Sag mal Mutti, wer darf eigentlich Spielplätze kontrollieren?
Und wenn wir jetzt im Internet unter „www.frag-mutti.de“ mal nachschauen, würden wir wahrscheinlich keine....
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Auf Spielplätzen muss bekanntermaßen ein passender und vor allem normgerechter Fallschutz installiert sein, der eine ausreichende Sicherheit für die nutzenden Kinder, z.B. beim Sturz von einem Spielplatzgerät, gewährleistet. Es gibt unterschiedlichen Arten von Fallschutzbelägen, die in der Norm vorgestellt werden und z.B. hinsichtlich Kosten, Mindest-Einbaustärken sowie Reinigungs- und Pflegeanforderungen variieren. Es ist allerdings zu beachten, dass die wichtigste Eigenschaft dieser Beläge die sicherheitsrelevante Stoßdämpfung darstellt. Dies ist die Eigenschaft des Spielplatzbodens, die Aufprallenergie abzubauen, die entsteht, wenn ein Kind von einem Spielgerät stürzt. Somit wird eine kritische, also lebensbedrohende, Verletzung des stürzenden Kindes weitestgehend ausgeschlossen. Die stoßdämpfenden Eigenschaften werden in einem speziellen Prüfverfahren mit der Bestimmung des sog. HIC-Wertes gemäß DIN EN 1177:2018 (Stoßdämpfende Spielplatzböden – Prüfverfahren zur Bestimmung der Stoßdämpfung, Deutsche Fassung EN 1177:2018) ermittelt. „HIC“ steht für „Head Injury Criterion“ und der HIC-Wert ist ein Kriterium, welches bei technischen Untersuchungen zur Abschätzung von schweren Kopfverletzungen bei einem Aufprall in Beschleunigung genutzt wird. Er spielt u.a. bei der Sicherheit von Kraftfahrtzeugen („Crash-Tests“) eine wichtige Rolle, aber halt auch bei den Anforderungen an Fallschutzböden auf Spielanlagen. Je höher der HIC-Wert bei einem Aufprall ist, desto höher ist auch das Risiko, dass die betroffene Person dadurch eine schwerwiegende Kopfverletzung davonträgt. Bei Prüfungen von Spielplatzböden ist ein HIC-Wert von 1000 als Grenzwert festgelegt, der gleichzeitig die maximale Fallhöhe definiert. Diese wird durch entsprechende Prüfverfahren bestimmt, bei denen ein Aufprall mit dem Kopf technisch simuliert wird. Es gibt neben dem HIC-Wert zudem noch den sog. „gmax“ Wert, der bei der letzten Überarbeitung der Norm ebenfalls als eigenständiger Parameter hinzugefügt wurde. Das „g“ steht hier physikalisch für „gravity“ (Schwerkraft) und gibt die Beschleunigung im Moment des Aufpralls an. Dieser Wert ist zwar schon Teil der Errechnung des HIC-Wertes, ist aber seit der letzten Überarbeitung der Norm bei den Messungen auch eigenständig zu beachten und hat einen Grenzwert von 200. Die beiden Grenzwerte helfen dabei sicherzustellen, dass bei einem Sturz aus der jeweiligen Höhe auf den geprüften Fallschutzbelag die Gefahr schwerwiegender Kopfverletzungen möglichst gering ist – ganz auszuschließen ist sie aber nicht. Trotzdem lässt sich das Risiko durch diese Werte gut einschätzen und auf ein Minimum beschränken.
Wie gesagt, wird die Eignung eines Fallschutzbelages durch eine technische Testung untersucht. In der Norm werden zwei Verfahren für eine solche Aufprallprüfung unterschieden:
Das erste Verfahren dient der Bestimmung der kritischen Fallhöhe zur Ermöglichung einer vollständigen und ausführlichen Bestätigung des Eignungsbereichs eines Produkts (Belags) und wird in der Regel in einem Prüflabor durchgeführt. In diesem Fall wird ein Prüfmuster von dem zu prüfenden stoßdämpfenden Bodenmaterial durch den Aufprall eines mit Messgeräten versehenen Prüfkopfes in einer festgelegten Aufprallserie aus unterschiedlichen Fallhöhen einem simulierten Praxistest unterzogen. Das während jedes Aufpralls vom Beschleunigungsaufnehmer am Prüfkopf ausgesandte Signal wird ausgewertet und liefert anhand der gemessenen Aufprallenergie die Einschätzung der Schwere einer möglichen Verletzung. Der HIC-Wert jedes Aufpralls wird aufgezeichnet, und die kritische Fallhöhe wird bestimmt als die niedrigste Fallhöhe, die einen HIC-Wert von 1000 oder einen gmax-Wert von 200 erzeugt. Mit den Ergebnissen dieses Prüfverfahrens kann man zum einen feststellen, für welche maximale Fallhöhe ein bestimmter Fallschutzbelag geeignet ist, und zum anderen lässt sich - bei konkreten Projekten in Abhängigkeit von den vorgesehenen Spielplatzgeräten und deren freier Fallhöhe - die Auswahl eines entsprechend passenden stoßdämpfenden Bodenbelages festlegen.
Das zweite Verfahren beschreibt eine Fallprüfung vor Ort, die die erforderliche Bestätigung der Eignung des Bodens für den spezifischen Standort (mit der vorgegebenen freien Fallhöhe des installierten Spielgeräts) zum Zeitpunkt der Prüfung ermöglicht. Die Verwendbarkeit des Fallschutzbodens wird hier also direkt im eingebauten Zustand getestet. Die technische Durchführung entspricht aber im Wesentlichen dem ersten Verfahren, nur nicht unter „Laborbedingungen“.
Sollte nach erfolgreicher Prüfung ein Fallschutzbelag für ein bestimmtes Projekt oder eine Fallhöhe geeignet sein, so ist es wichtig, dass dieses Ergebnis hinterher fachgerecht dokumentiert ist. Grundlage einer jeden Eignungsbewertung sollte daher ein Prüfbericht eines ISO 17025 akkreditierten Prüfinstituts, bzw. Prüflabors sein. Hierdurch wird die Qualifizierung, Verifizierung und Vergleichbarkeit gewährleistet.
Gemäß strikter Vorgaben der EN 1177 muss ein solcher Prüfbericht die nachfolgenden Angaben enthalten:
1) Eine Nummer und das Ausgabedatum dieser Europäischen Norm, d. h. EN 1177:2018;
2) Eine vollständige Beschreibung des geprüften Produkts;
3) Ein Foto des geprüften Materials mit Angabe des Maßstabes bei losen Schüttmaterialien;
4) Das Verfahren, mit dem die Prüfmuster zusammengehalten werden, oder die Innenmaße des Prüfbehälters und die geprüfte Schichtdicke bei losem Schüttmaterial;
5) Ein Diagramm, welches sämtliche Prüfpositionen zeigt;
6) Die Eigenschaften des Bodens zur Zeit der Prüfung (z. B. Temperatur und Luftfeuchtigkeit);
7) Die Ergebnisse von jeder Fallprüfung mit Angabe der angewandten Fallhöhen und der entsprechenden HIC-Werte und gmax-Werte;
8) Die kritische Fallhöhe des geprüften Bodens, angegeben in Meter mit zwei Dezimalstellen und Angabe einer Messunsicherheit von ±7 %;
9) Die Kurven von HIC-Wert und gmax-Wert gegenüber der Fallhöhe, anhand derer die kritische Fallhöhe des Bodens bestimmt wurde;
10) Eine Zeit-/Beschleunigungskurve eines Aufpralls mit einem HIC-Wert oder gmax-Wert.
Obendrein ist zu beachten, dass die Norm regelmäßig überarbeitet und neu veröffentlicht wird. Prüfberichte, die dazu dienen, die Eignung des Fallschutzsystems nachzuweisen, sollten also immer dem aktuellen Ausgabedatum der Norm EN 1177 entsprechen.
Über den Autor: Dennis Frank ist Laborleiter, Sachverständiger und Geschäftsführer des Instituts für Sportstättenprüfung ISP GmbH sowie in mehreren Normen-Ausschüssen vertreten. Die ISP GmbH prüft Spiel- und Sportböden im Innen- und Außenbereich auf ihre Sicherheit. Egal ob Kunststoffbeläge, Kunstrasensysteme, Sporthallenböden oder Prallschutzwände– mit einem zertifizierten Messverfahren analysieren sie sowohl Bestandsböden als auch die Eignung von Neuprodukten.