Logo

Playground@Landscape

Internationales Fachmagazin für Spiel-, Sport- und Freizeitanlagen

Slide 0
Slide 1
Slide 2
Slide 6
Slide 7
Slide 8
15.12.2016 - Ausgabe: 6/2016

Giftpflanzen auf Spielplätzen

Von Dr. Elke Frenzel (Aufsichtsperson Kommunale Unfallversicherung Bayern (KUVB))

Photo

Naturerlebnisse sind wichtig. Unsere Kinder möchten und sollten mit allen Sinnen erfahren können, wie etwas schmeckt, riecht und wie es sich anfühlt. Und nichts ist für Kinder schöner und trägt maßgeblich zu ihrer Entwicklungsförderung bei, als das freie Spielen in der Natur und mit den Materialien, die sie ihnen bietet. Doch genau wie im Straßenverkehr existieren auch in der Natur Gefahren. Dazu zählt unter anderem auch die Gefahr durch Giftpflanzen.
Giftige Pflanzen sind allgegenwärtig. Wir begegnen ihnen überall: im eigenen oder Nachbars-Garten, im Park, in der freien Natur, aber auch auf der Fensterbank. Anders als früher wird aber das Wissen um Giftpflanzen nicht mehr über Generationen hinweg tradiert. Eltern, Erzieher und Lehrkräfte von heute sind zum Teil selbst ohne Garten und mit wenig eigenen Naturerlebnissen groß geworden und können nicht auf derartiges weitergegebenes Wissen zurückgreifen. Und nicht alles, was man früher Kindern erzählt hat, entspricht auch den tatsächlichen Gegebenheiten. Zum Beispiel haben viele Kinder früher den Rat der Erwachsenen bekommen, dass „alle roten Beeren giftig sind“. Spätestens bei den Johannisbeeren im Garten sollten an dieser Aussage aber berechtigte Zweifel aufkommen. So ist zu beobachten, dass das Thema Giftpflanzen immer häufiger von Unwissenheit und dem sich daraus zwangsläufig ergebenden hohen Maß an Unsicherheit besetzt ist. Diese wiederum führt dazu, dass in einigen Fällen vorsorglich vermeintlich giftige Pflanzen der Ausgrabung oder Abholzung zum Opfer fallen, obwohl von diesen Pflanzen keine wirkliche Gefahr ausgegangen wäre. Dagegen werden andere Pflanzen belassen, weil sie schön und dekorativ sind und man deren Giftigkeit unterschätzt.

Zu dieser Unsicherheit trägt auch eine Vielzahl an Veröffentlichungen zum Thema Giftpflanzen bei, in denen unterschiedliche Autoren zum Teil zu unterschiedlichen Ergebnissen bei der Bewertung der Giftigkeit von Pflanzen kommen. Es ist daher sinnvoll, zum einen alle Beteiligten umfassend zu informieren und zu sensibilisieren, aber auch unbegründete Ängste zu nehmen. Zum anderen müssen objektive Kriterien festgelegt und genannt werden, die eine Entscheidung für oder gegen die Verwendung einer Pflanze für Planer, aber auch für Erzieher, Lehrkräfte und Eltern möglich macht.

 

Definition von Giftpflanzen

Diejenigen, die sich über die Giftigkeit von Pflanzen informieren möchten, stoßen in der Praxis immer wieder an Grenzen. Es findet sich zwar zwischenzeitlich eine Vielzahl an Veröffentlichungen, Fachliteratur und (vermeintlichen) Ratgebern zu diesem Thema auf dem Markt. Vergleicht man allerdings die Ergebnisse der Autoren bei der Giftigkeitsbewertung einzelner Pflanzen, steht man häufig vor widersprüchlichen Aussagen. Hinzu kommt, dass Angaben in Kategorien wie „leicht giftig“, „giftig“ oder „mindergiftig“ bei der Beurteilung, ob eine bereits bestehende Anpflanzung z.B. von Ebereschen an einem Kinderspielplatz zu entfernen ist, wenig hilfreich ist.

„Giftigkeit“ ist also ein relativer Begriff, insbesondere wenn es um Pflanzen geht. Neben unterschiedlichen Wirkstoffmengen bei Pflanzen gleicher Art, kann der gleiche Wirkstoff auch bei unterschiedlichen Menschen (z.B. abhängig von Alter, Gesundheitszustand oder auch Gewöhnung an Genussmittel) durchaus verschiedene Wirkung entfalten. Kinder und vor allem Kleinkinder sind allerdings wesentlich gefährdeter, da der kindliche Organismus noch nicht im gleichen Maße in der Lage ist, Giftstoffe abzubauen oder auszuscheiden wie der eines Erwachsenen. Als Beispiel seien hier nur die Wirkungen von Alkohol oder Koffein genannt.

Weiterhin muss jedem klar sein, dass auch Pflanzen ohne bekannte toxische Inhaltsstoffe bei Aufnahme größerer Mengen Übelkeit und Erbrechen verursachen können.

Und zuletzt zeigt auch das Beispiel „Fingerhut“, dass der Begriff „Giftigkeit“ relativ ist. Für den einen kann der Wirkstoff des Fingerhuts Digitalis purpurea lebensrettend sein. Für den anderen kann die Verabreichung tödlich enden. Ganz im Sinne von dosis sola fecit venenum („Allein die Dosis macht das Gift“, Paracelsus)

 

Vergiftungsunfälle bei Kindern

Untersuchungen zeigen, dass Kinder sich vorrangig für Pflanzen interessieren, die durch farbenfrohe Früchte und Blüten hervorstechen. Die gefährdetste Gruppe für unbeabsichtigte Pflanzenvergiftungen sind dabei Kinder im Alter von ein bis vier Jahren. Diese Kinder verfügen schon über die notwendige eigene Mobilität und probieren zudem beim Spiel in der Natur unbekümmert Beeren, Blüten, etc. von Pflanzen. Erst ab einem Alter von ca. 4-5 Jahren lernen Kinder zwischen Fremdstoffen und Lebensmitteln zu unterscheiden und stecken nicht mehr jeden Gegenstand in den Mund.

Jedes Jahr gehen ca. 80.000 bis 100.000 Anrufe in deutschen Giftinformationszentralen ein, denen kindliche Vergiftungsfälle zugrunde liegen. Dabei stehen Anfragen zum Thema „Vergiftung durch Pflanzen“ in der Regel hinter Arzneimitteln und klassischen Haushaltschemikalien an dritthäufigster Stelle. In vielen Fällen zeigt sich bei Vergiftungsfällen mit Pflanzen zum Zeitpunkt der telefonischen Anfrage keinerlei klinische Symptomatik. Nur bei manchen können im Falle der Anfrage überhaupt Symptome beobachtet werden, von denen wiederum nur ein kleiner Anteil sich als mittel bis stark beschreiben lassen.
Diese Daten zeigen, dass ein Großteil der Pflanzenarten eine eher niedrige Giftwirkung aufweist. Mittlere bis schweren Vergiftungsfälle bei Kindern traten bei den Pflanzengattungen Brugmansia (Engelstrompete), Laburnum (z.B. Goldregen), Phaseolus (z.B. Gartenbohne) und Thuja (Lebensbaum) auf.

 

Verschiedene Giftpflanzenlisten

Neben der bereits erwähnten (zum Teil vermeintlichen) Fachliteratur zum Thema Giftpflanzen stellt auch das Internet eine Quelle unzählbarer Ratgeber und Listen dar. Leider trägt diese Informationsflut meist nicht gerade zu einer Reduzierung der Unsicherheit beim Suchenden bei. Hinzu kommt, dass viele dieser Fundstellen von den individuellen Meinungen der Autoren geprägt und damit nicht in allen Fällen für eine objektiv nachvollziehbare Entscheidung geeignet sind. Allerdings existieren auch einige fachlich fundierte und verlässliche Quellen. Dazu zählen im Wesentlichen die DIN 18034, die Giftpflanzenliste des Bundesministeriums für Umwelt, Natur und Reaktorsicherheit (BMU) sowie die DGUV-Information 202-023 „Giftpflanzen – beschauen nicht kauen“ der gesetzlichen Unfallversicherung. Während die DIN 18034 (Spielplätze und Freiflächen zum Spielen) lediglich sechs unterschiedliche Giftpflanzen nennt, deren Anpflanzung auf Spielflächen verboten ist bzw. die entfernt werden müssen, sofern sie dort wachsen, werden in der Liste des BMU bzw. der DGUV-Information insgesamt 49 bzw. 48 Pflanzenarten aufgeführt.

Die beiden letztgenannten Listen umfassen auch solche Pflanzen, die schon bei Aufnahme geringer Mengen an Pflanzenmaterial mittelschwere oder schwere Vergiftungen verursachen können. Es wird davor gewarnt, diese Pflanzen an Plätzen anzupflanzen oder aufwachsen zu lassen, die Kinder als Aufenthalts- und Spielort wählen.


In der Regel stellt die „Nicht-Verwendung“ der in der DIN 18034 genannten sechs Pflanzen Euonymus europaea (Pfaffenhütchen), Daphne mezereum (Seidelbast), Ilex aquifolium (Stechpalme), Laburnum anagyroides (Goldregen), Heracleum mantegazzianum (Herkulesstaude) und Ambrosia artemisjifolia (Beifußblättriges Taubenkraut) in der Praxis kein Problem dar und führt auch zu keinen Diskussionen im Rahmen von Beratung oder Begehungen bzw. bei Planung und Betrieb von Spielplätzen.

Anders sieht es allerdings bei den in den anderen beiden Veröffentlichungen genannten Pflanzen aus. Da hier zum Teil auch „minder- bzw. geringgiftige“ Pflanzen aufgelistet sind, entstehen immer wieder Diskussionen, ob denn nun beispielsweise eine alte Robinie oder die klassische Ligusterhecke als Anpflanzung auf einem Spielplatz oder einer Kindertageseinrichtung bestehen bleiben dürfen. Hier kommt der individuellen Risikobeurteilung eine tragende Rolle zu.

 

Risikobeurteilung bei Pflanzen

Es gibt Pflanzen, deren Verzehr zum Tode führen kann wie zum Beispiel die Herbstzeitlose oder der Schierling. Weiterhin gibt es Pflanzen, die als eindeutig ungiftig bezeichnet werden können bzw. deren Verzehr ggf. sogar zu einer ausgewogenen Ernährung gehört. Diese beiden „Kategorien“ führen in der Praxis nicht zu Diskussionen. Dazwischen aber gibt es einen sehr großen Bereich, der sog. leicht- oder mindergiftigen bis giftigen Pflanzen. Eine objektive Auseinandersetzung ist hier wünschenswert und bedarf einiger Kriterien, die eine Entscheidung für oder gegen eine Pflanze für jeden Betroffenen möglich macht.

Giftigkeit: Pflanzen, die unter „sehr giftig“ einzustufen sind, haben auf Spielplätzen etc. nichts zu suchen. Bei Neuanpflanzungen sollten bevorzugt ungiftige Pflanzen aus Positivlisten Verwendung finden. Eine Anpflanzung von leicht giftigen bis giftigen Pflanzen kann nur nach genauer Prüfung der weiteren Kriterien erfolgen.

Altersstufe der Kinder: Bei der Entscheidung für die Anwesenheit von minder- oder leichtgiftigen Pflanzen auf Spielplätzen und Freiflächen ist maßgeblich, ob sich beim geplanten Projekt Kinder im Alter von ca. 1 bis 5 Jahren oder aber ältere Kinder (10 Jahren und älter) dort aufhalten. Je jünger die Kinder sind, umso höher sind die Hürden für die Verwendung von leicht giftigen bis giftigen Pflanzen. Ist die Altersgruppe nicht bekannt oder kann nicht definiert werden (wie z.B. auf öffentlichen Spielplätzen) ist immer von der Anwesenheit kleiner Kinder auszugehen.

Zugänglichkeit: Es gibt immer wieder Fälle in der Praxis, bei denen zwar giftige Pflanzen auf Spielplätzen wachsen, diese aber für Kinder nur schwer bis nicht zugänglich sind (z.B. aufgrund von Zäunen, Absperrungen o.ä.).Wenn eine Pflanze nicht für die Kinder zugänglich ist, bestehen auch keine Bedenken in Hinblick auf deren Anpflanzung oder Bestand.

Attraktivität: Kinder werden insbesondere von auffälligen Blüten und in noch stärkerem Maße von bunten Beeren angezogen. Demzufolge sollten alle Pflanzen, die attraktive Beeren ausbilden, einer kritischeren Bewertung unterzogen werden. In diese Bewertung sollte einfließen:

  • Giftigkeit (vgl. Beispiel: Eberesche, Holunder,…)
  • Geschmack der Beeren – (bitter, scharf, süß, …?)


Aus der Kombination dieser vier Kriterien lässt sich in der Regel eine eindeutige Entscheidung für oder gegen eine (mindergiftige) Pflanze treffen. Unbeschadet davon sollte bei Neuanpflanzungen auf die Verwendung von Pflanzen aus einer sog. Positivliste (ungiftige, pädagogisch empfehlenswert) geachtet werden.

Es wäre wünschenswert, die Diskussion um Giftpflanzen in eine positive Richtung der Pflanzenverwendung auf Spielplätzen, Kindertageseinrichtungen, Schulen etc. zu lenken. Die Auseinandersetzung mit Giftpflanzen, sollte ein wesentlicher Bestandteil der Naturerziehung sein. Dabei darf natürlich der Sicherheitsgedanke nicht außer Acht gelassen werden. Was hilft es aber vermeintlich „giftige“ Pflanzen“ von Spielplätzen etc. zu verbannen, wenn unsere Kinder dann trotzdem im täglichen Leben damit in Berührung kommen?

 

Foto: Christian Pedant - fotolia.com

 

 

Mehr zum Thema Spielplatzsicherheit

image

Spielplatzsicherheit

Sag mal Mutti, wer darf eigentlich Spielplätze kontrollieren?

Und wenn wir jetzt im Internet unter „www.frag-mutti.de“ mal nachschauen, würden wir wahrscheinlich keine....

image

Spielplatzsicherheit

Wie testet man die Sicherheit von Fallschutzböden auf Spielplätzen?

Das Prüfverfahren zur Bestimmung der Stoßdämpfung laut DIN EN 1177:2018 (Stoßdämpfende
Spielplatzböden)

image

Spielplatzsicherheit

Sicherheit auf dem Spielplatz Die unendliche Geschichte – ständig neu aufgekocht?

Nichts ist sicherer als der Kinderspielplatz! Eine gewagte These oder Wirklichkeit?

image

Spielplatzsicherheit

Von der Rollsporteinrichtung zum Skatepark - Die Entwicklung der DIN EN 14974

Die sicherheitstechnische Normgebung hat auf dem Gebiet des Rollsports wahrlich einen langen und steinigen Weg hinter sich: Als im Jahre 1995 die DIN-Norm für Rollsporteinrichtungen – damals noch unter der DIN 33943 – veröffentlicht wurde, erlebte der Rollsport gerade einen ersten sogenannten „Boom“.

image

Spielplatzsicherheit

DIN EN 1177:2018 Stoßdämpfende Spielplatzböden – Prüfverfahren zur Bestimmung der Stoßdämpfung

Die unterschiedlichen Fallschutzbeläge variieren hinsichtlich Kosten, Mindest-Einbaustärken sowie Reinigungs- und Pflegeanforderungen. Es ist zu beachten, dass die wichtigste Eigenschaft dieser Beläge die sicherheitsrelevante Stoßdämpfung darstellt. Dies ist die Eigenschaft des Spielplatzbodens, die Aufprallenergie abzubauen, die entsteht, wenn ein Kind von einem Spielgerät stürzt. Somit wird eine kritische, also lebensbedrohende, Verletzung des stürzenden Kindes weitestgehend ausgeschlossen.