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Internationales Fachmagazin für Spiel-, Sport- und Freizeitanlagen

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15.10.2016 - Ausgabe: 5/2016

„Sitzen gefährdet deine Gesundheit!“ Zu den Gesundheitsrisiko des sitzenden Lebensstils

Von Prof. Dr. phil. Gerhard Huber, Institut für Sport und Sportwissenschaft, Universität Heidelberg

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„Ist Sitzen eine tödliche Aktivität?“, so lautet der Titel eines Beitrags in der New York Times im Jahr 2011 (“Is Sitting a Lethal Activity?” NYT 14. April 2011). Dieser stützte sich auf eine Reanalyse von Daten, die im Rahmen einer Krebspräventionsstudie erhoben wurden und die die Relation zwischen Sitzzeit, körperlicher Aktivität und erhöhtem Versterberisiko analysierten (Patel et al 2010). In der Tat zeigen die Befunde für die Menschen, die mehr als sechs Stunden am Tag sitzen (im Vergleich zu denen mit geringerer Sitzzeit):

  • eine um 40% erhöhte Todesrate für Frauen
  • eine um 20% erhöhte Todesrate für Männer
  • eine um 94% erhöhte Todesrate für Frauen die insgesamt am wenigsten aktiv  

waren.

  • eine um 40 % erhöhte Todesrate für Männer, die insgesamt am wenigsten

aktiv waren.

Die Bedeutung der körperlichen Aktivität als tragende Säule von Gesundheit und Wohlbefinden ist umfangreich belegt. Es liegt auch ausreichende Evidenz dafür vor, dass mindestens moderate körperliche Aktivität in einem Umfang von 150 Minuten geeignet ist, das Risiko für die meisten chronischen Erkrankungen zu senken (Niebauer et al. 1997, Wen et al. 2011). Allerdings zeigen die vorliegenden epidemiologischen Zahlen, dass die wenigsten Menschen diese Minimalforderung erreichen (Kruger et al. 2007). Inzwischen steigt auch die Evidenz dafür, dass der Antipode der körperlichen Aktivität, das Sitzen, extremes Gefahrenpotential hat und Bewegung aus präventiver Perspektive dringend zu integrieren ist.

 

Der sitzende Lebensstil

Aktuelle Studien und Übersichtsarbeiten zeigen die hohe Bedeutung, die der sitzende Lebensstil für die Entstehung zahlreicher Gesundheitsprobleme wie z. B. dem Übergewicht hat. Es besteht noch kein Konsens darüber, ob Sitzen einen unabhängigen Risikofaktor darstellt oder eben nur die häufigste Form von körperlicher Nichtaktivität. Belege lassen sich für beide Positionen finden, die Frage soll aber hier nicht weiter verfolgt werden, da auf der Interventionsebene eine Reduzierung der Sitzzeit in aller Regel auch mit einer Erhöhung der körperlichen Aktivität verbunden ist.

Die Veränderungen des Lebensstils insbesondere in den westlichen Industrieländern bringt eine dramatische Erhöhung der Sitzzeiten mit sich. Der Mensch sitzt

 

  • auf Wege zu und von der Arbeit
  • am Arbeitsplatz
  • während der Mahlzeiten
  • in der Freizeit vor dem Bildschirm

Sitzen ist durch einen sehr niedrigen Energieverbrauch gekennzeichnet. Dieser ist nur geringfügig höher als während des Liegens und nur halb so groß wie während des Stehens. 

 

Zur Verbreitung des Sitzen

Neben dieser „energetischen“ Definition lassen sich unterschiedliche Formen der körperlichen Aktivitäten nach dem Akronym „FITT“ differenzieren:

Frequency                                       Häufigkeit

Intensity                                            Intensität

Time                                                  Zeitdauer

Type of Activity                                Art der Aktivität

 

Analog dazu schlagen Tremblay et al. (2010) vor, Sitzen nach einem vergleichbaren System (SITT) zu klassifizieren

 

Sedentary behaviour frequency              Häufigkeit des Sítzens

Interruptions                                                Unterbrechungen

Time                                                              Zeitdauer

Type of Sitting                                             Art des Sitzens (z. B. Büro, Auto)

 

Zur Epidemiologie des Sitzens werden immer mehr aussagekräftige Studien vorgelegt (Dunstan et al 2012). Es kann davon ausgegangen werden, dass es in der Geschichte der Menschheit noch keine Phase gab, in der der Mensch so viele Zeit sitzend zubrachte wie heutzutage. In einer Untersuchung von Healy et al. 2007, vgl. dazu auch Owen et al. 2008) findet sich folgende mit Accelerometern erhobene Verteilung (Abb. 4), aus der hervorgeht, wie hoch der Anteil des Sitzens im Tagesverlauf ist. Es ist sicher von einer hohen „intraindividuellen“ Varianz auszugehen, allerdings ist ebenso klar, dass von zahlreichen Menschen das kritische Ausmaß von mehr als einem Drittel der Tageszeit erreicht wird.

An einer Stichprobe  von über 240 00 US Amerikanern konnten Matthews et al. (2012) zeigen, dass die Höhe der Sitzzeiten und insbesondere das Sitzen vor dem TV-Gerät die Sterblichkeit um bis zu 60 %erhöht. Eine große australische Kohortenstudie mit über 600 000 beobachteten Menschen zeigte einen linearen Anstieg des Versterberisikos mit der Sitzzeit (“All-cause mortality hazard ratios were 1.02 (95% CI, 0.95-1.09), 1.15 (1.06-1.25), and 1.40 (1.27-1.55) for 4 to less than 8, 8 to less than 11, and 11 or more h/d of sitting, respectively, compared with less than 4 h/d, adjusting for physical activity and other confounders.”van der Ploeg et al. 2012., p. 494). Diese führte zu deutlichen Editorials, Kommentaren und Appellen wie “Don't Just Sit There: Stand Up and Move More, More Often (Dunstan & Owen 2012.

 

Gesundheitliche Auswirkungen des Sitzens

 

Die gesundheitlichen Effekte des sitzenden Lebensstils lassen sich zunächst von denen eines „allgemeinen inaktiven Lebensstils“ nicht trennen. Bereits 1998 fanden Weller & Corey (1998) heraus, dass das Risiko für kardiovaskulkäre Sterblichkeit sich durch lange Sitzzeiten um das  2.7 fache erhöht.

Eine Analyse der Daten aus der Women’s Health Initiative Observational Study (n= 71,018) zeigen, dass insbesondere Sitzzeiten von mehr als 10 Stunden pro Tag in Kombination mit geringer körperlicher Aktivität das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen beträchtlich erhöhen (Chomistek et al. 2013). In die gleiche Richtung gehen die Befunde von Green et al. (2013), der auch einen Zusammenhang von Sitzzeiten und Hüftumfang nachweisen konnte. Bestätigt werden die Ergebnisse in einer chinesischen Studie mit einer Stichprobe von nahezu einer halben Million Menschen (Du et al. 2013).

Allgemein lassen sich die gesundheitlichen Folgen des sitzenden Lebensstils mit denen der körperlichen Inaktivität vergleichen. Von zeitlich proximal nach zeitlich distal lassen sich die folgenden Wirkungsebenen differenzieren:

 

  • Unmittelbare Folgen
    Sitzen ist nach dem Schlaf die Aktivität mit dem geringsten Energieverbrauch (siehe oben). Die erste und unmittelbare Folge eines sitzenden Lebensstils ist die Veränderung der Energiebilanz, die bei relativ gleichbleibender Energieaufnahme zu einem unweigerlichen Energieüberschuss, der als Fett abgespeichert wird, führt. Ein weiterer unmittelbarer Effekt ist das “Disuse Syndrome“, die Qualität eines Organs wird von der Art und dem Ausmaß der jeweiligen Beanspruchung bestimmt. Nicht beanspruchte Strukturen verkümmern.

 

  • Physiologsche Ebene
    Nach aktuellen Erkenntnissen ist einer der wichtigsten Mechanismen der Gesundheitswirkung von körperlicher Aktivität die durch muskuläre Aktion ausgelöste Entzündungshemmung (vgl. Pedersen et al. 2007, Brandt & Pedersen 2010).Daneben produziert Sitzen eine Reihe von metabolische Dysfunktionen, die z. B. für den Glukosetransport in die Muskelzelle sorgen (Kennedy et al .1999). Gleiches gilt für massive Störungen der vaskulären Funktionen. Zusätzlich verursacht zu langes Sitzen muskuläre Dysbalancen, die für zahlreiche Probleme wie z. B. die hohe Prävalenz von Rückenschmerzen verantwortlich sind. Besonders sensibel reagiert der Knochenstoffwechsel auf diese Form der Inaktivität, da dieser auf den beständigen trophischen Reiz des aufrechten Ganges angewiesen ist.

 

  • Pathologischen Ebene
    Vor diesem Hintergrund ist es verständlich das dadurch zahlreiche Bewegungsmangelerkrankungen begünstigt werden. Dazu gehören kardiovaskuläre Erkrankungen, Diabetes Typ 2 (vgl. dazu Healy et al. 2008) und Krebserkrankungen (“Our findings further suggest that light-intensity activity may have a protective effect, and that sedentary time may independently contribute to breast cancer risk.” Lynch et al. 2011 , 183) Hinsichtlich des Knochenstoffwechsels steigt die Osteoporosegefahr vor allem für Frauen in den Wechseljahren enorm an.

 

  • Vorzeitiger Tod
    Inzwischen zeigen große epidemiologische Studien, dass körperliche Aktivität einen lebensverlängernden Effekt hat und somit auch das härteste aller Kriterien, die Mortalität, erheblich senken kann. Bemerkenswert ist dies deshalb, weil dabei alle Todesursachen erfasst werden, auch solche, auf die die körperliche Aktivität keinerlei Einfluss hat, wie z. B. Unfälle, Vergiftungen, Suizide oder Gewaltverbrechen. Die bereits vorgestellt Studie von Patel et al. belegt 2010 eindrucksvoll die langfristigen Auswirkungen einer zu langen Sitzzeit, in dem sich die vorzeitige Sterblichkeit signifikant in Abhängigkeit von der Sitzhäufigkeit erhöht.

 

 

Eine Literaturliste kann bei der Redaktion von P@L bei Bedarf abgefragt werden.

Foto: @highwaystarz - fotolia.com

 

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