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Internationales Fachmagazin für Spiel-, Sport- und Freizeitanlagen

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20.02.2017 - Ausgabe: 1/2017

Ein Indoorspielplatz der besonderen Art

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Am 22. Juni öffnete der Geoparc de Percé im Kanadischen Quebec die Tore des neuen Indoor-Spielplatzes: Eine riesige, dreidimensionale Netzlandschaft in Form einer Wasserwelt! Die Idee für das Design, welches aus der Feder der Architekten Groupe BC2 aus Montreal stammt und in Zusammenarbeit mit der Berliner Seilfabrik umgesetzt werden konnte, war es, die umliegenden geografischen Begebenheiten nachzubilden. Da sich der Ort Percé direkt an der Ostküste Kanadas befindet, wo das Landschaftsbild von massiven Steilküsten und beeindruckenden Fels-Inseln geprägt wird, ist eine demensprechend abwechslungsreiche und einzigartige Netzlandschaft entstanden.

Zwei schwarze Flächennetze, die über die ganze Fläche des Raumes gespannt sind, teilen den Raum in drei Ebenen und lassen oben den Himmel, in der Mitte die Meereswelt und ganz unten den Meeresboden entstehen. Verbunden werden die drei Ebenen durch drei kegelförmige Netztrichter, die stark an die großen Felsbrocken, welche vor der Küste von Percé aus dem Wasser ragen erinnern. Wie die Felsen sind auch die Trichter unterschiedlich gestaltet. Sie unterscheiden sich sowohl hinsichtlich des Durchmessers (zwischen 3,20 Meter und 4,80 Meter) als auch in der Höhe (zwischen 3,20 Meter und 4 Meter). Innerhalb der Trichter sind zudem weitere, unterschiedliche Kletterelemente wie eine Sprossenleiter oder ein kleines Flächennetz als Zwischenstufe angebracht.    

Über die Trichter kann vom „Himmel“ in die Unterwasserwelt bis auf den Meeresgrund geklettert werden. Auf jeder der drei Ebenen befinden sich Ausstiegsöffnungen. Wer gerne schnell von ganz oben nach ganz unten möchte, kann über eine Tunnelrutsche direkt auf den Grund rutschen. Zwischen mittlerer Ebene und Meeresboden befinden sich zudem Kletterseile, die an Unterwasserpflanzen erinnern. Zusätzlich hängen steinartige Schaukelsitze an Seilen, sodass „durch das Wasser“ geschwungen werden kann.

Auf der obersten Ebene sind Hängematten direkt unter der Decke angebracht. Hier können sich die Kinder hineinlegen und das Schweben in der Luft leibhaftig erfahren. Auf Wunsch der Architekten sind die Hängematten so angeordnet, dass von einer Matte in die andere geklettert werden kann. Sie erinnern an weiße Wolken, die über der Wasserwelt im Himmel schweben und von welchen aus die Landschaft überblickt werden kann.

Die Decke des Raumes ist dunkelblau, fast schwarz gehalten und wird von Sternen und mehreren kleinen Lampen geziert. Die Anmutung eines offenen Nachthimmels rundet das Erscheinungsbild des Indoorspielplatzes eindrucksvoll ab. 

Der Grund für eine Kletterlandschaft, die beinahe ausschließlich aus Seilen besteht lag in der Intention des Auftraggebers. Zentrales Ziel des Geoparc de Percé ist es, die Struktur des vorhandenen Lebensraumes mit seiner Fauna und Flora zu erhalten. Ein wesentlicher Aspekt zur Zielerreichung ist dabei die Förderung des Geotourismus und der Umweltbildung. In Percé wurde deshalb ein Rahmen geschaffen, innerhalb dessen über Beobachtung und Berührung ein Bewusstsein für seltene Pflanzen und Tierarten, besondere Gesteinsstrukturen oder eben Wasser entwickelt werden kann.

Mit dem neuen Indoorspielplatz wollte der Geoparc unbedingt die Illusion, über das Wasser zu laufen, wahr werden lassen. Die Maschen des Flächennetzes sind dabei so geschaffen, dass dies möglich wird, jedoch gleichzeitig eine angemessene Herausforderung für die Kinder gegeben ist.

Herausforderungen gab es auch bei der Umsetzung der Kletterlandschaft. „Geschlossene Räume sind oftmals eine besondere Herausforderung hinsichtlich der Planung, da der Raum klar vordefiniert und somit unflexibel ist“, so Marius Kotte, Architekt und Leiter der Abteilung Konstruktion und Entwicklung bei der Berliner Seilfabrik. „Dies betrifft sowohl die Passgenauigkeit der Netze, als auch deren Anschlusspunkte, die entsprechend vorhanden sein müssen.“

Vom Berliner Creative Center in Berlin wurden auf Grundlage vorhandener Gebäudezeichnungen Anschlagpunkte ermittelt. Anhand der digitalen Planung konnten diese anschließend in Kanada eingemessen und angebracht werden. Nur so war es möglich, das komplette Netz, welches insgesamt eine Fläche von 200 Quadratmeter aufweist, vorab in Berlin zu konfektionieren, ohne dass zusätzliche Anpassungsarbeiten in Kanada notwendig waren. Um die notwendige Stabilität zu gewährleisten, wurden die Schraublaschen direkt am Stahlträger des Gebäudes angeschraubt.  Darüber hinaus ist das Netz an Aluminiumkugeln angeschlossen, die im Raum verteilt von der Decke abgehangen wurden. Diese Konstruktion verhindert ein Durchhängen des Netzes und sorgt gleichzeitig für die wasseranmutende Wellenform im Flächennetz.   

Der Indoorspielplatz ist ein voller Erfolg. Seit der Eröffnung sind täglich mehr als 200 Kinder auf der Netzlandschaft unterwegs. „Man kann auf den Netzen klettern, es gibt Hängematten, in denen man sich ausruhen kann, und es gibt sogar eine Rutsche! Der Spielplatz ist toll, weil man hoch klettern kann und sich gleichzeitig sicher fühlt“, erzählt der kleine Nicolas begeistert auf ICI Radio Canada. Auch der Auftraggeber ist zufrieden mit dem Ergebnis: „Wir sind wirklich sehr glücklich“, sagt die Präsidentin des Geoparcs de Percé auf ICI Radio Canada, „Percé hatte bereits viel zu bieten, aber wir waren auf der Suche nach Touristenattraktionen, welche auch bei schlechtem Wetter attraktiv sind. Mit diesem Indoor-Angebot haben wir das ganze Jahr über etwas zu bieten.“  

 

Text: Ferdinand Sieglin (Berliner Seilfabrik GmbH & Co.)

Foto: Berliner Seilfabrik GmbH & Co. 
 

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