Erreichbarkeit von Spielplätzen
Stellen wir uns kurz den schönsten Spielplatz der Welt vor – und keiner könnte hinkommen! Die in der DIN 18034 als Erreichbarkeit beschriebene Norm fordert...
Internationales Fachmagazin für Spiel-, Sport- und Freizeitanlagen
Viele Kommunen stehen derzeit, was ihre Freizeit-, Spiel-, Sportanlagen betrifft, vor erheblichen
Herausforderungen: viele marode Anlagen müssen saniert, Schulen, Sportanlagen und öffentlichen Freiräume modernisiert und Kindergärten neu gebaut werden. Dies sind nur einige der Aufgaben, die planerisch bewältigt werden müssen. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass viele Menschen andere Bewegungsinteressen haben als frühere Generationen, ältere Menschen für sich ein bewegungsgerechtes Wohnumfeld erwarten, Menschen unterschiedlicher Kulturen andere Wünsche haben und dass der öffentliche Raum zunehmend auch als Sport- und Bewegungsraum von den nicht in Sportvereinen organisierten Menschen benützt wird. Planen war daher früher einfacher: die Inhalte, Geräte und Raumanforderungen lagen weitgehend fest. Parks galten als beschauliche Grünflächen, Spielplätze wurden mit immer gleichen Geräten ausgestattet und Sporträume richteten sich nach den Normen der Sportfachverbände aus. Zukünftige Planung von Spiel-, Sport- und Freizeitanlagen wird sich dagegen nur noch als offene, sich unmittelbar an den Wünschen der Menschen orientierende und integrierender Stadtentwicklungsplanung angemessene Antwort auf die aktuellen Bewegungsprobleme und das geänderte Sport- und Bewegungsverhalten der Menschen wiederfinden. Ich habe in etlichen Beteiligungsverfahren den Eindruck gewonnen, dass dies bei den Planern noch nicht so ganz angekommen zu sein scheint. Ich will an einem fiktiven Beispiel, das aber die Realität der kommunalen Planungspraxis gut widerspiegelt, verdeutlichen, was ich meine. Ich kann in diesem Beitrag allerdings nur auf grundsätzliche Planungsprobleme hinweisen.
Stellen Sie sich folgendes Beispiel vor: Ein bislang verwahrloster, kaum genutzter Freizeitpark mit einem alten Fußballplatz, kleineren Spielfeldern und mehreren Wegen soll in einem von hoher Bevölkerungsdichte, Arbeitslosigkeit, Kinderarmut und kultureller Vielfalt gekennzeichneten Stadtquartier erneuert und aufgewertet werden. Der Steuerungsgruppe, die bei solchen Projekten vorgesehen und eingerichtet wird, gehören Fachleute aus verschiedenen Fachämtern, Vorsitzende aus Sportvereinen und -verbänden, Beiräte der Jugend, Frauen, Migranten, Behinderten und Senioren und eine professionelle Projektmoderation an. Nicht organisierte Bürgerinnen und Bürger nehmen selten daran teil. Gemeinsam legt man das Ziel der Planung fest. Der Park soll zu Bewegung, Spiel und Sport anregen und den Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit bieten, miteinander in Kontakt zu kommen.
Trotz dieser Gesamtlinie kann man bereits in dieser Planungsphase zweierlei erkennen. Zum einen, jeder der Beteiligten hat durch seinen beruflichen oder persönlichen Zugang bedingt eine bestimmte Brille auf, durch die er das Thema Bewegung und Freizeitpark sieht:
Die Stadtverwaltung denkt nicht nur an die Bürgerinteressen sondern auch – vielleicht sogar zuerst – an die Förderfähigkeit des Projekts, an Probleme wie Sicherheit, Finanzierung, Folgekosten, Kontrolle, politische Akzeptanz, Medienresonanz und Konfliktvermeidung.
Die Sportvereine sind nur an genormten Sporträumen im Park und nicht an offenen Freiräumen interessiert, es sei denn, diese nützen ihnen. Speziell Vereine können im Hinblick auf eine Beteiligung am Parkbetrieb existenzielle Entscheidungen auf sich zukommen sehen und ziehen sich bisweilen in der Diskussion auf sehr defensive bis ablehnende Standpunkte zurück. Migranten wollen eigene Räume erhalten, usw.
Zum anderen, die Begeisterung für eine bürgerschaftliche, kooperative Beteiligung am Planungsprozess hält sich bei den kommunalen und professionellen Planern sehr in Grenzen. Das Verfahren scheint eher ein politisch notwendiges Ritual zu sein, das bei den „Laienplanern“ den Eindruck hinterlässt, die Profis würden es lieber alleine machen (und sowieso besser können). Wirklich ernst genommen wird man hier nicht.
Das bedeutet: Obwohl sich alle wohl auf ein Gesamtziel des Projekts einigen können, hat doch jeder sein unterschiedliches Verständnis und besonderes Interesse davon, was er damit inhaltlich meint und was er durch den Park erreichen will. Was wollen aber die im Quartier lebenden Menschen, um die es doch gehen soll? Es zeigt sich demnach sehr deutlich, dass der Faktor „Vertrauen“ eine nicht zu unterschätzende Rolle in Beteiligungsprozessen spielt.
Die Wünsche der Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen aus dem Stadtquartier zeigen eine Fülle vielfältiger und sinnvoller Ideen, die, das weisen alle unsere Untersuchungen nach, für diese Zielgruppen in ganz Deutschland gelten. Kinder wollen rutschen, schaukeln, schwingen, balancieren, klettern, sich verstecken, Abenteuer erleben, mit Wasser und Erde, Sand oder Lehm bauen, Flächen für ihre Ball- und Fangspiele vorfinden und in der Natur sein. Jugendliche bevorzugen Inlineskating, Skateboard, Rad- und Rollsport, Parkour, „Bolzen“, Streetball, sie wollen „abhängen“ und Musik hören, – am liebsten ungestört und abgegrenzt von den Erwachsenen. Erwachsene wünschen sich in einer Freizeitanlage Möglichkeiten zum Erholen, Grillen, Liegen, Feiern und zum Spielen mit Ihren Kindern, sie wollen dort joggen, Nordic Walking machen und unterschiedliche Spiele spielen.
Wenn es also den Planern darum ginge, dass der Park die Menschen im Stadtquartier zur Bewegung anregen soll und diese Menschen konkrete Wünsche haben, dann sollte Planung ganz einfach sein. Die zukünftigen Grünflächen, Freiräume und Funktionsräume werden so entwickelt,
dass multifunktional benutzbare, nicht-normierte Flächen und vielleicht auch eine kleine normierte Sportfläche und modellierte Geländeformen entstehen, die die unterschiedlichen Bewegungswünsche, Spiele und sportlichen Formen und ein geselliges Leben zulassen. Zusätzlich sollten erlebnisreiche und zur Phantasie anregende Spielgeräte und – räume geplant werden. Man könnte hierfür die beiden Begriffe Offenheit und Vielfalt als Planungsprinzipien nennen. Wir haben aber bereits oben erkennen können, dass sie mit den spezifischen Interessen der am Planungsprozess Beteiligten nicht vereinbar sind. Deren Planungsvorstellungen können eher mit den Begriffen Geschlossenheit und Funktionalität bezeichnet werden. Wie gehen nun die Fachplaner mit dem, was ihr Auftraggeber und die Menschen wollen um, wie setzen sie das um?
Die Landschafts- und Freiraumplanerinnen und –planer werden damit beauftragt, auf der Basis eines vorgegebenen, in der Regel normierten Leistungsverzeichnisses einen Entwurf für die Freizeitanlage zu fertigen. Einerseits müssen sie also den Vorgaben des Auftragsgebers strikt folgen, andererseits bringen sie auch ihre eigenen, berufsbedingten und privaten Vorstellungen von Spiel, Sport und Bewegung mit ein. Die decken sich nicht unbedingt mit denen der Mehrheit der im Stadtquartier lebenden Menschen. Als Raumplanerinnen und Raumplaner orientieren sie sich zu allererst
an Raumstrukturen, bekannten Normen wie z.B. der Sportarten und an standardisierten Spielgeräten. Sie sind nicht auch noch Bewegungsfachleute, die die differenzierten Wünsche der Menschen vor deren Lebens- und Raumsituation im Stadtquartier verstehen und in ihrem Entwurf umsetzen. Ihr Erfolg ist ein schöner aber rein funktionaler Plan, der den Auftraggeber zufrieden stellen soll.
Das Beispiel zeigt, dass die üblichen Beteiligungs- und Planungsprozesse kaum zur Umsetzung der Wünsche der Bewohnerinnen und Bewohner im Stadtquartier führen. Eher geraten die Erwartungen der Menschen im Verlaufe des Planungsprozesses immer mehr aus den Augen. Was sich
letztlich durchsetzt, sind dagegen die Eigeninteressen der organisierten Gruppen und Planer. Sie orientieren sich eher an den Wirkungen innerhalb eines politischen und ökonomischen Systems denn an den der Menschen.
Was ist zu tun? Meiner Meinung nach ist das zu allererst ein Problem der Kommunikation und des wechselseitigen Verstehens und Vertrauens. Die Fachleute müssten besser und früher zusammen arbeiten und sich auch intensiv um Bewegungsprobleme vor Ort kümmern. Planerinnen und Planer,
kommunale Verwaltungen und Bewegungsfachleute sollten sich von Beginn eines Projektes an fachlich und Ämter übergreifend besser verstehen, abstimmen und darauf vertrauen, dass auch ganz normale Menschen auch „Experten“ sind und wissen, was sie wollen und richtig für sie ist. Besonders
die Landschafts- und Freiraumplanerinnen und -planer sind aufgerufen, sich von unverständlichen und veralteten Standardisierungen zu lösen und gemeinsam mit erfahrenen Sport- und Bewegungswissenschaftlern Projekte zu realisieren. Es wäre daher auch vorteilhaft, in die Fachausbildung der Planerinnen und Planer Bewegungsthemen zu integrieren, damit die Studierenden offen sind für Entwicklungen und die Vielfalt der Interessen der Menschen.