Stadt fair teilen - was kann Planung beitragen?
Unsere Städte sind über Jahrhunderte gewachsen, darin spiegelt sich auch die Geschichte der städtischen Gesellschaft, wer hatte das Sagen, für wen waren welche Berufe zugänglich. Stadt ist ein...
Internationales Fachmagazin für Spiel-, Sport- und Freizeitanlagen
Oskar rennt los: Die Tiere kennt er bereits, aber dort hinten sieht er einen hohen Turm rot in der Sonne glitzern. Da will er hoch. Der 6-Jährige Junge steht vor einem riesigen Gelände, das mit den Worten Grizzly Adventure überschrieben ist: eine bespielbare Goldgräberstadt voller Kletterwege, Wasserspiele, einem hohen Minenturm, einer Goldwaschanlage, einem Indianerlager und einem Sägewerk. Überall Eingänge, überall Spielmöglichkeiten. Oskar rennt weiter, findet einen schmalen Weg durch einen Felsen, stoppt, dreht an einer Kurbel an der Wand und sieht einen beleuchteten Bären tief in der Höhle liegend - schnell weiter. Wieder an der Luft steht er in einer Steinschlucht, hier klettern bereits Kinder, Oskar nimmt lieber die Leiter, um sich nach oben zu bewegen: immer in Richtung Spitze des Turms. Oben angekommen kann er das gesamte Spielareal überblicken.
Hinter dem bereits erklommenen „Grizzly Mountain“ liegt ein zweites Gebiet: die „Grizzly Bay“ wartet hier mit vier Wasserbecken, die unterschiedlichste Spielmöglichkeiten zum Thema „Kanada“ bereithalten.
Das gesamte Spielareal von ca. 10.000 m² gehört zum Jaderpark in Jaderberg, direkt an der Nordseeküste gelegen. Der alteingesessene Park wurde in den 1950er Jahren als Privatzoo gegründet. Nach einem Besitzerwechsel und einer grundlegenden Umstrukturierung sind in den 1990er Jahren zu den Tieren auch noch Fahrgeschäfte hinzugekommen. Mit 200.000 - 300.000 Besuchern pro Jahr gehört der Jaderpark zu den kleinen bis mittelgroßen Freizeitparks in Deutschland. Auf etwa 17 Hektar können Anwohner aus den Städten der näheren Umgebung und Urlauber über 600 Tiere in 120 Arten und ein vielfältiges Freizeitangebot erleben.
In einem Freizeitpark, wie der Jaderpark einer ist, kommen alle Generationen auf ihre Kosten. Deshalb ist es von besonders großer Bedeutung, hier sämtliche Familienmitglieder „mitzunehmen“. Darüber hinaus ist es der Besitzerfamilie Ludewigt wichtig, den Besuchern Spielorte zu eröffnen, die immer wieder neu entdeckt werden können und so zu einem mehrmaligen Besuch des Parks anregen. Solche Spielangebote sollten zur Bewegung motivieren und gleichzeitig die Menschen verweilen lassen, um so den Besuchern eine Ergänzung zum kurzweiligen Spaß der Fahrgeschäfte anbieten zu können. Dies sowie die damit verbundene mehrgenerationale Ausrichtung der Spielgeräte sind wesentliche Komponenten im Rahmen des Vorhabens, ein derart nachhaltiges Spielareal zu schaffen.
Im besten Fall sollten zudem solche Fahrgeschäfte integriert werden, die mit wenig Personalaufwand zu betreiben sind. Auch dieses wirtschaftliche Argument ist für die Parkbesitzer von großer Relevanz. Denn im Gegensatz zu den klassischen Fahrgeschäften braucht ein aus sich heraus und von allen bespielbares Areal auch weniger Personal, womit sich diese Investition aus Sicht der Betreiber umso mehr lohnt.
Mit den bereits etablierten Modulen von Tierbereichen einerseits und Fahrgeschäften andererseits ist hierfür schon eine gute Grundlage vorhanden gewesen. 2014 haben die Besitzer sich entschieden, ihren Park mit Spielräumen für alle Generationen um ein weiteres Modul zu erweitern.
Gemeinsam mit der Firma Kinderland Emsland Spielgeräte und dem Designer Gert Eussen entwickelten sie ein über mehrere Jahre angelegtes Konzept mit unterschiedlichen Bauabschnitten.
Mit der Goldgräberstadt „Grizzly Mountain“ wurde 2015 der erste Abschnitt eröffnet. Auf 6.400 m² Wiese entstand hier ein komplett neuer Außenbereich, der einer kanadischen Berglandschaft inklusive Canyon und Minenanlage nachempfunden ist. Den Mittelpunkt bildet ein 16 Meter hoher, bekletterbaren Minenturm.
Über 2,3 Millionen Euro hat der Park hier investiert: „Die Kletteranlage ist für alle Besucher von 3 bis 99 Jahren geeignet. Denn meist wollen die Väter zusammen mit ihren Kindern klettern!“ sagt Horst Ludewigt.
Die aufwendige und gut durchdachte Wegeführung trägt dazu bei, dass man immer neue Wege entdecken kann und letztlich das Gefühl hat, immer noch nicht alles gesehen zu haben. Die Verwendung von unterschiedlichsten Materialien wie Beton, Holz, Gummi, Stahl und Tauwerk wird dazu genutzt, auf dem Areal Kletter-, Balancier-, Kriech- und Rutschbewegungen zu ermöglichen. Mal befindet man sich in schwindelerregender Höhe, mal in dunklen Höhlen, mal auf Wegen, die auch Erwachsene einladen und dann wieder auf engen und schmalen Strecken, so dass die Kinder die Orte allein entdecken können.
Der weithin sichtbare Turm ist zu einem Wiedererkennungsmerkmal des Parks geworden.
Da der Jaderpark sowohl saison- als auch wetterabhängig ist, war es zudem wichtig, die Spielareale so zu planen, dass sie auch bei nassem Wetter Besucher anlocken. Außerdem gehört zu dem Konzept, dass es an jedem Spielort auch Aufenthaltsorte gibt, die gastronomisch genutzt werden. Hier kann man verweilen, beobachten, sich wiedertreffen und Lust bekommen mitzuspielen.
Ein 140 Meter langer Hindernisparcours umspielt die gesamte Anlage. Dieser ist so konzipiert, dass auf verschiedenen Schwierigkeitsleveln geklettert werden kann. Unterschiedliche Fußabdrücke von Tieren weisen dabei den Weg.
Hier können Eltern und Kinder nebeneinander spielen, jeder auf seinem Spielniveau.
Der Jaderpark verzeichnete für die Saison 2015 trotz schlechten Wetters einen leichten Besucherzuwachs. Ein Umstand, den die Betreiber auf die Investition in die Goldgräberstadt schieben.
„Oh, schau mal! Ich will auch mit dem Floß fahren!“ Oskar beobachtet vom Turm der Goldgräberstadt das Treiben in „Grizzly Bay“. Vier Wasserbecken liegen vor ihm. Platsch! Ein Boot fährt mit Affengeschwindigkeit von einer Rampe runter, fliegt ein Stück und landet dann mit einem lauten Platschen im Wasser. Die dabei nass gewordenen Zuschauer am Rand quieken und lachen. Oskar kommt aus dem Schauen gar nicht mehr heraus. Jetzt klettert er schnell von dem Turm und rennt Richtung Wasser. Er erobert ein Floß und stakt über das rechteckige Hafenbecken. Ein anderes Kind hat ihn ins Visier genommen: „Vorsicht! Wasser!“ Da spritzt die Wasserkanone vom Rand des Beckens schon los. Oskar ist mitten drin im Spielgeschehen.
Ein „Hafenbecken“ weiter können vor allem Kleinkinder spielen. In mühevoller Detailarbeit sind hier verschiedene Wasserläufe entstanden, die mit unterschiedlichsten Pumpen gefüllt werden können. Mit kleinen Toren und Schleusen kann der Wasserlauf zusätzlich gesteuert werden, perfekt für kleine Entdecker. Zudem stehen speziell für dieses Becken zahlreiche Gummienten zur Verfügung, die auf die Reise geschickt werden können.
„Wir sind schneller!“ Lautes Lachen einer Großfamilie zieht die Blicke auf ein weiteres Becken. Auf zwei Fähren verteilt, stehen Geschwister und Eltern und ziehen sich um die Wette von einer Seite des Beckens zur anderen. Zwischen den Flößen ist weniger Kraft als Geschicklichkeit gefragt, eine wacklige, aus einzelnen Pontons bestehende Brücke bietet hier einen Weg über das Becken.
Ein Jahr nach der erfolgreichen Eröffnung des Grizzly Mountain Spielareals entstand als Erweiterung dieses bespielbare Hafengelände.
Vier Hafenbecken mit vielen Details - angepasst an die Goldgräberzeit am Klondike – laden zu unterschiedlichsten Spielformen und Erleben von Wasser ein: große Wasserbecken mit Flößen zum Staken und Wettziehen, eine wacklige Brücke, Wasserkanonen, fliegende Boote, die Planschanlage mit Ebbe und Flut für die Kleinsten, Hindernisklettern durch die Hafenanlage und vieles mehr. Drumherum bieten „Hafengebäude“ und weitere Hafenutensilien Möglichkeiten zum Verweilen und Beobachten.
Alle Zielgruppen finden hier einen Ort, der es ihnen ermöglicht Wasser spielerisch miteinander zu erleben. Wie im angrenzenden Spielareal gibt es auch hier immer wieder Möglichkeiten, in Gruppen ins Spiel zu kommen, aber auch genauso Orte, die zum konzentrierten Einzelbewegungsspiel auffordern.
Bei der Planung der Wasseranlage wurde genau auf Windrichtungen und Wasserqualität geachtet, so dass das Spielen selbst bei „scharfer Brise“ ein Vergnügen bleibt.
Auch die Funktionsgebäude wurden in der Planung bedacht. Oftmals erlebt man in Freizeitparks, dass es viele thematisierte, bunte Fassaden gibt, aber man sie weder betreten kann noch sich erschließen lässt, wieso diese dort stehen. Im Spielareal „Grizzly Bay“ steht beispielsweise ein Gebäude, das die gesamte Wassertechnik beinhaltet. Dieses ist so konzipiert worden, dass es äußerlich zum Hafen gehört und mit Fenstern und Löchern in der Fassade den Besuchern Einblick in das Pumpwerk bietet. So wird selbst die Technik zum Erlebnis.
Eingeplant und auch häufig genutzt wird ein Umkleideraum, denn trocken geht hier selten jemand weiter.
1,5 Millionen Euro wurden in den zweiten Abschnitt investiert. Die Aufenthaltsdauer der Gäste hier ist hoch. Einige Gruppen geben an, gezielt wegen der Wasserspielanlage gekommen zu sein.
Lediglich eine Person, positioniert an dem integrierten „Flying Boat“-Fahrgeschäft, ist für das gesamte Spielareal zuständig. Somit ist der Wunsch der Parkbesitzer erfüllt worden, mit wenig Personalaufwand eine hohe Aufenthaltsqualität zu schaffen.
Schlussbetrachtung
Eine schlüssige Thematisierung von einzelnen Arealen gehört zum Freizeitparkerlebnis dazu. Bei den großen Freizeitparks, wie beispielsweise Disneyland, geht der momentane Trend zum immersiven Virtual Reality-Erlebnis. Hier soll der Besucher mit allen Sinnen und mit digitaler Hilfe in eine vollkommen andere Welt eintauchen können.
Gerade kleinere Parks können bei diesem Trend nur sehr schwer mithalten. Mit gut thematisierten Spielarealen, die auf analoge Weise alle Sinne ansprechen und somit ein reales Rollenspiel ermöglichen, kann aber auch so ein immersives Erlebnis gelingen.
Dies ist auch ein Punkt, der die Spielareale in Freizeitparks von öffentlichen Spielräumen unterscheidet: Elemente, die ein Sägewerk wirklich zu einem Sägewerk werden lassen, sind nicht nur aufgemalt oder aus Holz nachgebaut. Das Sägewerk hat ein echtes Sägeblatt unter der Decke hängen, selbstverständlich so, dass keine Verletzungen entstehen können, aber dennoch sichtbar genug, um direkt Gedankenspiele loszutreten.
Im Jaderpark wurde mit vielen dieser kleinen Dekorationen gearbeitet. In der Mine finden sich echte Helme und Werkzeuge an der Wand und die Hafengebäude sind mit echten Fischerutensilien und Bojen ausgestattet. Die vielen kleinen Details machen das gesamte Spielerlebnis aus.
Dennoch wurde aber auch auf interaktive Elemente in den Spielarealen nicht gänzlich verzichtet. So befindet sich in der dunklen Mine eine Kurbel, die genug Energie erzeugt, um Licht anzumachen und Geräusche einer Explosion ertönen zu lassen. Immer wieder sind auch „sprechende“ Säulen anzutreffen, die sprachlich auf weitere Spielmöglichkeiten hinweisen. Alle diese eingesetzten Objekte erzeugen eigene Energie und benötigen keinerlei Strom von außen.
Nach einigem Drängen schafft Oskar es dann doch noch das kanadische Spielareal zu verlassen. Der Weg führt ihn zu den Löwen.
Hier ist im Jahr nach der Eröffnung von Grizzly Bay ein weiteres kleines Spielareal entstanden. Ein bestehender Spielplatz wurde angefasst und zu einem thematisierten Spiel- und Beobachtungsort umgestaltet. Das Löwengehege wurde umgebaut und das Areal davor zum Löwenpalast erklärt. Bei der Planung dieses kleinen Bereichs ging es einerseits um die Gestaltung der Szenerie unter Einplanung des Tiergeheges, andererseits darum einen barrierefreien Spielraum zu schaffen, der allen Menschen ein Spielerlebnis bietet, egal wie alt sie sind und mit welchen Beeinträchtigungen sie zu leben haben.
Hier wurden teils Standardgeräte, wie ein Rollstuhlfahrerkarussell oder eine Rollstuhlfahrerwippe eingesetzt und thematisch dekoriert, aber gleichzeitig auch wieder Unikate geschaffen, wie zum Beispiel der Sinnestunnel mit Farben und Formen des Orients, bei dem je nach Lichteinfall immer wieder eine neue Stimmung entsteht.
Die Sichtachsen und Laufwege wurden so konzipiert, dass man das Gefühl bekommen kann, dass der Löwe Teil des Spiels ist. Auf verwinkelte und versteckte Wegeführungen wurde hier zugunsten von Übersichtlichkeit und damit der Barrierefreiheit bewusst verzichtet. Der Park hat hier einen weiteren spannenden, detailgetreuen Ort geschaffen, der ein weiteres Alleinstellungsmerkmal für die Besucher schafft.
Der Jaderpark plant, in den kommenden Jahren Stück für Stück seinen Park mit Spielarealen und thematisierten Orten weiterzuentwickeln.
Diese Saison waren Funktionsgebäude und ein neuer Eingangsbereich an der Reihe, welche selbstverständlich detailgetreu thematisch gestaltet wurden und viel Einblick in die jeweiligen Funktionen bietet.
„Können wir im Kindergarten fragen, ob wir hier nochmal alle zusammen hinfahren können?“ fragt Oskar lächelnd auf dem Weg zum Ausgang.
Foto: ESF Emsland Spiel- und Freizeitgeräte GmbH & Co. KG