 1990er Jahre hinein galt der Sport als ein Musterbeispiel für Eindeutigkeit und Überschaubarkeit. Bei den Sportstätten dominierten (und dominieren auch noch heute) Anlagen, die funktional auf die Bedürfnisse des Schul- und Vereinssports ausgerichtet und die auf Nutzung durch spezifische Sportarten zugeschnitten sind. Im Regelfall sind die Sportstätten in Deutschland durch einen starken Regelbezug und durch ihre Wettkampftauglichkeit gekennzeichnet.
Jedoch hat sich der Sport in den letzten Jahren stark ausdifferenziert. Neue Sportformen und Sportarten außerhalb des klassischen Kanons sind entstanden, der öffentliche Raum wird immer stärker für Sport und Bewegung genutzt und die Zahl der im Wettkampf Aktiven wird sich durch den demographischen Wandel verringern. Es stellt sich also die Frage, ob die bestehenden (wettkampftauglichen) Sportstätten an die neuen Gegebenheiten angepasst werden können und wie solche neue Sportstätten aussehen.
In der Sportwissenschaft wurde dieses Thema durch das Forschungsprojektes des Bundesinstituts für Sportwissenschaft im Jahr 2009 aufgegriffen und einer eigenen Publikation gewidmet. Ein zentrales Ergebnis dieses Forschungsprojektes ist die Aussage, dass die künftige Entwicklung der Sportstätten vornehmlich im Bestand erfolgen wird. Eine Verknüpfung von Freizeitsport und Wettkampfsport, insbesondere bei Freianlagen, kann zu vielfältigen Synergien führen. Das Forschungsprojekt zeigt z.B. für den Sport- und Freizeitpark „JahnPark Bad Hersfeld“ eine Vervielfachung der Besucherzahlen, eine Attraktivitätssteigerung des am Standort angesiedelten Sportvereins und eine breite Akzeptanz durch die Bevölkerung auf.
Der JahnPark ist ein erfolgsversprechender Ansatz für eine nachhaltige und bedarfsorientierte Anpassung der Sport- und Bewegungsräume. Als generationsübergreifende, familienfreundliche Sportanlage lautet sein Motto „ Bewegen und begegnen“, da die Anlage entweder teilweise oder komplett für die Öffentlichkeit zugänglich ist. Es findet sich neben einem Kunstrasenplatz für den Fußballsport und einer Leichtathletikanlage für den Schulsport eine große Anzahl weiterer Sportmöglichkeiten für alle Altersklassen. Für die Kleinsten gibt es einen Spiel- und Hangelgarten und einen Kleinkinderbereich. Jugendliche können sich auf Kleinspielfeldern, einer gro-ßen Beachanlage, einem Trendsportbereich und im Fitnessbereich austoben, während für Erwachsene eine Finnenlaufbahn, eine Sommerstockbahn, eine Bocciabahn und Fitnessgeräte bereitstehen. Eine altersübergreifend und zentrale Attraktion ist die Minigolfanlage. Das Gelände weist an schönen Sommerwochenenden bis zu 2.000 Besucher auf, ein großer Prozentsatz davon aus der Region. Auch zeigen die Daten den generationsübergreifenden Aspekt auf – Nutzer zwischen einem und 90 Jahren tummeln sich auf der Anlage. Die Öffnung und Ergänzung um Freizeitsportmöglichkeiten hat nachweislich positiven Einfluss auf die Mitgliederentwicklung des dort ansässigen Sportvereins, der in der Zwischenzeit viele neue Mitglieder gewinnen und neue Sportangebote etablieren konnte.
Ein Garant für eine gelungene Anpassung der Sportstättenstruktur ist die frühzeitige Beteiligung von verschiedenen Akteuren an der Planung. Dass bürgernahe Planung nicht nur bei kleineren Objekten wie dem JahnPark in Bad Hersfeld , sondern auch bei komplexen und größeren Sportstätten möglich ist , zeigt das Beispiel des Sport- und Erholungsgebietes Waldau in Stuttgart.
Das Sport- und Erholungsgebiet Waldau ist mit seiner Größe von ca. 41 ha das zweitgrößte Sportgelände in Stuttgart und hat große Bedeutung für den Stuttgarter Breitensport. Dank der zahlreichen Sportplätze, dem GAZI-Stadion als Heimstätte der Stuttgarter Kickers und traditionsreiches und ältestes Stadion Deutschlands, der Eiswelt Stuttgart sowie der Indoor-Kletteranlage können im Sport- und Erholungsgebiet Waldau zahlreiche Sportveranstaltungen auf örtlicher, regionaler und nationaler Ebene ausgetragen werden. Auf der Waldau sind 16 Vereine ansässig, in denen sich im Jahr 2010 insgesamt 11.308 Mitglieder engagierten. Ergänzend zu den Sportanlagen befinden sich im Sport- und Erholungsgebiet Einrichtungen der Stuttgarter Straßenbahn AG, das Wald-hotel, das Schulungszentrum der EnBW, zwei Kindergärten und die Waldschule. Eine weitere Besonderheit ist die unmittelbare Nähe zum Stuttgarter Fernsehturm, der mit seinen jährlich 300.000 Besuchern weiterhin ein national und international beliebtes und bedeutsames Ausflugsziel darstellt.
Ursprünglich diente die Fläche des Sport- und Erholungsgebietes als Exerzierplatz. Die Sportflächen haben sich im Gebiet nach und nach ausgedehnt, so dass der öffentliche Raum eher den Charakter eines Restraumes zwischen den Sportflächen hat. Sportliche Aktivitäten wie Eislaufen haben auf der Waldau schon seit Ende des 19 Jahrhunderts Tradition, eine übergeordnete Entwicklungskonzeption gab aber seitdem nicht.
Das 2010 fertiggestellte Sportentwicklungskonzept ergab, dass auf der Waldau ein Defizit bei den Angeboten für den nicht vereinsgebundenen Sport, bei frei nutzbaren Aufenthaltsflächen, bei den Hallenkapazitäten, in der Nutzung der bestehenden Sportanlagen und in der Gestaltung des öffentlichen Raumes und der Sportanlagen besteht. Weiterhin haben sich in den letzten Jahren die Anforderungen an Sportstätten, die für das Sportgebiet traditionell eine große Bedeutung haben, erheblich verändert. Manche Sportarten spielen heute eine geringere Rolle, andere Sportarten gewinnen an Zulauf. Auch der vereinsungebundene Sport spielt eine immer größer werdende Rolle und stellt ganz neue Herausforderungen dar.
Die Entscheidung, eine intensive Bürgerbeteiligung durchzuführen, war vor allem in dem Konglomerat von verschiedenen Interessen, die auf der Waldau aufeinander treffen, begründet. Aus diesen Gründen wurde der Ansatz einer Planungswerkstatt, die extern und neutral moderiert wurde, gewählt. Dieser methodische Ansatz eignete sich am besten, um zunächst eine Zieldefinition vorzunehmen, den aktuellen Bestand zu analysieren und darauf aufbauend gemeinsame Überlegungen vorzunehmen und Perspektiven zu entwickeln. In mehreren Arbeitssitzungen, an denen jeweils rund 90 Interessierte teilgenommen haben, wurden Themen wie die Entwicklung der Sportstätten, die Aufenthalts- und Erholungsqualität, das Image und die Identität sowie Fragen des Verkehrs behandelt.
Die Planungswerkstatt hat zu einer Versachlichung der Diskussion zur Weiterentwicklung der Waldau beigetragen. Der partizipative Ansatz hat sich dabei als fruchtbar erwiesen, da unterschiedliche Interessenslagen und Bedarfe in einem gebündelten Prozess in das Planungskonzept integriert werden konnten. Es liegt nun ein Planungskonzept vor, welches die Stadt Stuttgart in die Lage versetzt, sukzessive die Waldau qualitativ weiter zu entwickeln und die ursprüngliche Funktion als Sportgebiet zu erhalten sowie um weitere Funktionen zu ergänzen. Sport, Spiel, Bewegung und Aufenthalt im öffentlichen Raum, ergänzt um eine generationsübergreifende Gestaltung, werden die Entwicklung der Waldau zu einem zentralen Bewegungs- und Begegnungszentrum in Stuttgart vorantreiben. Durch die weit gefächerte Beteiligung war es möglich, verschiedenste Handlungsfelder wie Sport, Erholung und Freizeit, Verkehr, Umwelt und Identität zu bearbeiten und Vertreter mit unterschiedlichem fachlichem Hintergrund zusammenzuführen, sich auszutauschen und die verschiedenen Interesse in Einklang zu bringen.
Zusammengefasst kann also festgehalten werden, dass auch in Zukunft wettkampforientierte Sportanlagen nachgefragt werden und daher in der Sportstättenstruktur ein unverzichtbarer Bestandteil sind. Trotzdem ist es angezeigt, sich über die Möglichkeiten einer Weiterentwicklung, einer Öffnung für andere Nutzergruppen und eine Ergänzung um freizeitsportliche Aspekte Gedanken zu machen. Die frühzeitige Einbindung der Nutzer und anderer Interessierter garantiert die nachhaltige Weiterentwicklung des Sports.

 

 

Zum Autor:
Dr. Stefan Eckl ist Geschäftsführer des Instituts für Kooperative Planung und Sportentwicklung in Stuttgart.
Mehr Infos unter www.kooperative-planung.de oder unter eckl@kooperative-planung.de

 

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