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Internationales Fachmagazin für Spiel-, Sport- und Freizeitanlagen

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22.08.2014 - Ausgabe: 4/2014

Wieviel Sicherheit auf Spielplätzen ist notwendig und sinnvoll?

von Annette Kuhlig, Unfallkasse Berlin, Mitarbeiterin in der Präventionsabteilung

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Spielplätze sind für Kinder wichtige Orte, um ihr Bewegungsbedürfnis zu befriedigen und im gemeinsamen Spiel die eigene Phantasie und Kreativität auszuleben.

Gerade in Zeiten, in denen die Beschäftigung mit diversen Medien lockt und von den Eltern vorgelebt wird, der Aufenthalt in der Wohnung dadurch steigt und Naturerfahrungsräume immer weniger werden, wächst die Bedeutung von Spielangeboten im Freien in unmittelbarer Wohnortnähe. Sie können ohne großen Aufwand aufgesucht werden und sind nicht an Geldausgaben gebunden.

Aber was macht einen Spielplatz zu einem guten Bewegungsangebot? Wann wird es gefährlich? Welche Rolle spielen die Eltern? Sind sie nur Zuschauer?
Auf vielen Spielplätzen findet man ähnliche Spielgeräte wie Klettergerüste, Rutschen, Schaukeln und Wippen. Diese sind sehr festgelegt in der Art und Weise, wie sie bespielt werden sollen. Sie lassen keine Umbauten zu, wie es zum Beispiel beim Spielen im Wald mit Naturmaterialien der Fall ist. Aber zum Glück sind viele Kinder sehr kreativ, wenn es darum geht, die Geräte anders zu nutzen und in ihr eigenes Spiel einzubeziehen. Auf diese Art wird das Klettergerüst zum Haus oder die Rutsche zum Berg, der bewältigt werden muss.

Diese unterschiedliche und immer wieder neue Nutzung der Spielgeräte ist sehr wichtig, denn Lernprozesse finden im kindlichen Gehirn vor allem dann statt, wenn neue Erfahrungen gemacht werden, wenn sich das Kind die Höhe anders erobert oder versucht, auf der Wippe zu stehen.
Viele Eltern können das nicht sehen und halten es für gefährlich. Sie greifen frühzeitig in das Spiel der Kinder ein, untersagen „das nicht richtige Benutzen“ der Geräte. Sie haben Angst, dass sich das Kind verletzt und wollen es vor Gefahren schützen. Ein Vater berichtete gegenüber der Unfallkasse Berlin, dass er beim Spielplatzbesuch mit seinem Sohn oft schon ein schlechtes Gewissen bekommt, wenn er nicht gleich eingreift und erst mal abwartet. Noch böser werden die Blicke, wenn man dem Kind auch noch Mut zuspricht.

Aber haben Sie nicht selbst in ihrer Kindheit auch gern Neues gewagt? Erinnert sich nicht jeder an das Kribbeln im Bauch, wenn man Angst hatte und dann das Hochgefühl, wenn die Situation gemeistert wurde?
Für die gesunde Entwicklung der Kinder ist es lebensnotwendig, dass sie „Selbst-Sicherheit“ erlangen. Dazu müssen sie Aufgaben bewältigen lernen, die eine Herausforderung für sie darstellen und die sie ohne die Hilfe der Eltern (selbst) lösen. Wenn ihnen alle Schwierigkeiten aus dem Weg geräumt werden, können sie wichtige Erfahrungen nicht machen und es besteht die Gefahr, dass sie nicht lernen, ihre eigenen Fähigkeiten und Grenzen richtig einzuschätzen. Ihnen fehlt es an Selbstvertrauen und an Selbstwirksamkeit – das Vertrauen in die eigenen Stärken und Fähigkeiten und die Zuversicht, dass das eigene Handeln etwas bewirkt. Auch Fallen will gelernt sein!
Wenn dann die Eltern später nicht mehr bei sind (und dieser Zeitpunkt kommt bei jedem Kind!), können fehlende Erfahrungen eine Situation wirklich gefährlich machen, denn Selbstüberschätzung kann z.B. beim Ski fahren, im Straßenverkehr oder auf dem Wasser schlimme Folgen haben.

Was können Eltern für die Sicherheit ihrer Kinder bei einem Spielplatzbesuch tun?
Als Erstes sollten Vater oder Mutter sich den Spielplatz genau anschauen. Liegen Glasscherben rum, sieht ein Gerät defekt aus oder wackelt es stark, wenn Kinder drauf spielen? Sieht man Splitter oder Schrauben hervorstehen oder sind Teile lose? Ist der Sand nicht mehr überall als Fallschutz erkennbar? Dann sollten sie den Spielplatz wechseln und am besten dem Betreiber Bescheid sagen, dass die Mängel behoben werden.
Generell kann man davon ausgehen, dass die Spielplatzgeräte einer vorgegebenen europäischen Norm entsprechen, eine Sicherheitsprüfung erfolgte (Abnahme) und dass sie regelmäßig gewartet werden. Dazu ist der Betreiber verpflichtet. Natürlich gibt es Ausnahmen, deshalb ist ein waches Auge sinnvoll.
In den Normen enthalten sind auch zulässige Höhen von Spielgeräten (bis 3 Meter) bei entsprechendem Fallschutz, denn auch damit sollen Kinder lernen umzugehen.
Wenn ihr Kind noch sehr klein ist (unter drei Jahren), sind viele Spielplatzgeräte nicht so geeignet, weil sie erst für Kinder ab drei Jahren zugelassen sind und häufig auch so konzipiert wurden. Hier ist dann wirklich besondere Vorsicht geboten, weil Kinder mit einem oder zwei Jahren doch noch andere Körperproportionen haben und durch Öffnungen im Spielgerät fallen können.
Wenn Sie mit dem Fahrrad zum Spielplatz fahren, ist es unbedingt notwendig, dass ihr Kind vor dem Spiel den Helm abnimmt, denn hier besteht Strangulationsgefahr!
Entfernen Sie auch Ketten am Hals, Ringe am Finger oder Kordeln in der Bekleidung. Diese versteckten Gefahren kann ein Kind nicht einplanen und sich davor auch nicht schützen.

Nun kann es aber losgehen mit dem Spiel und Sie sollten sich – auch, wenn es schwer fällt – zurück halten. Geben Sie nur Hilfe, wenn ihr Kind sie einfordert. Greifen Sie nur ein, wenn das Kind wirklich in Gefahr ist. Damit ist nicht gemeint, dass es fallen könnte. Fallen muss erlaubt sein, denn wie soll das Kind sonst erkennen, dass die eigenen Fähigkeiten nicht ausgereicht haben oder etwas anderes schief lief? Fehler gehören zum Lernprozess dazu und das Fallen auf Sand führt in den meisten Fällen nur zu leichten Verletzungen.
Erkennbare Risiken sollen Kinder herausfordern und sie einladen, ihre Grenzen auszutesten.
Das besagen auch die Statistiken der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV). Die Kinder ziehen sich Prellungen und Verstauchungen zu, häufig sind die Beine oder Arme verletzt. Je jünger die Kinder sind, umso häufiger ist der Kopf betroffen. Die Analyse der Unfallhergänge verdeutlicht dabei, dass in den meisten Fällen nicht ein Mangel an den Geräten der Unfallauslöser ist, sondern das Verhalten des Kindes selbst.
Nur in sehr wenigen Fällen sind die Folgen dieser Unfälle schwerwiegender.
In den Statistiken der Berliner Unfallkasse werden alle Spielplatz-Unfälle erfasst, die im Rahmen der Kita- oder Schulbetreuung im Land Berlin passieren. Dabei werden auch Unfälle auf öffentlichen Spielplätzen registriert, sofern diese im Rahmen der Kita- und Schulbetreuung besucht werden. Von diesen Rahmenbedingungen ausgehend, ist die Anzahl der Kita-Unfälle in den letzten Jahren konstant geblieben. 2008 wurden 85 Unfälle gemeldet. 2012 waren es ca. 90 Unfälle (je 1000 Kinder). Der leichte Anstieg erklärt sich dadurch, dass der Anteil der unter 3-jährigen Kinder zugenommen hat und die Kinder inzwischen im Schnitt länger betreut werden.

Ermutigen Sie ihr Kind, neue Dinge auszuprobieren, aber zwingen Sie es keinesfalls. Jedes Kind hat sein eigenes Lerntempo. Falscher Ehrgeiz der Eltern ist hier unangebracht. Am schönsten ist es, wenn Sie nicht nur Zuschauer, sondern Mitspieler sind und die Begeisterung Ihres Kindes teilen. Ihr Kind wird Ihnen genau sagen können, was es vorhat. Dabei bringen Kinder sich nicht selbst in Gefahr, sondern planen sehr wohl die Risiken mit ein und testen ihre Grenzen aus. Das ist aber ein Lernprozess, der Zeit und Raum benötigt. Bieten Sie Ihrem Kind von Anfang an ausreichend Gelegenheiten, sich in seinem Tempo zu erproben. Sie werden beobachten können, wie es sich immer mehr zutraut und an der Bewältigung seiner Aufgaben wächst.
Haben Sie Zutrauen in die Fähigkeiten Ihres Kindes. Es lohnt sich!


Fotos: Thomas Müller
 

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