"Zur Alten Bäckerei“ - Neuer Spielplatz für Leipzig-Großzschocher
Juliane Heinrich (Dipl.-Ing für Landespflege (FH) – freie Mitarbeiterin im Büro Goronzi und Bearbeiterin des Projektes)
In der Vergangenheit eine kleine private Gartenanlage eines Mühlenbesitzers, in der Gegenwart ein verwildertes Grün, in der Zukunft ein naturnahes Wäldchen für spielende Kinder
Das Büro LAGO Landschaftsarchitektur Goronzi wurde Ende 2016 mit der Planung für die Anlage einer Spielfläche im Süden Leipzigs, im Stadtteil Großzschocher beauftragt. Die Beauftragung erfolgte durch das Amt für Stadtgrün und Gewässer der Stadt Leipzig. Planerisches Ziel war es dabei, bisher fehlenden Spielwert bzw. weitere Spielangebote für Kinder des angrenzenden Wohnumfeldes zu schaffen.
Die ausgewählte Fläche zeigte sich vor der Umgestaltung in einem ungenutzten und verwilderten Zustand. Die entsprechende Recherche ergab, dass es sich bei dem umzugestaltenden Grundstück um den ehemals privaten Wohnsitz der Familie Anton Zickmantel, die sogenannte „Rote Villa“, handelte. Zickmantel war bis zu seinem Tode 1901 Inhaber der unmittelbar angrenzenden Mühle. Zum ehemaligen Mühlengelände gehörten neben den Wohnvillen der Besitzer zahlreiche Ländereien und eine um ca. 1870 angelegte Gartenanlage im englischen Stil - der Mühlpark. Dieser wurde erst nach der Enteignung der Familie im Jahr 1945 der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Bereits 1944 wurden bei einem Bombenangriff große Teile der Mühle zerstört. Beide Wohnsitze, sowohl die Rote Villa als auch die Weiße Villa wurden hierbei ebenfalls komplett vernichtet.
Seitdem verwilderte der ehemalige Wohnsitz. Über die vergangenen Jahrzehnte entstand durch flächigen Aufwuchs von Ahorn ein waldartiger Charakter. Einzelne Reste, so z. B. die alten Klinkerpfeiler der damaligen Grundstückszufahrt oder die aus Feldsteinen errichtete Mauer, die das Grundstück straßenseitig begrenzt, zeugen noch heute von der ehemals stilvollen Villa, welche von einer kleinen gestalteten privaten Gartenanlage umgeben war.
Die Planungsaufgabe bestand nun hierin, den jetzigen Zustand des Geländes in seinem waldartigen Charakter zu erhalten und die gewünschten Spielangebote in diesen zu integrieren. Es wurde sich im Vorfeld der Planung bewusst dafür entschieden, auf dieser Fläche keinen konventionellen Spielplatz zu errichten.
Vielmehr sollte die Fläche künftig behutsam spielerisch erschlossen werden. Die Ausstattung sollte sich bezüglich der Ausgestaltung und des Schwierigkeitsgrades an der Altersgruppe zwischen 6 und 12 Jahren orientieren.
Auf Grundlage der so formulierten Planungsaufgabe wurde durch das Büro Goronzi in Zusammenarbeit mit der Firma Klettermax GmbH, Domsühl, ein entsprechendes Konzept erarbeitet. Dieses schlug im Ergebnis eine Seil- und Kletterlandschaft in einzelnen Pfaden vor, die zahlreiche Spielangebote und Spielvarianten ermöglicht. Die reduzierte Materialkombination aus Stahlpfosten, farblich gestaltet, und Herkulesseilen in unterschiedlichen Ausführungen sollte die Umgebung in ihren Formen und Farben aufgreifen und sich so dezent in den vorhandenen Baumbestand einfügen. Auf Grund der ständigen Beschattung der Fläche wurde auf den Werkstoff Holz gänzlich verzichtet.
Der Einbau der einzelnen Kletter-, Hangel- und Balancierelemente sollte größtenteils ohne Fallschutz erfolgen, lediglich im nördlichen Bereich des Geländes wurde ein hoher Kletterturm vorgesehen. Der dafür notwendige Fallschutz war hier problemlos einzubauen.
Das gesamte Gelände war in der Bestandsituation bodennah mit Efeu überwachsen. Dieser geschlossene Bewuchs sollte in gemeinsamer Abstimmung unbedingt erhalten werden, da sich eine neu angelegte bodenbedeckende Vegetationsschicht nur sehr schwer auf Grund der örtlichen Gegebenheiten etablieren würde.
Die einzelnen im Bestand vorgefundenen Trampelpfade sollten in ihrer Form weiterhin bestehen bleiben und auch künftig als Wegeverbindungen zwischen den Spielpfaden dienen.
Die angedachte Gestaltung des Spielplatzes erforderte auch besondere Überlegungen bezüglich der Einzäunung und Absicherung der Fläche. Es sollte keine herkömmliche Einzäunung, wie Doppelstabmatte o.Ä. zur Verwendung kommen. Der bespielbare Bereich musste jedoch umlaufend für die Kinder deutlich
sichtbar und sicher eingegrenzt werden, da ein vorliegendes Bodengutachten einzelne Bereiche des Geländes als nicht zulässig für die Nutzung eines Kinderspielplatzes auswies.
Vor diesem Hintergrund wurde bereits in der Planungsphase ein entsprechender Sicherheitssachverständiger hinzugezogen. Gemeinsam wurden vor Ort Lösungsvorschläge auf Grundlage bestehender Prüfvorschriften diskutiert. Im Ergebnis wurde sich für eine, den gesamten Spielbereich umschließende Benjeshecke, in einer Dicke von über einem Meter entschieden. Die das Gelände straßenseitig abgrenzende historische Feldsteinmauer sollte in ihrer Form erhalten bleiben. Der oben aufgewachsene Strauchbestand sollte durch einen starken Rückschnitt verjüngt und durch zusätzliche Neupflanzungen ergänzt werden. In einem Abstand von ca. vier bis fünf Metern zur Bestandsmauer wurde sich planerisch zusätzlich für eine einfache Form der optischen Absperrung, bestehend aus farblich behandelten Stahlpfosten und dazwischen gespannten Herkulesseilen entschieden.
Die durch das Amt für Stadtgrün und Gewässer im Rahmen des Planungsprozesses vorgesehene Kinder- und Jugendbeteiligung mit einer nahegelegenen Mittelschule fand unter Mitwirkung des Leipziger Kinderbüros im Frühjahr 2017 statt. Den Kindern einer 6. Klasse wurde das Planungskonzept zunächst vorgestellt. Im Anschluss wurden Fragen und Meinungen der Kinder im Gelände beantwortet und diskutiert.
Gemeinsam getroffene Entscheidungen in Bezug auf die Auswahl verschiedener Spielelemente wurden im Rahmen der weiterführenden Entwurfsplanung berücksichtigt und eingearbeitet.
Vor dem Hintergrund der Baumschutzsatzung der Stadt Leipzig wurden die im Rahmen der Gesamtmaßnahme notwendigen Maßnahmen am Gehölzbestand bereits im Februar 2017 vorgezogen durchgeführt. Um den in Teilbereichen notwendigen Einbau von Fallschutzmaterialien zu ermöglichen, waren einige wenige Rodungsarbeiten (Bäume, Gebüsch) notwendig. Des Weiteren wurde der zentrale Bereich der künftigen Spielfläche freigestellt (Entnahme des minderwertigen Aufwuchses) und der Strauchbestand entlang der historischen Bestandsmauer stark zurückgeschnitten. In den markanten Großgehölzen wurde im Sinne der Verkehrssicherungspflicht sämtliches Totholz entnommen.
Im Zuge dieser Maßnahmen konnte die in der Planung vorgesehene Benjeshecke bereits realisiert werden.
Das gesamte auf der Fläche anfallende Schnittgut wurde hierfür verwendet.
Im weiteren Planungsverlauf wurde sich in gemeinsamer Abstimmung aller Beteiligten auf Grund der historisch belegbaren Bombardierung des gesamten ehemaligen Mühlengeländes, zu dem eben auch das umzugestaltende Gelände zählt, dafür entschieden, eine Kampfmittelsondierung durchzuführen. Diese erbrachte im Ergebnis eine nicht abschätzbare mögliche Gefahr. Nachdem die vorliegenden Risiken besprochen und abgewogen wurden, entschieden alle Beteiligten die bereits vorliegende Planung zu überarbeiten.
Im Ergebnis wurde nun ein großflächiger Bodenaustausch im Bereich des gesamten künftigen Spielgeländes notwendig. Die genaue Flächengröße des auszutauschenden Bodens wurde dabei durch die bereits angelegte Benjeshecke definiert. Die gesamten Arbeiten wurden durch einen Kampfmitteldienst fachlich begleitet. In Vorbereitung dieser Maßnahme waren leider weitere großflächige Rodungen im Gehölzbestand unumgänglich. Auch das hier anfallende Schnittgut wurde vollumfänglich in die Benjeshecke eingearbeitet.
Im Zuge der veränderten Rahmenbedingungen musste auch die geplante Anordnung der Spielelemente überdacht werden. In Zusammenarbeit zwischen dem Büro Goronzi und dem beauftragten Spielgerätehersteller, Firma Klettermax Spielgeräte GmbH, entstand nun eine großzügige, zusammenhängende Seillandschaft. Die Stützen, teils leicht schräg eingebaut, nehmen die Form der umgebenden Baumstämme auf. Die komplexe Gestaltung der Spielgeräte ermöglicht ein vielfältiges Spiel und verschiedenste Bewegungsabläufe, wie Klettern, Hangeln, Rutschen, Schwingen, Balancieren, etc. Der notwendige Fallschutz wurde im Zuge des Bodenaustausches großflächig eingebaut. Die bereits zuvor abgestimmte Material- und Farbwahl blieb weiterhin erhalten.
Um auch zukünftig wieder den Charakter eines Spielwaldes bzw. des Spieles im Wald zu erzielen, wurde üppig nachgepflanzt. Zwischen dem Spielbereich und der begrenzenden Benjeshecke wurden flächig einheimische Sträucher gesetzt, die zudem das gewünschte Bestocken der Hecke unterstützen. Die Strauchpflanzungen wurden zusätzlich durch mehrere Hochstämme ergänzt. Diese können sich künftig durch den freien Stand zu großkronigen gesunden Gehölzen entwickeln und langfristig für eine ausreichende Beschattung sorgen.
Die noch vorhandene historische Bausubstanz wurde bewusst in die neue Gestaltung integriert. Die alten Klinkerpfeiler der ehemaligen Toranlage wurden in Teilen bis auf ihre sandsteinernen Sockel abgetragen. Diese begrenzen nun die neu eingebauten Treppenstufen. Somit entspricht der heutige Eingang zur Spielfläche wieder der historischen Zugangssituation. Ganz bewusst wurde in gemeinsamer Abstimmung aller Beteiligten auf den Einbau neuwertiger Materialien verzichtet. So wurden z. B. für die Treppenstufen alte Granitblöcke aus dem Bestand der Stadt Leipzig wiederverwendet. Die historische Bestandsmauer konnte durch im Zuge des Bodenaustausches aufgefundenen Naturstein überarbeitet werden. Einzelne
große sandsteinerne Zierelemente, die der „Roten Villa“ zugeordnet werden konnten, befinden sich nun als Relikte vergangener Zeiten verteilt auf dem Spielgelände.
Als jetzige Sitzgelegenheiten dienen alte Baumstämme, aufgefundene Findlinge, schlichte Lümmelbänke für die Kinder und Jugendlichen sowie ein einzelnes Bankelement.
Fazit
Die gesamte Maßnahme konnte im Sommer 2018 realisiert und an die Öffentlichkeit übergeben werden. Rückblickend ist festzustellen, dass dieses Projekt allen Beteiligten im Planungsprozess und in der Ausführung schwere Hürden aufzeigte. Es bestand eine Menge Diskussions- und Abstimmungsbedarf in Bezug auf den Umgang mit den doch sehr ungünstigen Voraussetzungen, die die Fläche für eine künftige Nutzung als Spielfläche aufzeigte. Im Ergebnis konnten diese Schwierigkeiten ausgeräumt und ein neuer eben nicht ganz gewöhnlicher Spielplatz für die Kinder und Jugendlichen des umgebenden Wohnviertels geschaffen werden. Ein Spielplatz - bald wieder - inmitten eines kleinen grünen Wäldchens.
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