Erst prüfen – dann sanieren!
In den vergangenen Jahren hat die Anzahl der Kunststoffrasenplätze zur Sportausübung weiter zugenommen und alte Geläufe wie Tennenplätze größtenteils verdrängt. Gründe für diese Entwicklung sind unter anderem die...
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In den letzten Jahren wurden in verschiedenen Studien die Verletzungsraten auf Kunstrasen gegenüber Naturrasen bei verschiedenen Sportarten verglichen. Vor kurzem haben wir die Forschungsergebnisse für Fußball zusammengetragen und mit einer Meta-Analyse versucht festzustellen, ob die Verletzungsgefahr auf Kunstrasen höher ist. Wir haben festgestellt, dass das Spielen oder Trainieren auf Kunstrasen das Potenzial für akute Verletzungen nicht erhöht. Dennoch können Änderungen in der Spielweise und/oder die Einstellung der Spieler gegenüber dem Kunstrasen Einfluss auf die Verletzungsgefahr haben.
Wir haben eine Reihe von Einzelstudien über Verletzungen, die sich auf Kunstrasen und Naturrasen zugetragen haben, durchgesehen. Aus diesen wurden acht für die abschließende Analyse ausgewählt. Diese acht Studien waren insofern konsistent, dass sie erstens Spieler beobachteten, die sowohl auf Kunstrasen als auch auf Naturrasen spielten bzw. trainierten, zweitens Berichte über die Anzahl der Verletzungen und die Anzahl der Trainings- und Spielstunden (Expositionszeit) enthielten und drittens in der Frage übereinstimmten, wie eine Verletzung zu definieren ist (eine „Verletzung“ bedeutete, dass der Spieler für mindestens einen Trainings- oder Spieltag aussetzen musste). Wir haben dann die Rohdaten (Anzahl der Verletzungen und Expositionszeit) sowie die Eigenschaften der Spieler extrahiert.
Insgesamt waren in den acht Studien Daten zu fast 1,5 Millionen Spielstunden (Expositionszeit) und fast 10.000 Verletzungen enthalten. Etwas weniger als zwei Drittel der Expositionszeit war auf Naturrasen verbracht worden, während sich aber 75 % der Verletzungen dort zugetragen haben. Nachdem wir alle Verletzungen, die sich sowohl beim Spielen als auch beim Training zutrugen, ausgewertet haben, haben wir festgestellt, dass die Verletzungsgefahr auf Kunstrasen 10-14 % geringer war als auf Naturrasen. Dies galt für Männer und Frauen sowie Jugendliche und Erwachsene. Hinsichtlich der Art der Verletzungen war die Gefahr von Knie-, Knöchel- und Fußverletzungen auf Kunstrasen geringer. Das Risiko von Muskelzerrungen war auf beiden Arten von Rasen gleich hoch.
Unsere Ergebnisse sind Argumente gegen die Auffassung, dass das Spielen oder Trainieren auf Kunstrasen die Verletzungsgefahr erhöhen würde. Tatsächlich kann Kunstrasen unter bestimmten Bedingungen das Risiko einiger bestimmter Verletzungen reduzieren (mehr dazu später).
Wie sind die Ergebnisse zu erklären? Studien zeigen, dass Kunstrasen einige Schlüsseleigenschaften hat, die möglicherweise die Belastung der Gelenke reduzieren. Dies ist sicherlich der Fall, wenn Kunstrasen mit einem Naturrasenfeld niedriger Qualität verglichen wird, das trocken und hart sein sowie Furchen und kahle Stellen enthalten kann. Es gibt jedoch keinen Konsens darüber und die Studien, die wir untersucht haben, berichteten allesamt von hochwertigem Naturrasen. Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass sich beim Spielen auf Kunstrasen Änderungen in der Spielweise ergeben. Die Ballgeschwindigkeit steigt und die Bewegungsmuster verändern sich. Die Spieler neigen zu einem weniger aggressiven Verteidigungsstil (z. B. weniger Grätschen). Dies kann, unabhängig von der Spielfeldoberfläche, Auswirkungen auf die Anzahl der erlittenen Verletzungen haben. Letztlich haben Spieler in der Regel eine negative Einstellung gegenüber dem Spielen auf Kunstrasen. Sie fühlen sich oftmals nach dem Spielen auf Kunstrasen erschöpfter und sehen den Bedarf für größere technische Fähigkeiten. Dies könnte auf die höhere Geschwindigkeit des Spiels oder das Spielen auf einer „weicheren“ Oberfläche zurückzuführen sein. Im Moment sind wir uns nicht sicher, ob die Wahrnehmungen der Spieler korrekt sind, aber es entspricht der Realität, dass spürbare Ermüdung und das Gefühl einer höheren Spielgeschwindigkeit durchaus die Spielweise einzelner Spieler beeinflussen. Es gibt also mehrere Gründe dafür, warum die Verletzungsraten auf Feldern aus Kunstrasen und Naturrasen unterschiedlich hoch sein können. Und diese Gründe können indirekt mit der Beschaffenheit des Spielfeldes zusammenhängen.
Was haben wir ausgelassen? Zunächst die klimatischen Bedingungen. Keine der Studien hat über Verletzungen im Zusammenhang mit Hitze berichtet. Es ist unbestritten, dass Hitze ein wichtiger Faktor beim Spielen auf Kunstrasen sein kann. Die Oberflächentemperaturen können an einem heißen Tag weit über 38 Grad Celsius (100 Grad Fahrenheit) steigen. Zum Zweiten sind Schürfwunden in diesen Studien in der Regel nicht mit erfasst worden. Um als „verletzt“ eingestuft zu werden, musste ein Spieler einen oder mehrere Trainings-oder Spieltage ausgesetzt haben. Nur wenige Spieler setzen wegen einer Schürfwunde, die sie sich bei einer Grätsche zugezogen haben, Trainings- oder Spieltage aus. Angesichts der abrasiven Eigenschaften von Kunstrasen wäre anzunehmen, dass beim Spielen darauf mehr Schürfwunden auftreten als beim Spielen auf Naturrasen. Uns liegen jedoch derzeit keine Forschungsergebnisse vor, die diese These unterstützen würden. Drittens ist die Forschung in diesem Bereich in mancher Hinsicht lückenhaft. Es sind mehr Informationen über weibliche und jugendliche Spieler erforderlich. In Anbetracht der Tatsache, dass immer mehr lokale Einrichtungen Kunstrasenfelder anlegen, die von Jugendmannschaften genutzt werden, ist es wichtig zu verstehen, inwieweit Kunstrasen Auswirkungen auf die Verletzungsraten in dieser Gruppe von Spielern hat. Weiterhin sind mehr Informationen über chronische Verletzungen notwendig. Diese sind in den Studien nicht enthalten, da es schwierig ist, einen Zusammenhang zwischen einer chronischen Verletzung und der Art der Rasenfläche herzustellen.
Unsere Studie zeigt, dass das Spielen oder Trainieren auf Kunstrasen die Verletzungsgefahr von Spielern nicht erhöht. Tatsächlich ist die Gefahr einiger Verletzungen unter bestimmten Bedingungen beim Spielen auf Kunstrasen geringer. Allerdings können wir zu diesem Zeitpunkt nicht so weit gehen zu sagen, dass Kunstrasen sicherer als Naturrasen ist. Es müssen eindeutig noch weitere Untersuchungen durchgeführt werden, insbesondere zum Verständnis der negativen Einstellungen der Spieler gegenüber Kunstrasen sowie über die Möglichkeit, dass beim Spielen auf Kunstrasen mehr Energie aufgewandt werden muss als auf Naturrasen. Das Fazit? Auf der Grundlage der aktuellen Forschung müssen sich Spieler, Trainer und Eltern keine Sorgen wegen des Spielens auf Kunstrasen machen. Die Wahrscheinlichkeit, sich eine akute Verletzung zuzuziehen, ist beim Spielen auf Kunstrasen nicht höher als beim Spielen auf Naturrasen.
Literaturangabe
Williams JH, Akogyrem M, Williams, JR (2013) A meta-analysis of soccer injuries on artificial turf and natural grass. Journal of Sports Medicine, Article ID 380523, 6 Seiten.
Foto: TROFIL Sportbodensysteme