Sag mal Mutti, wer darf eigentlich Spielplätze kontrollieren?
Und wenn wir jetzt im Internet unter „www.frag-mutti.de“ mal nachschauen, würden wir wahrscheinlich keine....
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Immer wenn es um das Thema Sicherheit geht, spielen Emotionen eine große Rolle. Begriffe wie Angst, Vertrauen und Risikobereitschaft sind eng verknüpft mit dem individuellen Sicherheitsbedürfnis eines Menschen. Dies ist besonders dann der Fall, wenn es um unser Allerheiligstes, nämlich um unsere Kinder geht. Kein Wunder also, dass die Thematik „Sicherheit auf Kinderspielplätzen“ oftmals Gegenstand einer emotional geführten Diskussion zwischen Spielgeräteherstellern, Spielplatzbetreibern, Spielplatzprüfern aber auch innerhalb der Elternschaft ist. Sätze wie „da kann man ja von ganz oben bis auf den Boden fallen“ oder „da kann man mit dem Kopf hängen bleiben“ sind in diesem Zusammenhang keine Seltenheit.
Um mehr Sachlichkeit in dieser von Emotionen geprägte Thematik zu erreichen, hilft ein Blick in die Spielplatznorm. Die sogenannte DIN EN 1176 legt sicherheitstechnische Anforderungen an Spielplatzgeräte fest. Seit Sommer 2009 ist die aktuelle Fassung dieser Norm (DIN EN 1176:2008) gültig, sodass alle Spielplatzgeräte, die auf öffentlich zugänglichen Spielplätzen stehen, diesen Anforderungen entsprechen müssen. Dies schließt unter anderem auch Spielplätze in Kindertagesstätten und Schulen mit ein. Im Kern geht es dabei um zwei Fragestellungen:
An dieser Stelle wird deutlich, dass die Balance zwischen Sicherheit und Nutzen auf Spielplätzen durchaus ein gewisses Maß an Gefahr verträgt, der die Kinder beim Spielen auf den Geräten ausgesetzt sind, „da es ein grundsätzliches menschliches Bedürfnis befriedigt und den Kindern die Gelegenheit gibt, in einer kontrollierten Umgebung etwas über Gefahren und ihre Folgen zu lernen“ (vgl. Einleitung Norm). Deshalb legt die Norm zwar klare Kriterien fest, welche die Kinder vor Unfällen mit schwerwiegenden Verletzungen schützen sollen, leichtere Verletzungen wie Prellungen, Quetschungen oder Brüche werden im Rahmen der Risikoakzeptanz jedoch in Kauf genommen.
Verantwortlich für die Erarbeitung der Normen sind Fachausschüsse innerhalb des DIN Institutes für Normung e.V. Der Arbeitsausschuss Spielplatzgeräte setzt sich aus den unterschiedlichen Parteien der Anwender, der öffentlichen Hand, des Verbraucherschutzes und der Wirtschaft zusammen. Auch die Berliner Seilfabrik ist seit vielen Jahren Mitglied im Normausschuss und konnte dank ihrer Expertise im Bereich der Seilspielgeräte die Norm „Zusätzliche besondere Sicherheitstechnische Anforderungen und Prüfverfahren für Raumnetze“ (DIN EN 1176-11) mitgestalten. Konkret geht es demnach um Klettergeräte, die in geometrischer, dreidimensionaler Anordnung aus Seilen oder Ketten bestehen und somit nachgiebig sind. Solche Raumnetze findet man zum Beispiel bei Mittelmastgeräten oder in Seilspielhäusern der Berliner. „Die besondere Attraktivität dieser Spielgeräte besteht in ihrer Vielseitigkeit. Der Fantasie der Kinder sind beim Bespielen keine Grenzen gesetzt. Sie nutzen immer wieder neue Eingänge, um das Spielgerät zu erklimmen, erspielen oder zu erfahren“, sagt Karl Köhler, geschäftsführender Gesellschafter der Berliner Seilfabrik und seit über 30 Jahren im Normausschuss tätig. „Das Klettern im Raum schult nicht nur die psychomotorischen Fähigkeiten, sondern auch das Sozialverhalten. Man schubst niemanden von einem Seil, man gibt eher noch Tipps, wo der Spielpartner seinen Fuß als nächstes abstellen kann“.
Da in der Vergangenheit jedoch Fallhöhen an Raumnetzen und innerhalb der Strukturen aufgrund fehlender Informationen oftmals sehr unterschiedlich bewertet wurden, war eine Notwendigkeit gegeben für diese Art der Seilspielgeräte zusätzliche Anforderungen zu definieren. Dabei sind drei verschiedene sicherheitstechnische Erkenntnisse von Bedeutung.
Da ein Kind beim Klettern im Raumnetz gezwungen ist immer mindestens drei Sicherungspunkte zu suchen, um vorwärts zu kommen, kann davon ausgegangen werden, dass das Sicherungsniveau höher ist als beispielsweise bei freiem Stehen auf einer Fläche. „Unser höchstes Seilspielgerät ist etwas über 13 Meter hoch. Natürlich sieht das erstmal gefährlich aus, wenn man da von oben durch die Maschen schaut“ sagt Karl Köhler. „Genau dadurch wird für den Benutzer aber das Risiko sichtbar und er verhält sich bewusst vorsichtiger.“ Es handelt sich also um ein Paradoxum: Ein gefährlich aussehendes Spielgerät beeinflusst das Verhalten des Benutzers so, dass die Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung eingedämmt wird.
Darüber hinaus ist die Maschenweite eines Raumnetzes ein wichtiger Faktor, um die notwendige Sicherheit bei Seilspielgeräten zu garantieren. Zentrale Erkenntnis hierbei ist, dass ein unfreiwilliges Durchfallen durch die Maschen bei geeigneter Maschenweite nicht möglich ist, da ein Sturz durch reflexartige Armbewegungen gebremst würde. Hier wird die Balance zwischen Sicherheit und Risiko besonders sichtbar, da die Maschenweite zur entscheidenden Größe wird, schwerwiegende Verletzungen zu verhindern. Gleichzeitig soll sie jedoch so gewählt sein, dass ein annehmbares Risiko gegeben ist. Diese Haltung unterstützt auch Karl Köhler: „Durch die Einhaltung der Sicherheitsnormen ist gewährleistet, dass das Kind maximal sicher spielen kann. Ganz wichtig finden wir aber auch, dass ein Restrisiko, beispielsweise für kleinere Schürfwunden bleiben muss. Gerade in Zeiten von Smartphones & Co. sehen wir es als Herausforderung einen Anreiz zu schaffen, die Kids weg vom Bildschirm hin zu mehr Bewegung im Spiel zu ermutigen.“
Bei der Bestimmung der Maschenweiten wird von durchschnittlichen Größen und Greifweiten der Benutzer ausgegangen. Es ist ein Zylinder mit einer Höhe von 180 cm und einem Durchmesser von 65 cm definiert worden, welcher nicht senkrecht durch das Raumnetz fallen darf, außer die Aufprallfläche besteht aus Fallschutz für die höchstmögliche Position des Zylinders. Zusätzlich muss die maximale Fallhöhe von 300 cm eingehalten werden. Eine Ausnahme gilt für übereinanderliegende Flächennetze. Hier darf die Maschenweite maximal 42 cm betragen, wenn die Netze mit einem Abstand von mehr als einem Meter übereinander angeordnet sind.
Schließlich ist das Gesetz der Schwerkraft ausschlaggebend für die dritte sicherheitstechnische Erkenntnis bei Raumnetzen. Da Stürze bei geneigten Außenkonturen von Netzpyramiden nicht nach außen, sondern senkrecht nach unten stattfinden, sind konstruktive Elemente, die sich außerhalb des Raumnetzes befinden nicht relevant. Die Fallhöhe ist nur senkrecht auf das nächste Netzelement zu bestimmen. Demnach entspricht die freie Fallhöhe bei Raumnetzen dem Abstand der höchsten Fußposition zum Boden, wenn an der entsprechenden Stelle ein ungehinderter Fall in senkrechter Richtung nach unten möglich ist.
Neben den hier dargestellten Erkenntnissen zur Bewertung, spielt der Winkel zusammenlaufender Teile bei Spielplatzgeräten eine entscheidende Rolle in Bezug auf die Sicherheit. Grundsätzlich gilt, dass ein Winkel von weniger als 55° bei einer Höhe von mehr als 60 cm als unsicher eingestuft wird. Er bietet eine Fangstelle und entspricht somit nicht der Norm. Diese Sicherheitsanforderung hat teilweise Auswirkungen auf die Form von Seilspielgeräten. Sowohl Gerüst, als auch Raumnetz sind oftmals als platonische Form konstruiert, sodass keine Winkel innerhalb der Zellen entstehen können, die kleiner als 60° sind. Kleinere Winkel finden sich lediglich in der Nähe der Abspannpunkte, wo sie zu einem Fluchtpunkt zulaufen. „Um auch an diesen Stellen eine entsprechende Sicherheit gewährleisten zu können, bauen wir bei zusammenlaufenden Netzteilen ein kleines Flächennetz ein. Somit ist ein Fallen in den Winkel nicht möglich“, sagt Jörg Prechter, Produktionsleiter und Qualitätsmanager bei der Berliner Seilfabrik, sowie Mitglied des Normausschusses für Spielplatzgeräte und Spielplatzprüfer.
Über die Anforderungen an sichere Seilspielgeräte hinaus gilt es zu klären, wie die Verantwortlichkeiten diesbezüglich verteilt sind. Der Norm zufolge ist zunächst der Spielplatzbetreiber dafür verantwortlich, dass sowohl die Spielplatzgeräte als auch die Einbausituation den festgelegten sicherheitstechnischen Anforderungen entsprechen. Dies impliziert auch eine Verkehrssicherungspflicht, wonach der Betreiber für regelmäßige Wartungen und Inspektionen Sorge zu tragen hat. Die Pflicht der Spielgerätehersteller besteht darin sicherzustellen, dass die Spielplatzgeräte zum Zeitpunkt der Auslieferung gültigen Fassung der Norm gefertigt sind und somit dem aktuellen Stand der Technik entsprechen. Schließlich müssen auch die Montagearbeiten nach den Vorgaben der DIN EN 1176 erfolgen. Hier trägt das jeweilig zuständige Unternehmen die Verantwortung. Erst wenn ein Spielplatz durch einen SPEC-Prüfer abgenommen wurde, darf er der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.
Abschließend bleibt festzuhalten, dass die kontinuierliche Weiterentwicklung der Anforderungen an Seilspielgeräte im Rahmen des Normausschusses dafür gesorgt hat, dass es nahezu keine schwerwiegenden Unfälle im Zusammenhang mit Seilspielgeräten mehr gibt.
Foto: Berliner Seilfabrik