Dichte urbane Struktur mit vielseitigen Bewegungsräumen
Von Gabriella Zaharias (zaharias landschaftsarchitekten)
„Der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Wortes Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt“ (Schiller: Briefe zur ästhetischen Erziehung des Menschen).
Nach Freigabe der Waldmann- und der Stettenkaserne durch die Bundeswehr wurde in den 90er Jahren das 39,5 ha große Grundstück zur Entwicklung eines neuen Wohnquartiers frei. In hervorragender Lage zwischen dem beliebten Münchener Stadtteil Schwabing und dem Olympiagelände entsteht in vier Bauabschnitten das neue Stadtquartier „Am Ackermannbogen“ mit ca. 2.200 Wohnungen für ca. 4.800 Bewohner, ca. 500 Arbeitsplätzen und mit vielfältiger Infrastruktur und Versorgungseinrichtungen. Der vierte und letzte Bauabschnitt wird derzeit fertig gestellt.
Als Ergebnis eines Realisierungswettbewerbs werden große Geschosswohnungsbauten im Wechsel mit kleineren Stadthäusern von privaten und öffentlichen Bauträgern sowie Baugenossenschaften und Baugruppen errichtet. Die städtebauliche Entwicklung steht unter dem Motto „Kompakt, Urban, Grün“: verdichteter Wohnungsbau, eingebettet in großzügige, offene Grün- und Freiflächen, verbunden mit der Hügellandschaft des Olympiageländes. Der neue Stadtteil wurde familien-, kinder- und seniorenfreundlich konzipiert und vereinigt die Funktionen von Wohnen, Arbeiten und Freizeit. Er bietet vielfältig nutzbare Spiel- Aktions- und Aufenthaltsflächen für alle Altersgruppen an.
Der hier vorgestellte, 2,7 ha große Quartierpark, bestehend aus „Rodelhügel mit Erdspeicher“ und „Hügel Nord“, ist ein Teil der ca. 9,7 ha großen öffentlichen Freiflächen des neuen Stadtquartiers. Er schließt an die Wohnsiedlung des 2. Bauabschnittes im Westen und Norden an und verbindet sie mit dem Olympiapark. Als Teil des Grünzuges nimmt er Rad- und Fußwege auf, und integriert das Projekt „Solare Nahwärme“ in die Topographie.
Spiel- und Identifikationsraum Landschaft
Die Topographie des Parks ist stark modelliert. Die Landschaftsskulptur Rodelhügel und Hügel Nord greift die organisch geformte Modellierung des Olympiaparks auf und schneidet in diese natürliche Grundform alle „gebauten“ Elemente in einer klaren architektonischen Sprache wie mit einem scharfem Messer ein. Die aufstrebende Positiv-Form des Rodelhügel-Kegels wird in der Spielmulde mit Arena als Negativ-Form gespiegelt in die Tiefe projiziert. Unter dem Rodelhügel befindet sich der Warmwasserspeicher für die solare Nahwärmeversorgung für das benachbarte Wohngebiet.
Der Baumbestand an der Ackermannstraße wurde nach Möglichkeit erhalten und mit 84 neuen Bäumen ergänzt. Die Parklandschaft hat den Charakter offener Wiesen mit Baumgruppen und Einzelbäumen. Sie führt das Thema der Kieferpflanzungen des Olympiaparks weiter. Die Wiesen werden neben den Wegen regelmäßig und an den Steilhängen zweimal im Jahr gemäht. Inzwischen hat sich eine artenreiche Blumenwiese entwickelt. Im Übergang zu den Freiflächen der Wohnbebauung wurden niedrige Weiden gepflanzt.
Hier kann über die angelegten Spielplätze hinaus der Spiel- und Aufenthaltsraum Landschaft unmittelbar erlebt und immer wieder von Neuem entdeckt werden, beispielsweise kann man auf den Blumenwiesen im hohen Gras verschwinden, Blumen, Gräser, Käfer und Schmetterlinge beobachten, Picknick im Schatten der Bäume machen, Äpfel vom Baum pflücken oder Farben, Düfte, Ausblicke und Verstecke finden.
Spielplätze in der Stadtlandschaft
In diese vielseitig bespielbare grüne Infrastruktur sind Spielplätze mit unterschiedlichen Inhalten und Aktivitätsangeboten für verschiedene Altersgruppen eingefügt und über das Rad- und Fußwegesystem miteinander verbunden. Das wohnungsnahe Umfeld hat immer einen Kleinkinderspielplatz mit Sandkasten und kleineren Spielgeräten. Im weiteren Umfeld sind die Spielplatzangebote für ältere Kinder, Jugendliche und Erwachsene. Eine Entdeckungstour ist auf dem Fahrrad schneller als zu Fuß, überall ist autofreier, verkehrssicherer Raum. Man kann schnell schauen, wer auf der großen Wiese Fußball spielt, wer auf dem Bolzplatz gerade um die Meisterschaft kämpft oder ob die gute Freundin schon einen Schaukelplatz reserviert hat. Außerdem gibt es die Möglichkeit Tischtennis zu spielen oder die Geschicklichkeit beim Klettern zu entwickeln. Die ganz Coolen sitzen an der Spitze des Hügels und beobachten die Welt darunter, ohne selbst gesehen zu werden. Man riecht das Gras und die Bäume, hört die Insekten, spürt den Wind oder die Sonne und wird manchmal nass, wenn plötzlich der Regen kommt.
Auf den Spielplätzen um den Rodelhügel ist gemeinsames Spielen in durch Geländebewegungen gegliederten Räumen möglich. Die abgesenkten Spielplätze im Tal sind durch einen Höhenrücken in zwei Bereiche geteilt, die über Treppen und einen Höhenweg spielerisch und konzeptionell verbunden sind. Bewegungsdrang und kommunikatives Spiel werden getrennt, greifen aber dennoch ineinander über.
Der „bewegungsreiche, lärmintensive“ Spielbereich ist straßenseitig platziert und umfasst einen Bolzplatz mit Zuschauertribüne, ein Streetballfeld und eine drei Meter hohe Kletterwand. Die Kletterwand ist vor Ort aus Spritzbeton hergestellt und hat die Struktur von natürlichen Felsen. An ihr wird ohne Seilsicherung in Absprunghöhe geklettert. Ein Überhang fordert die Kletterer heraus, sich auch an schwierigen Stellen zu behaupten. Diese Plätze werden hauptsächlich von Jugendlichen in Besitz genommen – hier sind sie am weitesten von den Blicken der Erwachsenen entfernt, doch in einem einsehbaren, sicheren Raum. Hier können sie ihren Bewegungsdrang, Teamgeist und Kraft voll zum Einsatz bringen.
Der „kommunikative“ Spielbereich ist in einer durch Modellierungen geschützten Mulde zur Wohnbebauung gewandt. Entstanden nach dem Motto „Wiegen und Fliegen“, gehört eine Sechseckschaukel, ein Traktorenschwingreifen, eine große Drehscheibe sowie nierenförmigen Liege- und Sitzschalen zur Ausstattung. Eine fünf Meter lange Kurvenrutsche schlängelt sich am Hang herunter. Der Aufstieg besteht aus ungleich hohen Stufen aus Betonblöcken und Natursteinen. Bei der Spielplatzeinrichtung wurden Geräte aus natürlichen Materialien: Holz, Stein, Beton, Stahl mit natürlichen Oberflächen gewählt.
Die Arena mit ca. 90 Sitzplätzen und einer runden Bühne in der Mitte für Theaterspiel und Veranstaltungen, abseits vom belebten Spielplatz, ist ein beliebter Raum für Kommunikation und Rückzug. Diese Räume werden von kleinen und heranwachsenden Kindern - Altersgruppe 4 bis 12 Jahren - am liebsten bespielt. Besonders die Kleinsten nehmen die Herausforderung des Hochkletterns im unebenen Gelände mit teilweise viel zu hohen Stufen für sie wahr, um oben an der Spitze der langen Rutsche anzukommen und dann schnell herunter rutschen, um den Weg nach oben erneut auf allen Vieren zu erobern.
Die Nordflanke des Energiespeichers fungiert im Winter als Rodelbahn. Die steile Abfahrt, die in einem sicheren Tal ausläuft, ist bei Kleinen und Großen sehr beliebt. Als nächste Station auf dem Weg, im Norden der Grünfläche entlang der Ackermannstraße, entstand eine kleinere, an der höchsten Stelle fünf Meter hohe Hügelmodellierung. Auf der südlichen, der Bebauung zugewandten Seite wurde eine Magerwiese mit Mähdrusch aus der benachbarten Münchner Heide initiiert. Sie dient als Trittbiotop für geschützte Tierarten.
Am Auslauf des Hügels, im Anschluss an die zentrale ‚Große Wiese’ wurde ein Platz zum Aufenthalt unter einem Baumhain mit roten Kastanien angelegt. Die unterschiedlich hohen Sitzsteine am Platz können als Parcours von BMX-Rädern, aber auch von Rollstuhlfahrer benutzt werden. Hier befindet sich ein Spielplatz mit einem Tast- und Erlebnisspielbereich, wo speziell auch Kinder und Jugendliche mit Behinderungen am integrativen Spielen teilhaben können. Hängematten, eine Rollstuhlwippe und Tischtennisplatten, die auch von Rollstuhlfahrer genutzt werden können, runden das Angebot ab.
Auf der Großen Wiese in der Mitte der Wohnanlage kann man Ballspiele und raumintensive Spiele in mehreren Gruppen gleichzeitig spielen. Der ganze Park ist ein großer Spiel- und Aktionsraum für kleine und große Entdecker.
Fazit
Am Ackermannbogen ist es gelungen, in einer dichten urbanen Struktur, vielseitige Räume zum kreativen Spielen, Begegnungsorte für alle Altersgruppen und Spielplätze mit Einrichtungen, die gerne angenommen werden, zu schaffen. Mitten in der Großstadt finden Familien, ohne lange Wege zurücklegen zu müssen, direkt in ihrem Wohnumfeld Räume für Erholung und Austausch, an einem Ort, mit dem sie sich identifizieren.
Projektdaten
Fläche der vorgestellten Freianlagen ca. 2,7 ha
Planung der vorgestellten Freianlagen, außer der ‚Großen Wiese‘ (HOAI Leistungsphasen 1-5): zaharias landschaftsarchitekten, Gabriella Zaharias. Mitarbeiter: Matthias Thoma
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