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Internationales Fachmagazin für Spiel-, Sport- und Freizeitanlagen

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19.06.2017 - Ausgabe: 3/2017

Spielplätze und Spielgeräte als Marketing-Instrumente

Von Prof. Dr. Rainer Hartmann, Hochschule Bremen

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Spielplätze und Marketing? Das Begriffspaar scheint auf den ersten Blick etwas widersprüchlich zu sein. Denn Spielplätze und die entsprechenden Geräte können zu den Grunddaseinsfunktionen gerechnet werden. Damit bezeichnet die Sozialgeographie Tätigkeiten und Leistungen, die der Mensch zur Lebensbewältigung benötigt. Sie erfüllen grundlegende menschliche Bedürfnisse und stellen somit Ansprüche an den jeweiligen Lebensraum des Menschen. Im Falle von Spielplätzen oder -geräten sind es die Funktionen wohnen, sich erholen und in Gemeinschaft leben, die wiederum untereinander in einem Wirkungsgefüge stehen. Grunddaseinsfunktionen sind infolge ihres spezifischen Raumanspruches raumwirksam, es kann zu planerischen Nutzungskonflikten kommen. In den Kommunen zählt die Ausstattung mit Spielplätzen in Wohngebieten zu den Pflichtaufgaben. Darüber hinaus obliegt es der Politik, zum Beispiel in Erholungs- oder Innenstadtbereichen weitere Spielplätze oder -geräte zu installieren.

Aber was hat das mit Marketing zu tun?

Der Antwort auf diese Frage kommt man näher, wenn man bedenkt, dass auch kommerzielle Unternehmen Spielplätze und/oder entsprechende Geräte installieren, um damit den Kundennutzen zu steigern – sie also in das Marketing integrieren. Am bekanntesten ist wohl das „Småland“ in den IKEA-Märkten. Dort können Kinder von drei bis acht Jahren spielen, solange ihre Eltern im Möbelhaus einkaufen: „Für Kinder gibt es interessanteres als Einkaufen. Deshalb gibt es bei IKEA einen betreuten Kinderhort, unser Småland“ (Zitat IKEA). Auch die großen Shopping-Center, ob zentrumsnah oder auf der grünen Wiese, umgarnen die Kleinen, um den Großen das Einkaufserlebnis zu verschönern. Im Centro Oberhausen hat zum Beispiel ganz aktuell (im Mai 2017) das neue Kinderland „Centrolino der Entdeckerwald“ eröffnet. Die Unternehmen setzen Spielplätze oder -geräte ganz offensichtlich als Marketinginstrumente ein. Sie richten sich am Kundennutzen aus, im Sinne einer konsequenten Kundenorientierung, mit dem Ziel der Steigerung von Kundenzahlen, einer höheren Kundenzufriedenheit, der Imageverbesserung oder auch dem Übertreffen der Konkurrenz.

Die Einrichtung eines Spielplatzes als Marketinginstrument ist im kommerziellen Bereich als das Angebot eines sogenannten Zusatznutzens zu verstehen. Unternehmen übersetzen das auch mit „Extra-Service-Leistung“. Grundnutzen, die ein Shoppingcenter oder ein Fachmarkt bieten, sind das Angebot von Geschäften und Waren sowie das Bereitstellen von Parkplätzen. Alle weiteren Angebote, die das Einkaufen bequemer, facettenreicher oder gar zu einem besonderen Erlebnis machen, bieten einen zusätzlichen Nutzen. Sie dienen dazu, sich von der Konkurrenz abzusetzen und weitere Verkaufs- bzw. Besuchsargumente zu liefern. Dazu gehören eben (betreute) Spielplätze für Kinder, gastronomische Angebote, Veranstaltungen, Freizeitangebote, spezifische Apps und vieles mehr.

Soviel zum kommerziellen Bereich. Doch was ist davon auf den nicht-kommerziellen Bereich und damit auch Kommunen übertragbar?

Wenn sich Angebot und Nachfrage nicht mehr (nur) im kommerziellen Bereich bewegen, sondern im Nonprofit-Bereich, ist eine weitere Differenzierung des Marketingbegriffs notwendig.  In der Theorie unterscheidet man „schlüssige“ (Leistung und direkte Gegenleistung) und „nicht schlüssige“ Austauschbeziehungen. Als „nicht schlüssig“ wäre der Spielplatz in einer Stadt anzuführen, der von allen Bürgern genutzt werden kann, ohne dass eine direkte Gegenleistung gefordert wird. Die entsprechende Ausweitung des Marketinggedankens auf öffentliche Betriebe oder eine Stadt als Ganzes wurde seit Ende der 1960er Jahre angestoßen.

Der spezielle Fokus beim Nonprofit-Marketing liegt auf der Orientierung an den sogenannten Anspruchsgruppen (Stakeholdern). Dies sind Menschen oder Gruppen, die in irgendeiner Weise, direkt oder auch indirekt, mit einer Organisation in Beziehung stehen. Anhand eines integrativen Marketing-Managementprozesses sollen diese Beziehungsnetzwerke gesteuert werden. Das Ziel ist es, sich am Nutzen und den Erwartungen der Anspruchsgruppen auszurichten. Und deren Bandbreite kann sehr groß sein. Am Beispiel eines Spielplatzes in einer Kommune wird das schnell deutlich: Bürger (v.a. Eltern und Kinder), weitere Anwohner (Lärm!), der Einzelhandel (Attraktivitätssteigerung von Einkaufslagen), die Politik (Planung und Finanzierung), die Verwaltung (Anschaffung Spielgeräte und Aufbau), ggf. weitere Geldgeber (Spender, Sponsoren, Vereine u.a.) sowie die allgemeine Öffentlichkeit und die Medien. Und diese Auflistung ließe sich noch weiter fortführen und differenzieren. Die Kunst eines anspruchsgruppenorientierten Marketings ist es, möglichst allen divergierenden Interessen der Stakeholder gerecht zu werden. Dazu bedarf es – vielleicht mehr als im kommerziellen Sektor – der Entwicklung von kreativen und innovativen Problemlösungen.

In der Praxis – außerhalb von kommerziellen Unternehmen – besteht für das Marketing jedoch nach wie vor eine deutliche Legitimationsproblematik. Dahinter verbirgt sich häufig eine diffuse Angst vor den Begriffen „Markt“, „Kunde“ oder „Marketing“ und negative Assoziationen oder Vorurteile („Kommerzialisierung“) rufen entsprechende Widerstände hervor. Diese Ablehnung von Marketing ist meist auf ein reduziertes Marketingverständnis zurückzuführen. Es scheitert somit bereits an Begrifflichkeiten. Die Vorteile des Nonprofit-Marketings können sehr gut anhand von best practices aus der Branche und den damit verbundenen Chancen für die eigene Organisation oder auch die Stadt verdeutlicht werden (siehe weiter unten). Es gilt, Missverständnisse aufzudecken und die Abgrenzung zum kommerziellen Marketing zu verdeutlichen.

Gerade die Einrichtung von Spielplätzen in der Stadt kann vor dem gerade skizzierten Hintergrund nicht allein die Aufgabe von Stadtplanern sein. Eine optimale Gestaltung und Platzierung von Spielplätzen und/oder Spielgeräten in der Stadt ist eine ganzheitliche Aufgabe, die in der Verantwortung aller relevanten Akteure der Stadt liegt und damit ein wichtiges Themenfeld des Stadtmarketings darstellt. Hierbei bezieht sich die Ausweitung des Marketing-Gedankens auf die gesamte Stadt.

Das Stadtmarketing hat sich seit Beginn der 1990er als Instrument zur nachhaltigen Stadtentwicklung im Sinne einer Innovation in ganz Deutschland verbreitet und bis heute konsolidiert. Der 1996 gegründete Dachverband „Bundesvereinigung City- und Stadtmarketing Deutschland e.V.“ (BCSD) hat inzwischen Mitglieder aus mehr als 380 Städten und Gemeinden aller Größenordnungen. Dort werden Stadtmarketing-Prozesse unterschiedlichster Form und funktionaler Ausrichtung in vielgestaltigen Organisationseinheiten betrieben. Allen gemeinsam ist die Grundidee einer neuen öffentlich-privaten Partnerschaft. Auch wenn die Definitionen für Stadtmarketing uneinheitlich sind, kann übergreifend festgehalten werden, dass Stadtmarketing als ein Management-Prozess zu verstehen ist, durch den die Entscheidungsträger in einer Stadt in einem institutionalisierten, integrativen Verfahren zu kooperativem Handeln veranlasst werden sollen. Idealerweise werden unter dem Dach eines gemeinsamen Leitbildes verschiedene Teilbereiche der Stadtentwicklung unter Berücksichtigung wesentlicher Elemente privat-wirtschaftlicher Marketingstrategien zusammengeführt („Stadt als Unternehmen“).

Inzwischen konzentriert sich das Stadtmarketing auf einen „Kernbereich“, der sich aus den Themenfeldern Stadtentwicklung, Tourismus, Öffentlichkeitsarbeit, Wirtschaft und Kultur zusammensetzt. Jede fünfte Stadt in Deutschland verfolgt dabei einen vergleichsweise umfassenden Ansatz. Jedoch liegt der räumliche Schwerpunkt der meisten Projekte in der Innenstadt. In der Praxis hat sich eine „Versachlichung“ des Stadtmarketings, weg vom Anspruch eines allumfassenden und grundständigen Prozesses, hin zum pragmatischen Ansatz, durchgesetzt. Stadtmarketing kann im operativen Bereich als eine Art Dienstleistung verstanden werden, in deren Zuständigkeitsbereich die Fäden für Konzeption, Koordination und Kommunikation in den oben genannten Themenfeldern zusammenlaufen.

Spielplätze sind im Rahmen des Stadtmarketings sicher nur eine winzige Facette. Je nach Zielsetzung der Stadt bzw. des Stadtmarketings können sie sich jedoch als wichtige „Marketinginstrumente“ entpuppen. Denn immer mehr Städte erkennen, dass das Thema Kinder- und Familienfreundlichkeit als „weicher Standortfaktor“ einen wesentlichen Wettbewerbsvorteil im Kampf um Kunden, Bürger oder auch Unternehmen darstellt. Das gilt vor allem dort, wo bereits ein professionelles Stadtmarketing betrieben wird und die Akteure sehen, dass die gesamte Stadt vom Erfolg konzertierter Maßnahmen zur Steigerung der Kinder- und Familienfreundlichkeit profitiert.

Da sich das Stadtmarketing vielerorts stark auf die Innenstädte konzentriert, kann die Installation von Spielgeräten hier ganz klar als der Einsatz von Marketinginstrumenten gesehen werden – ganz ähnlich wie bei den Fachmärkten und Shopping-Centern. Ziele für eine optimale Ausgestaltung der Innenstadt als „Spielplatz“ sind die Stärkung des Standortes Innenstadt durch eine klare Themenorientierung, das Schaffen von Akzeptanz sowohl bei den Eltern (Bequemlichkeit) als auch bei den Kindern (Erlebnisse) sowie die Erhöhung der Aufenthaltsqualität und Verweildauer von Familien mit Kindern in der Innenstadt.

Es gibt eine Fülle von Möglichkeiten für den Einsatz von Spielplätzen und -geräten als Marketinginstrumente in der Praxis: Durch die Innenstadt von Velbert schlängelt sich z.B. eine 95 Meter lange und 80 Zentimeter dicke, bunt bemalte „Spielschlange“, inklusive Wasserspiel. Über die Innenstadt von Dortmund verteilen sich 13 „Spielpunkte“, die ganz unterschiedliche Spiel- und Erlebnismöglichkeiten bieten. In der Innenstadt von Wiesbaden gibt es den Spielbereich in der Adolfsallee: Auf dem Weg vom Bahnhof in die Innenstadt liegt umgeben von Kastanienbäumen die Spielanlage, die z.B. ein Trampolin, einen Kletterturm sowie eine Wasserstelle mit Bausand bietet. Ein Biergarten für die Eltern ist ebenfalls in Reichweite. In der Hamburger Hafencity öffnete im August 2013 der neue Grasbrookpark seine Pforten: Eine große Grünfläche und ein 175 Quadratmeter großer Bolzplatz mit Torwand, ein Spielfeld mit Trainingsgeräten laden Anwohner und Besucher der HafenCity zum Spielen und Erholen ein. Das Highlight ist der Schatzinsel-Spielplatz mit einem großen Piratenboot, das über eine Holzbrücke erreicht werden kann und in einem Meer aus blauen Holzschnitzeln schwimmt.

Bei vielen dieser Angebote haben sich aus der Sicht des Stadtmarketings – im Sinne einer Orientierung an den Anspruchsgruppen – verschiedene positive Aspekte herauskristallisiert: eine öffentlich-private Partnerschaft bei der Konzeption und Finanzierung der Maßnahmen; die aktive Pressebegleitung der Maßnahmen als „Promotion“; eine professionelle Organisation durch (Stadt-)Marketing-Profis sowie eine laufende Erfolgskontrolle und ggf. Anpassung der Maßnahmen. Die Zielsetzung zu erreichen, eine Stadt durch die Installation von Spielplätzen und -geräten als Marketinginstrumente kinder- und familienfreundlicher zu gestalten, ist offensichtlich nichts für Einzelkämpfer. Die Beispiele haben verdeutlicht, dass es keine reine Planungsaufgabe ist, hierbei Erfolge zu erzielen, sondern abgestimmte und konzertierte Maßnahmen – ganz im Sinne eines Stadtmarketings. Denn bei der Planung, Umsetzung und Vermarktung von Spielgeräten und -arealen übernimmt das Stadtmarketing häufig eine wichtige Schlüsselrolle.

 

Informationen zum Autor:

Prof. Dr. Rainer Hartmann
Hochschule Bremen
Freizeit- und Tourismusmanagement

Neustadtswall 30
D-28199 Bremen
Tel.: +49 (0) 421-5905 2734
E-Mail: rainer.hartmann@hs-bremen.de

 

Foto: Kinderland Emsland Spielgeräte

 

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