Sag mal Mutti, wer darf eigentlich Spielplätze kontrollieren?
Und wenn wir jetzt im Internet unter „www.frag-mutti.de“ mal nachschauen, würden wir wahrscheinlich keine....
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Kindertageseinrichtungen, kurz: Kitas, sind Orte des Lernens und der Sozialisation – und zwar für eine breit gefächerte Altersgruppe mit ganz unterschiedlichen Entwicklungsstufen. Unter Kindertageseinrichtungen fallen Krippen für die Null- bis Dreijährigen, sowie Kindergärten für die Drei- bis Sechsjährigen. Kitas fördern und unterstützen die individuellen Fähigkeiten der Kinder und haben den Bildungsauftrag, sie zur größtmöglichen Selbstständigkeit zu erziehen. Sicherheit, Gesundheit und Wohlbefinden sind Voraussetzungen für erfolgreiche Bildungsprozesse und die Arbeitsfähigkeit der Beschäftigten.
Kinder lernen in starkem Maße über Bewegung. Mit wachsender Selbstständigkeit suchen sie neue Herausforderungen und gehen auch riskantere Situationen ein. Dies ist gewünscht und gewollt. Annehmbare Risiken erweitern das Niveau der sozialen, geistigen und körperlichen Leistungsfähigkeit. Nur wenn Kinder zu „Selbstsicherheit“ erzogen werden, lernen sie Gefahren richtig einzuschätzen und ihnen als Teil einer stimulierenden, herausfordernden Umwelt auf angemessene Weise zu begegnen.
Gleichzeitig müssen Kitas das in den einschlägigen Normen und Sicherheitsstandards geregelte Maß an Sicherheit gewährleisten. Sie sind daher regelmäßig auf die Einhaltung und das wirksame Vorhandensein dieser Sicherheitsvorgaben zu prüfen. Für jedwede Art von Prüfung ist es notwendig, das einschlägig geltende Regelwerk, die entsprechende Wertigkeit von Vorschriften zu kennen und anwenden zu können. Ist dies nicht der Fall, führt es im einfachsten Fall zu unangenehmen Fehleinschätzungen, im schlimmsten Fall zu teuren bis lebensgefährlichen Irrtümern. So muss jedem Prüfer von Spielplatzgeräten in einer Kita das geltende Regelwerk der gesetzlichen Unfallversicherung bekannt sein. Unabdingbar ist es zudem, sich über die aktuellen Neuerungen zeitnah zu informieren.
Hierarchie und Wertigkeit der Vorschriften und Regeln
Während sich das Kind in einer Kindertageseinrichtung aufhält, sowie auf dem Hin- und Rückweg zu dieser, steht es unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Das heißt: Kinder genießen, wie Arbeitnehmer, den vollen Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Im Falle eines Unfalls oder einer Erkrankung bedeutet dies: umfassende medizinische Versorgung und falls nötig Rehabilitation bis hin zu lebenslanger Unterstützung.
Die Vorschriften und Regeln der Unfallversicherungsträger existieren parallel zu den staatlichen Gesetzen und Verordnungen. Diese Unfallverhütungsvorschriften dürfen nur das regeln, worüber in staatlichen Arbeitsschutzvorschriften keine Regelungen getroffen wurden. Sie treffen Maßnahmen zur Verhütung von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren. Die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung können für den bei ihnen versicherten Personenkreis eigene Vorschriften, Regeln, Informationsschriften erlassen. Diese sind u.a. explizit für den Schutz der Kinder während des Besuches einer Kindertageseinrichtung oder Schule gedacht. Dabei wird immer eine Beaufsichtigung durch entsprechendes Personal vorausgesetzt. Zudem finden sich hier auch Anforderungen speziell für die Betreuung von Krippenkindern (früher GUV-SR-S2 - jetzt DGUV Regel 102-002).
Diese Vorschriften sind zwingend für Spielplätze von Kindertageseinrichtungen und Schulen einzuhalten.
Änderungen im Regelwerk
Im Zuge der Fusion der beiden Spitzenverbände von Berufsgenossenschaften (HVBG) und Unfallkassen (BUK) wurde das Vorschriften- und Regelwerk vereinheitlicht. Die Inhalte wurden im Wesentlichen beibehalten, die alten Kürzel wurden vereinheitlicht zu „DGUV“. Zudem wurden dem Regelwerk einheitliche Nummern entsprechend dem Fachbereichen zugeordnet. So wurde beispielsweise aus der „Unfallverhütungsvorschrift Kindertageseinrichtungen, GUV - V S2“ aktuell die „DGUV Vorschrift 82 Kindertageseinrichtungen“. Eine gute Übersicht über die Zuordnung der Nummern Alt - Neu findet sich auf der Homepage der DGUV.
Regelwerke, die nur von einem der Unfallversicherungsträger erlassen waren, befinden sich noch nicht in der Publikationsdatenbank der DGUV, sondern sollen innerhalb entsprechender Übergangsfristen überprüft und entweder eingeordnet oder gestrichen werden. Ein gutes, virtuelles Informationsportal zu den aufgeführten und weiteren Vorschriften bietet auch die Unfallkasse NRW (Unfallkasse Nordrhein-Westfalen) unter „sichere Kita“[1].
Zudem ist derzeit eine Broschüre in Arbeit. In dieser soll unter anderem die Zuordnung der freien Fallhöhen zu den Bodenarten in Krippen separat von den Vorgaben der Tabelle F.1 der DIN EN 1176 geregelt werden. Das Ziel ist, der unterschiedlichen Leistungsfähigkeit der sehr heterogenen Altersgruppe in Krippen Rechnung zu tragen.
Spezielles Regelwerk für Krippenkinder
Nicht nur in Kitas sind die Altersgruppe und die damit einhergehende Entwicklung heterogen. Selbst bei Krippenkindern, also in der Altersgruppe von 0 bis 3 Jahren, ist der Entwicklungsstand höchst unterschiedlich. Kann ein Krabbelkind auf Grund seiner motorischen Fertigkeiten Ebenen oder Spielplatzgeräte gar nicht oder nur schwer erreichen, sieht dies bei einem Zweieinhalbjährigen schon deutlich anders aus. Im Einzelfall kann es sogar umgekehrt sein: Ein motorisch fittes zweieinhalbjähriges Kind bewältigt Spielplatzgeräte und deren Anforderungen sicherer als ein motorisch ungeübter Vierjähriger. Das erste ist per Definition ein Krippenkind, das andere ein Kindergartenkind.
Die einschlägigen Vorgaben des Regelwerks tragen diesen Unterschieden derzeit nicht differenziert genug Rechnung. Eine gerade in Erarbeitung befindliche Informationsschrift, die bei Redaktionsschluss noch nicht verabschiedet war, soll diesen Umstand ändern. Es gibt Mutmaßungen über mögliche Inhalte. Zum einen sollen vermehrt pädagogische Gesichtspunkte Eingang in diese Regelung finden, was für Betreiber, externe Prüfer und Hersteller gewisse Schwierigkeiten vorhersehbar macht: Je mehr sich Vorschriften von rein baulich technischen Sicherheitsvorgaben entfernen, desto schwieriger wird es, die Vorgaben sachlich und faktisch eindeutig zu prüfen und zu erfüllen.
Zum anderen sollen jedoch die zuvor beschriebenen unterschiedlichen Fertigkeiten in den verschiedenen ersten Lebensjahren stärker Berücksichtigung finden. Es soll spezielle Vorgaben für Einjährige und entsprechend abgestufte, erweiterte Vorgaben für Zwei- und Dreijährige geben. Ein Beispiel hierfür ist die Zuordnung der freien Fallhöhen. Derzeit finden die Vorgaben der Tabelle F.1 der DIN EN 1176 Anwendung, die sich jedoch auf den Außenbereich beziehen. Die neue Informationsschrift soll nicht nur die Bodenarten in Krippen besonders berücksichtigen, sondern eben auch auf die in Krippen anwesende Kinder und deren unterschiedlichen Fähigkeiten entsprechend eingehen. Eine solche Abstufung wird nicht nur der Lebensrealität gerecht, sondern schafft in letzter Konsequenz mehr Sicherheit für alle bei der Planung, Prüfung und Arbeit mit Kindern Beteiligten – und damit letztlich mehr Sicherheit für die Kinder selbst.
Foto: Massstab Mensch
[1] http://sichere-kita.de oder über die Homepage der Unfallkasse NRW - www.unfallkasse-nrw.de