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Internationales Fachmagazin für Spiel-, Sport- und Freizeitanlagen

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05.11.2014 - Ausgabe: 5/2014

Diese Welt ist zum Spielen da!

von Gregor H. Mews

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Wahre Freiheit in dieser Welt beginnt mit dem Spiel.

Spielen ist vitaler und fundamentaler Bestandteil des Aufwachsens. Es ist wichtig, dass Kinder Freude am Leben haben und sich körperlich sowie geistig gesund entwickeln. Schließlich sollen sie langfristig in ihrer Kultur und Gesellschaft teilhaben und harmonisch aufwachsen können.

Freies Spiel ist aber oft nicht möglich. Leider gibt es viel Aufklärungsbedarf bezüglich des Wertes des freien und selbstbestimmten Spiels. Oftmals wird es von Erwachsenen als trivialer Bestandteil im Leben ihrer Kinder oder als unnötige Ablenkung von „wichtigeren“ Aktivitäten gesehen. Dabei sehen Eltern das Spiel als vernachlässigungswürdig im Vergleich zu strukturierten Lernprozessen in der schulischen Ausbildung an.

Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen jedoch, dass Spielen die Leistung von Kindern langfristig sogar verbessert und soziale Kompetenzen für den beruflichen Werdegang stärkt.

Die International Play Association (IPA) und SIK- Holz® bekennen sich zu diesem Ansatz und stehen für das Recht auf Spiel als vitales und universelles Verhaltensbedürfnis ein. Denn Kinder sollen auch in Zukunft das Recht haben frei und selbstbestimmt zu spielen. Die IPA Konferenz 2014 bot dazu eine ideale Plattform sich über neue Handlungsmöglichkeiten auszutauschen, von einander zu lernen und neue Strategien zu entwickeln.

Politischer Hintergrund

Vor 25 Jahren wurde die Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen verabschiedet. Darin befasst sich spezifisch der Artikel 31 mit dem Recht auf Spiel und stand im Diskussionsmittelpunkt der IPA Konferenz.

Grund dafür war der General Comment Nr. 17 zum Artikel 31 der im September 2013 von der IPA veröffentlicht wurde . Die Delegierten sahen dies als willkommene Gelegenheit sich die Rechte der Kinder auf Ruhe, Freizeit, Spiel, Erholung, kultureller und künstlerischer Entfaltung in Erinnerung zu rufen. Da der IPA Fokus auf dem „Recht auf Spiel“ liegt, wurde dazu eine offizielle Erklärung abgegeben. Diese Erklärung sollte jeder, der sich mit dem Spiel beschäftigt, sei es als Hersteller, Designer, Pädagoge, öffentlicher Träger oder als Eltern zu Herzen nehmen.

„Das (Kinder)spiel definiert sich als ein Verhalten oder Handeln das ausschließlich von Kindern prozessinitiiert, kontrolliert und strukturiert, und an allen Orten und bei allen Gelegenheiten wo immer es möglich ist, durchgeführt wird.
(Erwachsene) können dazu beitragen, geeignete Rahmenbedingungen zuschaffen in der das Spiel in einer nicht erzwungenen Form stattfindet, durch intrinsische Motive gesteuert wird, und als eigenständige Sache möglich ist. Spiel involviert autonome, physische, mentale oder emotionale Handlungen (von Kindern), und hat das Potential in unbegrenzter Form, entweder durch spielen in der Gruppe oder allein anzunehmen. Diese Formen können sich im Verlauf einer Kindheit ändern und anpassen.
Die Grundmerkmale des Spiels sind Spaß, Unbestimmtheit, Herausforderung, Flexibilität und nicht vorhandener Produktivitätsfaktor. Diese Merkmale tragen zusammengenommen zum Erlebniswert bei, indem es konsequent zu neuen Anreizen für das Spiel kommen kann.“

Diese Erklärung beruht auf mehr als 20 Jahren internationaler kollektiver Erfahrung und stützt sich auf wissenschaftliche Untersuchungsergebnisse bezüglich Mangels an Spielzeit, Spielraum und ernsthaften und lebenslangen Effekten für Körper und Geist von Kindern.

Die IPA Konferenz zeigte, dass es im internationalen Kontext unterschiedliche Sichtweisen bezüglich des Spielwertes gibt. Delegierte einiger Länder verstehen das Spiel als fundmentale Aktivität, andere ordnen das Spiel immer noch dem strukturierten Lernen unter, denn Sie sehen es oft als Ablenkung von den Vorbereitungen des Arbeitslebens an.

Wissenschaftliche Erkenntnisse

Das Spiel ist eine von Freude gefüllte und genussreiche Selbstbestimmung. Weil in unserer modernen Gesellschaft oft zu wenig bewusst genossen wird, führt dies automatisch zu mehr Eintönigkeit im Alltag. Dann braucht man sich auch nicht zu wundern, dass für so viele Menschen unsere Um- und Mitwelt so ungenießbar wird.

Spiel ist gesundheitsfördernd. Es ist nicht nur spaßig, sondern trägt langfristig dazu bei, positive Emotionen leichter aufzubauen. Diese bleiben Kindern leider immer öfter verwehrt. Spiel- und Bewegungsmangel wirkt sich langfristig nachteilig bei Kindern in Gemeinschaften und ganzen Gesellschaften aus. Das Nichtspielen verhindert, dass Kinder wichtige konditionelle, konstitutionelle, soziale und psychologische Voraussetzungen ausbilden – es ist also eine Art von Behinderung.

Wenn die Spielerfahrung dem Kind verwehrt bleibt, wird es schneller aggressiv, unausgeglichen und letztlich nicht mehr sozialfähig. Es liegen zwar noch nicht genügend langfristige Studien vor, aber erste Ergebnisse veranlassen zur Beunruhigung. Kinder die nur in geschlossenen Räumen sind und nicht spielen, können verschiedene Symptome wie zum Beispiel Aggression, unterdrückte Emotionen und reduzierte soziale Fähigkeiten, Bewegungsmangel, ein erhöhtes Übergewichtsrisiko und Diabetes 2 Risiko zeigen.

Kinder, die nicht spielen, entwickeln Wachstumsstörungen im Gehirn . Andauernder sensorischer Entzug, wie ein Mangel an menschlichem Kontakt und anderen sensorischen Kontaktformen, kann Symptome hervorrufen die von Depression bis hin zum Versagen von Gehirnaktivität reichen. Durch das Spiel werden die Nervensignale des Körpers angeregt und es bauen sich neurale Netzwerke auf, die das Gehirnwachstum unterstützen und Flexibilität erzeugen. Man könnte auch sagen, dass Spielen hilft ein effektives System zum besseren Lernen aufzubauen.

Es hat nicht nur etwas mit den Kindern zu tun. Erwachsene, die Kinder den Freiräume zum Spielen einschränken, neigen oft auch zu ungesunden Lebensweisen, leiden an Bewegungsmangel, Übergewicht oder Herzkreislauferkrankungen.

Wissenschaftler befürchten nun, dass die gegenwärtigen Veränderungen und Trends sich negativ auf zukünftige Gesellschaften und ihre Umwelt auswirken werden, die dann Generationen versetzt zur Wirkung kommen. Dabei wurde sich auf eine Studie bezogen in der epigenetisches Material untersucht wurde. Die Studie zeigte, dass unter Entzug eine ganze Generation ein „Echo“ hervorrufen kann, dass sich auf die anschließende Generation auswirkt.

Spielen ist ein Prozess, bei dem es durch einfache Bewegungen zum effizienten und effektiven Muskelwachstum kommt und sich die physische und psychische Verfassung verbessert. Es hilft Kindern flexibel, agil, koordiniert und in Balance zu sein. Spiel macht nicht nur Spaß, sondern schult primäre Emotionen, wie den Umgang mit Ärger, Angst, Empörung, Schock, Trauer und Spaß und Übersetzung dieser in nuancierte Formen wie Kummer, Vergnügen, Zuneigung, Zufriedenheit, Frust und Enttäuschung.

Was können wir tun?

Spielen ist die Lösung zu vielen Problemen in urbanen Räumen. Städte sollten magische Orte haben, an denen die Fantasie angeregt wird. Ein Tor zu einem anderen Ort, an dem man der Weltlichkeit der täglichen Routine entsagen kann. Städte werden immer mehr zu einer Ansammlung von toten, sterilen, langweiligen und angeglichenen Räumen, die keinen Platz für Vorstellungskraft, Humor und Menschenfreundlichkeit bieten. Menschen brauchen Abwechslung. Bisher sind solche Versuche nur von kommerziell orientierten Vorhaben unternommen worden, welche zeitlich begrenzt waren und Zugangsbedingungen hatten. Urbane Räume sollten fantasievolle Plätze jederzeit für alle bieten. Plätze, an denen sich die Gemeinschaftsutopien, geschichtliche Zusammenhänge, Naturverbundenheit und anthropozentrische Beschwörungen zelebrieren lassen.

Kinder in Deutschland verdienen öfter und mehr Zugang zu einem besseren, selbst bestimmten und freien Spiel. Kreative Handlungen der Kinder sollten sich in vernetzen Räumen und nicht nur auf Inseln manifestieren können. Gestaltung von kreativen Räumen beginnt im Kleinen, macht aber nur im Ganzen Sinn.

Gestalterische Kreativität allein kann allerdings im Spiel oder im Leben eine gefährliche Komponente sein, weil ihre Folgen oft nicht abschätzbar sind. Aus diesem Grund verlangt sie nach verantwortungsvollem Umgang im Rahmen der Mit- und Umwelt.
Dazu muss man das Recht auf Spiel verteidigen, beschützen und fördern. Um allen Kindern und Jugendlichen mehr Zeit, Freiheit und Platz zum Spielen einzuräumen, können wir alle mit zwei einfachen Prinzipien beitragen.

- Jeder kann und sollte bekräftigen, dass Spiel ein universelles und natürliches Verhalten ist, dass sich positiv auf Kinder und Jugendliche auswirkt. Das Recht auf Spiel kann dabei über Ländergrenzen hinweg Menschen friedlich vereinen, Toleranz erzeugen und Werte vermitteln.
- Jeder kann den Austausch von Erfahrungen suchen, neue Erkenntnisse teilen, sich informieren, dabei Aspekte kritisch hinterfragen und bereichernd auf Wissenschaft, Politik und innerhalb seines jeweiligen Tätigkeitsfeld einwirken.

Kinder spielen an den meisten Orten, aber um ideale Voraussetzungen bieten zu können sollten folgende Anforderungen erfüllt sein :
- Die Umwelt muss reich an natürlichen und kreativen Elementen sein, die das freie Spiel fördern;
- Sie sollten Möglichkeiten für körperliche Herausforderung und zur Erlangung einer Risikokompetenz bieten;
- Sie sollten Orte bieten, an denen Kinder ihre Emotionen ausdrücken dürfen und ihre Sinne stimulieren können;
- Chancen auf soziale Kontakte sollten gegeben sein;
- Sie sollten eine Vielfalt an verschiedenen Umgebungen bieten, sei es in städtischen oder ländlichen Räumen, die sicher vernetzt sind und sich durch einen höheren Anteil an Freiräumen, die zum Spielen einladen, auszeichnen.

Proaktive Lösungsansätze sind wichtig und das Unternehmen SIK-Holz® will seinen Teil leisten. Deshalb haben sie sich dazu entschlossen eine Seminarreihe in Berlin anzubieten.
Mit einer Reihe von Beiträgen und interaktiven Workshops bieten sie die Möglichkeit, sich tiefer mit dem Thema „Spielraum – Innen und Außen“ und deren notwendigen Rahmenbedingungen für die Gestaltung freier Spielflächen auseinanderzusetzen.

Ziel wird es sein, konkrete Strategien für das freie und selbstbestimmte Spiel in urbanen Räumen zu entwickeln und so zu einer besseren Planung und Umsetzung beizutragen. Mit renommierten Fürsprechern, wie Lothar Krappmann, freuen sie sich auf eine spannende und anspruchsvolle Auftaktveranstaltung am 23. September 2014 in Berlin. Mehr dazu kann man auf www.sik-holz.de erfahren.

Friedrich Schiller sagte einst “Im Spiel eines Kindes liegt oft eine tiefere Bedeutung.“. Mit dem Bewusstsein dieser Bedeutung kann die Welt freier, gesünder und freundlicher für alle werden.

 

Zum Autor:
Gregor H. Mews unterstützt das mittelständische Unternehmen SIK-Holzgestaltungs GmbH. Er ist Leiter der Projektentwicklung und Öffentlichkeitsarbeit, zudem ist er IPA Mitglied, Beiratsmitglied des Bündnis Recht auf Spiel beim Deutschen Kinderhilfswerk und Mitglied des Council on Environment and Physical Activity. Er lehrt und forscht am Thema gesunde und kinderfreundliche Stadtentwicklung an verschiedenen Universitäten wie zum Beispiel an University of Canberra, University of New South Wales, Universität Kassel und London School of Economics- Urban Age Project.

Bildquellen:
SIK- Holz Spielplatz Hafen City von SIK-Holz
Impressionen IPA von www.ipaworld.org
Blaue Moschee von Gregor H. Mews
Zeichnung Artikel 31 Recht auf Spiel von www.ipaworld.org
 

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