Der Parc Gustave & Léonard Hentsch: Die gut funktionierende und sich jedem Zweck anpassende Vereinigung unterschiedlichster Menschen auf gleichem Raum bildete die Grundidee des Parkprojektes, welches das Büro für Architektur und Landschaftsgestaltung Hüsler & Associés entworfen hat.
Der neue öffentliche Park „Gustave & Léonard Hentsch“ liegt im Stadtzentrum von Genf im Quartier „Les Charmilles“ auf halbem Weg zwischen Hauptbahnhof und Flughafen.
Zur Lage und Entwicklungsgeschichte lässt sich anmerken: Das Grundstück des 3,8 Hektar großen Parks überlagert verschiedene Geschichten und Zeitepochen. Zuerst die von zwei Firmen, die das industrielle Zeitalter der Stadt Genf mitgeprägt haben, die Automanufaktur Piccard mit der Produktion der Automarke Pic-Pic (1906-1924) und die Fabrik „TAVARO“ bekannt durch die Fabrikation der legendären ELNA-Nähmaschinen (1934-1995). Und dann die des Fussballklubs FC Servette und des Fussballstadions „Les Chamilles“ (1930-2003). Der Fussball war von jeher eng verbunden mit der Bankiersfamilie Hentsch, die das Grundstück vor dem Bau des ersten Stadions um 1920 kaufte und 2003 ebenfalls das angrenzende ehemalige Produktionsgelände von TAVARO erwerben konnte.
Mit der Eröffnung des neuen Stadt Genfer Fussballstadions in Praille-Acacias im Jahre 2003 wurde der Weg für die Umgestaltung des fünf Hektar großen Grundstücks geebnet. Die Familie Hentsch, Mehrheitsaktionärin der Stiftung „Hippomène“ und Besitzerin des Grundstücks, verpflichtet sich im Gegenzug für die Umzonung und somit erhaltenen Baurechten, einen öffentlichen Park für das Quartier zu finanzieren. Dieser sollte als Schenkung an die Stadt Genf übergehen.
Zwei Wettbewerbe mit zwei sehr unterschiedlichen Projekten liegen dem heute realisierten Parkprojekt zu Grunde. Das Siegerprojekt aus dem Jahre 2005 wurde von der Stadt Genf wegen zu hoher Unterhaltskosten abgelehnt. Fünf Jahre später wurde in einem zweiten Anlauf ein Studienauftrag mit neuem Pflichtenheft durchgeführt. Das Projekt unseres Büros ging als Sieger hervor und wurde zur Weiterbearbeitung und Realisierung empfohlen. Nach einer vierjährigen Planungs- und Bauzeit konnte der Park am 15. Juni 2015 eingeweiht und der Quartierbevölkerung und der Stadt Genf offiziell übergeben werden.
Ein neuer Park für ein erweitertes Quartier
Der neue öffentliche Freiraum gibt sich nach außen gewollt geschlossen. Nord- und südseitig wird er durch vier bis fünf Meter hohe Geländeaufschüttungen von den Lärmimmissionen der Hauptverkehrsachsen der Avenue de Châtelaine und der Bahnlinie Genf Hauptbahnhof - Genf Flughafen abgeschirmt. Auf der Westseite schließt das neue achtstöckige, zweihundert Meter lange LMI Wohnhaus und im Südosten ein zu Loftwohnungen umgebautes, ehemaliges Fabrikgebäude (The Factory) ergänzt durch einen Wohnneubau (The Residence) den Park ab. Dadurch wurde das bestehende Wohn- und Geschäftsquartier um 250 neue Wohneinheiten erweitert. Im Zentrum des Parks steht der „Espace Hippomène“, die zum Kultur- und Eventzentrum umfunktionierte denkmalgeschützte ELNA-Fabrik, die seit kurzem von der Hochschule für Kunst und Design (Haute école d’art et de design, Head) als Schulgebäude genutzt wird.
Die zentrale Nord-Süd Erschließungsachse verbindet den Eingangsplatzbereich an der Avenue de Châtelaine mit der „Voie Verte“, dem ersten realisierten Abschnitt der neuen Langsam Verkehrsverbindung der Agglomeration Genf-Annemasse entlang der Eisenbahngeleise. Im Eingangsbereich des „Espace Hippomène“, erweitert sich die Achse zum Platz. Ein langer Wasserkanal trennt den angrenzenden halböffentlichen Terrassenbereich vom öffentlichen Weg ab.
Das Herzstück des neuen Quartierparks ist die 0.7 Hektar große, zentrale freie Rasenfläche, „Clin d’oeil“, an das ehemalige Fussballrasenfeld. Ein peripherer Rundweg, „La grande boucle“, verbindet die umliegenden Gebäude mit dem Park und schließt ihn punktuell nach außen an die angrenzenden Quartiere an. An den Rundweg angedockt sind die Hauptattraktionen des Parks: die „Spiellandschaft“ und die „Wasserterrassen“.
Spiel und Sport
Ein zentrales Thema des Parks ergänzend zum Angebot in bestehenden umliegenden öffentlichen Freiräumen, ist „Spiel und Sport“. Ziel war es, attraktive Spiel-, Aufenthalts- und Begegnungsorte für verschiedene Altersklassen zu schaffen.
„Ziel des Parks ist die gesellschaftliche Durchmischung. Wir haben ihn geschaffen, damit Individuen jeglichen Hintergrunds in einer natürlichen Umgebung Beziehungen aufbauen können“, erklärt das Landschaftsarchitekturbüro Hüsler & Associés SA. So bieten alle Bestandteile zahlreiche Begegnungsmöglichkeiten: die Wasserterrassen, der Spielplatz, aber auch die Spazierwege und eine Promenade, die zu den Gebäuden führt. „In der Schaffung des Spielplatzes im Innern des Parks spiegelt sich das von uns verfolgte Ziel perfekt: Eine grafische Gestaltung, die sich in die Landschaft einbettet, Spiele, die Kindern jeden Alters und jeder Konstitution den Austausch ermöglichen und Sportteams, Erwachsene, Jugendliche und warum nicht auch Senioren der Alters- und Pflegeheime aus der Nachbarschaft anziehen soll.“
Die Spiellandschaft
Sie umfasst eine Fläche von 1.500 m² und ist in die vier Meter hohe südliche Geländeaufschüttung integriert. Letztere befindet sich an Stelle der ehemaligen Südtribüne des Stadions und liegt auf einer zweistöckigen Tiefgarage. Um Gewicht zu reduzieren wurde die Aufschüttung mit gewichtsarmen Materialien ausgeführt.
Die Spielbereiche sind auf drei Ebenen angeordnet. Die einzelnen Ebenen werden durch eine geometrische mit unterschiedlichen Gefällen ausgebildete Geländemodellierung aus Tartanbelag miteinander verbunden. Aus demselben Material ausgeführt sind Kanten, die jeweils als Sitzstufen dienen.
Die untere Ebene ist für die Kleinsten, es ist ein chaussierter baumbestandener Vorbereich des Tiefgarage Pavillons mit integrierter WC-Anlage. Fixe Tische und Bänke, ein großer abgesenkter Sandkasten und einfache Seilspiele machen aus diesem Bereich einen angenehmen Aufenthaltsort für Groß und Klein.
Die mittlere Ebene und die angrenzenden Steilbereiche sind mit Gleichgewichts- Kletter- und Schaukelelementen ausgestattet. Hier üben sich vorwiegend die Größeren ab fünf Jahren. Unter der mit Glyzinien bepflanzten Metallpergola mit langer Sitzbank, lädt ein chaussierter Belag zum Boule-Spiel ein. Das Angebot wird in diesem Bereich durch Outdoor Fitnessgeräte, die rege benutzt werden, ergänzt.
Die obere Ebene ist eine Aussichtsplattform mit einer angrenzenden Rasenfläche. Zwei metallene Rutschbahnen an der Stelle des stärksten Gefälles bilden einen Anziehungspunkt für alle Altersklassen.
Als strukturierende, die Ebenen übergreifende Elemente sind Trampoline, „Buschtelefone“ und Metallstrukturen von unterschiedlichen Dimensionen und Höhen. Letztere sind als Tragstrukturen für Kletternetze, Seilspiele oder Schaukelelemente konzipiert.
Auf diesem Spielplatz gibt es keine Wege, keine Treppen, keine Abschrankungen. Die verschiedenen Bereiche fließen ineinander über, Funktionen überlagern sich und verschiedene Altersklassen treffen sich zum Spiel.
Sicherheit und Materialisierung
Die Spiellandschaft wurde in Zusammenarbeit mit einem Spielplatzspezialisten entwickelt und ein Teil der Elemente speziell für diesen Ort angefertigt. Die Anordnung der Spielelemente entspricht den Sicherheitsanforderungen und Normen und ist TÜV zertifiziert. Die Topographie diktierte die Materialauswahl und somit die Verwendung des zweilagig eingebauten Tartanbelages für steile Bereiche. Ein organisches Muster aus drei Grautönen und einem Rot strukturiert den Belag. Für alle ebenen Flächen wurden Kiesbeläge beziehungsweise Rasen gewählt. Die Materialwahl der Spiele aus Metall entsprach dem Wunsch des Bauherrn und den Anforderungen des Unterhalts.
Die Wasserterrassen
Die Wasserterrassen sind eine Abfolge von fünf sandgestrahlten Betonflächen. Die vier oberen Terrassen werden von Wasserspielen animiert, 50 Wasserdüsen sorgen in der warmen Jahreszeit für Abkühlung und Erfrischung für Groß und Klein. Die Programmierung des Wasserspiels verläuft in verschiedenen Sequenzen mit unterschiedlichen Intensitäten. Die maximale Spritzhöhe der Düsen beträgt drei Meter. Die Düsen sind jeweils auf einer Linie angeordnet, die gleichzeitig dem tiefsten Punkt der Terrasse entspricht. Das Wasser wird zu einer Maximalhöhe von acht Zentimetern zu großen „Pfützen“ angestaut, bevor es alsdann wieder in den Wasserkreislauf zurückfließt.
Die fünfte und unterste Terrasse ist „trocken“. Sie dient als Liegefläche und ist mit einem Trinkbrunnen ausgestattet. Direkt darunter befindet sich das Lokal mit den technischen Einrichtungen. Letzteres beinhaltet ein großes Wasserretentionsbecken, eine Filter- und Chlorierungsanlage und die Programmierung. Für die Wartung dieser Anlage ist heute das Hochbauamt der Stadt Genf verantwortlich.
Vegetation Materialien und Unterhalt
Nebst der vielfältigen Nutzung des Parks und der Spielbereiche war uns die Pflanzenverwendung von großer Wichtigkeit. Mit verschiedenen Pflanzenbildern sollten unterschiedliche ortsbezogenen Stimmungen und saisonale Highlights geschaffen werden. Die Geländeaufschüttung seitens der Avenue de Châteleine ist mit Föhren- und Birkengruppen bepflanzt, die sich auf der Parkseite über die Sitzstufen bis in die zentrale Rasenfläche und in den Hauteingangsbereich reinziehen. Die Geländemodellierungen auf der Seite der Bahngeleise dienen als Kompensationsflächen und sind mit einheimischen Strauchbosketten aufgeforstet. Von den Randbereichen aus kolonisieren unterschiedliche Baumarten/ Baumassoziationen die zentrale Rasenfläche und schaffen schattige Aufenthaltsbereiche. Mit den Baumgruppen werden entlang des Rundweges saisonale Akzente gesetzt. Schnurbaum- und Geweihbaumgruppen bilden einen lichten Filter vor dem LMI Wohnhaus, die schlanken vertikalen Metasequoias markieren Präsenz am tiefsten Punkt des Parks und Ahorn- und Kirschbaumgruppen setzen sich mit Blüte im Frühjahr und herbstlichen Blattfärbungen südlich des Espace Hippomène in Szene.
Sämtliche Weg- und Platzflächen sind aus sandgestrahltem Ortsbeton ausgeführt ebenso die Wasserterrassen und sämtliche Sitzmauern.
Der Park wurde nach dem Bau der Stadt Genf als Schenkung übergeben. Das Gartenbauamt hat vor Ort ein eigenes Lokal und sorgt mit zwei Vollzeitstellen für den Unterhalt der Grünanlage.
Foto: Hüsler & Associés SA
ParK Gustave & Léonard Hentsch, Genf
Eckdaten Park
Wettbewerb auf Einladung : 2010
Planung und Realisierung : 2011-2015
Leistungsanteil Landschaftsarchitekt : 100% gemäss SIA
Fläche : 3, 8 Hektar
Baukosten : 15 Mio. Franken
Eckdaten Equipe
Bauherr:
Pic-Pic Promotion SA, Bauherrenvertreter CBRE, Genf
Den Mehrwert der Freiräume vermitteln: Wie kann die Landschaftsarchitektur nachhaltiger werden? Wer nachhaltig bauen will, kann sich an Leitfäden orientieren und über Bewertungssysteme und Zertifikate messen lassen.
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