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Internationales Fachmagazin für Spiel-, Sport- und Freizeitanlagen

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22.08.2014 - Ausgabe: 4/2014

Kommunal richtungsweisend: Rotterdamer Norm für Außenspielbereiche

Von Marjolein Steemers, politische Beraterin beim Amt für Sport und Kultur der Stadt Rotterdam, und Sandra de Bont, Landschaftsarchitektin im Stadtplanungsamt Rotterdam

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Rotterdam will eine attraktive und insbesondere für Familien lebenswerte Stadt sein. Eine Voraussetzung dafür sind Angebote und Einrichtungen für Kinder sowie Spielmöglichkeiten im Freien. Ganz oben auf der Tagesordnung der 2007 aufgestellten City Vision der Stadt Rotterdam steht die Forderung, Kindern mehr Raum für Spiel und Sport zur Verfügung zu stellen, um sie zu motivieren, sich mehr zu bewegen und sportlich zu betätigen. Gute Außenspielbereiche locken mehr Familien in die Stadt und dies wiederum schafft eine Nachfrage nach Häusern und Wohnungen für Familien, was zugleich der Wirtschaft der Stadt zugutekommt. Eine immer größer werdende Gruppe von Familien entscheidet sich bewusst für die Dynamik, das pulsierende Leben und den kulturellen Reichtum der Stadt, um ihre Kinder dort, insbesondere im Stadtzentrum, aufwachsen zu lassen. Zudem waren die alten Stadtteile Rotterdams schon seit jeher die Keimzelle des städtischen Lebens und die Kinderdichte ist in diesen Gegenden besonders hoch.

Spielen im Freien ist für die gesunde kindliche Entwicklung unerlässlich. Das Vorhandensein von ausreichend Raum zum Spielen im Freien fördert nicht nur die verschiedenen Fähigkeiten und Kompetenzen der Kinder und sorgt dafür, dass sie mehr Spaß in der Stadt haben, sondern ist auch wichtig, um eine gesunde Lebensweise zu fördern und Fettleibigkeit bei Kindern zu verhindern, was noch immer ein sehr aktuelles Problem ist. Eine wesentliche Voraussetzung dafür ist, dass die Kinder genügend Raum in der Nähe ihres Zuhauses haben. Zu diesem Zweck wurde die Rotterdamer Norm für Außenspielbereiche entwickelt. Sie beschreibt, wo und wie groß die Plätze für Spiel im Freien in der Wohnumgebung sein sollten, sowohl hinsichtlich Standort als auch Gehsteigen, so dass Kinder und Jugendliche Raum für Spiel und Sport in der Nähe ihres Zuhauses haben. Diese Norm sorgt dafür, dass die Schaffung von Außenspielbereichen ausreichend Berücksichtigung in den verschiedenen Plänen findet. In großen Städten ist der Raum knapp und es gibt oft große Interessenkonflikte bei der Raumplanung. Mit Hilfe einer Rotterdamer Norm für Außenspielbereiche wird dieser „Konflikt“ oder die Überlegung, ob mehr Raum für Jugendliche geschaffen werden soll oder nicht, objektiver und transparenter. Ansatzpunkt für die Spielplatz-Norm ist es, dass der gesamte öffentliche Raum ein potenzieller Außenspielbereich ist. Sie ist eine Verteilungsnorm und sollte als Richtlinie und Instrument zur Prüfung und Bestimmung dienen, ob es genügend Raum zum Spielen gibt. Sie ist daher ausdrücklich kein Spielplatzplan.
Im Oktober 2008 führte der Stadtvorstand von Rotterdam die Norm für Außenspielbereiche ein.

Verfahren

Die Entwicklung der Norm wurde nicht auf die leichte Schulter genommen. Im Jahr 2003 wurden mehrere Forschungsansätze mit dem Ziel entwickelt, eine auf die Bedürfnisse und Fähigkeiten von Kindern ausgerichtete Norm zu erarbeiten, die zudem leicht in den räumlichen Prozess eingebunden werden kann. Die Entwicklung von Kindern, ihr Sport- und Spielverhalten in den verschiedenen Entwicklungsphasen sowie ihre Bedürfnisse hinsichtlich der Nutzung des Außenraums wurden analysiert. Darüber hinaus wurde auch das Verkehrsverhalten von Kindern verschiedener Altersstufen untersucht. Die Erreichbarkeit und Zugänglichkeit von Sport- und Spielplätzen ist von entscheidender Bedeutung, da stark befahrene Straßen oder Straßenbahnstrecken das Spielrevier, in dem sich die Kinder frei bewegen können, buchstäblich begrenzen. Schließlich wurden die bestehenden Spielplatznormen analysiert: Was sind die Vor- und Nachteile? Was wäre die beste Option für Rotterdam?
Dieser Norm-Entwurf wurde in den Jahren 2005 und 2006 in neun Stadtteilen in verschiedenen Wohnumgebungen getestet, sowohl in dicht bebauten Wohngegenden als auch in Gegenden mit mehr Freiflächen. Die Tests wurden in Gegenden durchgeführt, wo zu der Zeit Raumordnungspläne erstellt wurden, um zu bestimmen, ob die Norm realitätsnah ist.

Norm

Schließlich wurde eine Norm entwickelt, die aus drei Hauptelementen besteht:

1.) Ein mindestens 5.000 Quadratmeter großer, zentraler Sport- und Spielbereich innerhalb jedes größeren begrenzten Areals (größer als 15 Hektar). Begrenzte Areale sind Bereiche, die von natürlichen und/oder künstlichen Hindernissen umgrenzt sind, wie zum Beispiel Straßen mit einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/ h (oder mehr), Gewässer, Eisenbahninfrastruktur und/oder Gewerbe- und Industriegebieten. In kleinen begrenzten Arealen genügt ein mindestens 1.000 Quadratmeter großer Sport- und Spielbereich. Für diese Bereiche gelten die folgenden städtebaulichen Prinzipien:
- zentrale Lage
- von Häusern und Wohnungen einsehbar
- an sauberen, unverschmutzten Standorten
- Parkverbot auf der Straßenseite, auf der die Kinder spielen
- Sonnenlicht und Schatten
2.) Größere Sport- und Spielbereiche (mindestens 1.000 Quadratmeter groß) im Umkreis von maximal 300 Metern um den zentralen Sport- und Spielbereich. In dicht besiedelten Wohngegenden im Umkreis von maximal 200 Metern. Unter dicht besiedelten Wohngegenden versteht man solche mit einer Wohnungsdichte von mindestens 75 Wohnungen pro Hektar. Die oben genannten städtebaulichen Voraussetzungen gelten auch hier.
3. Ein bespielbarer Gehsteig (3-5 Meter breit) auf mindestens einer Straßenseite, vorzugsweise auf der Sonnenseite.

Kinderfreundliche Wohngegenden

Die Stadt Rotterdam legt mittlerweile noch größeres Augenmerk auf die Bedürfnisse von Kindern. Im Jahre 2010 wurde eine Vision mit dem Titel „Bouwstenen voor een kindvriendelijk Rotterdam“ (Hin zu einem kinderfreundlichen Rotterdam) erarbeitet. In einer kinderfreundlichen Stadt gibt es nicht nur schöne Spielplätze, sondern auch ausreichend große Wohnungen und Häuser mit genügend Räumlichkeiten. Darüber hinaus können die Kinder schon von klein auf ihren Schulweg sicher zurücklegen. Diese Schule ist ein echter Treffpunkt und Ort der Begegnung im Viertel.
Die Rotterdamer Norm für Außenspielbereiche ist in das Element „öffentlicher Raum“ eingebunden. Neben dem Element „öffentlicher Raum“ wurden auch Elemente für kindgerechten Wohnraum, Einrichtungen für Kinder und sichere (Schul-) Wege entwickelt. In seinem Kern beschreibt das Dokument grundlegende Voraussetzungen für eine kinderfreundliche Wohnstadt. Indem diese vier Bausteine klug aufeinander aufgebaut und abgestimmt werden, entsteht eine Stadt, in der Eltern mit ihren Kindern glücklich leben können.

Bewertung

Nach einigen Jahren praktischer Anwendung wurde die Rotterdamer Norm für Außenspielbereiche jetzt bewertet. Im Rahmen dieser Bewertung wurde geprüft, ob die Norm überhaupt angewendet wird, ob Änderungen erforderlich sind und ob die gewünschten Ergebnisse erzielt wurden. Die wichtigsten Schlussfolgerungen sind die, dass sich die Norm in der Entwurfsphase und als Instrument zur Prüfung der bestehenden Situation bewährt hat. Auffallend ist, dass viele Beteiligte darauf hinweisen, dass durch die Norm nicht nur Außenspielbereiche für Kinder und Jugendliche, sondern zugleich Treffpunkte und Begegnungsstätten für alle Anwohner geschaffen werden. Ein wichtiger Aspekt, der bleibt, ist jedoch, dass ein frühzeitiger Einsatz der Norm als ein Planungswerkzeug im Planungsprozess unabdingbar ist und dass ständige Aufmerksamkeit und Kommunikation weiterhin erforderlich sind. Zur Erreichung dieses Ziels wurden von der Stadt Beamte mit den erforderlichen Kenntnissen ernannt und mit Hilfe einer speziell entwickelten GIS-basierten Methode werden derzeit sogenannte Verteilungspläne für alle Stadtteile erarbeitet. Dadurch wird rasch deutlich, wo die größten Herausforderungen in der Stadt liegen, wenn es darum geht, genügend Raum für Sport und Spiel zu schaffen.
Im Rahmen der Bewertung wurde ferner beschlossen, die Norm auch in Bezug auf das Stadtzentrum für anwendbar zu erklären und folgende Erläuterung der Norm hinzuzufügen:
Alle öffentlichen Außenräume sind potenzielle Außenspielbereiche. Zudem werden alle halböffentlichen Räume, die für Kinder zum Spielen geeignet sind – einschließlich Spielplätze, Höfe und Sportplätze, sofern sie zeitweise für die Nachbarschaft zugänglich sind – von der Norm für Außenspielbereiche erfasst. Kleingartenanlagen und Friedhöfe sind aufgrund ihres privaten Charakters davon ausgenommen.

Ergebnisse

Was ist durch die Arbeit mit diesem Richtlinienpapier bisher deutlich geworden? Obwohl sich Planung und Ausführung bei der Stadt- und Raumentwicklung oft über einen langen Zeitraum hinziehen, sind bereits die ersten Ergebnisse auf den Straßen sichtbar. Die Norm wurde bei der Entwicklung neuer Wohngegenden, wie zum Beispiel Park Zestienhoven und Parkstad, angewendet. Bei der Sanierung des Stadtteils Spangen wurden kinderfreundliche Wege mit breiten Gehsteigen angelegt und durch den Abriss eines Häuserblocks konnte ein großer zentral gelegener Sport- und Spielbereich namens Bellamyplein realisiert werden. Eine Besonderheit dieses Platzes ist es, dass das Element Wasser in besonderer Weise einbezogen ist und so den Spielwert des Platzes signifikant erhöht.
Zudem wurden im Zuge der Sanierung von vielen der Straßen in den dicht besiedelten Stadtteilen bewusst breite Gehsteige gewählt, manchmal auf Kosten von Parkplätzen. Dies sorgte nicht nur für ein freundlicheres Straßenbild, sondern es enstanden auch wichtige Spielbereiche für kleinere Kinder, welche näher an ihrem Zuhause liegen, und sicherere Wege zu Parkanlagen und Plätzen. Ein schönes Beispiel dafür ist die Sanierung der Zijdewindestraat im Stadtteil Oude Westen.
Kurz gesagt, die Arbeit mit der Spielbereich-Norm hat daher buchstäblich den Raum für Kinder erweitert, so dass sie in einer sicheren Umgebung im Freien spielen und Spaß haben können. Und davon profitieren letztlich nicht nur die Kinder, sondern alle Einwohner der Stadt.


Fotos: Stadt Rotterdam / Rotterdam Image Bank
 

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