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Internationales Fachmagazin für Spiel-, Sport- und Freizeitanlagen

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18.08.2019 - Ausgabe: 4/2019

Steigerung der Qualität von Spielflächen in einem wachsenden Stadtteil

Thorsten Vorberg (Quartiersmanagement Gropiusstadt, S·T·E·R·N Gesellschaft der behutsamen Stadterneuerung mbH)

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Berlin ist eine wachsende Stadt, was vor allem auf den Zuzug aus dem In- und Ausland zurück zu führen ist. Der Bevölkerungszuwachs ist in nahezu allen Teilen Berlins spürbar, selbst in den Stadtteilen am Stadtrand.

Die Gropiusstadt ist ein solcher Stadtteil. Durch seine Lage außerhalb des Berliner Stadtbahnrings und an der Landesgrenze zu Brandenburg hat er nach seiner Erbauung in den 1960er Jahren aber häufig eher Erfahrung mit einem Bevölkerungsrückgang denn mit –zunahme gemacht. Dazu trug nicht zuletzt auch die Veröffentlichung des Romans „Wir Kinder von Bahnhof Zoo“ von Christiane F. bei, der in drastischer Art und Weise die vermeintliche Anonymität in der Großwohnsiedlung und die Perspektivlosigkeit von Jugendlichen schilderte. Die Erzählungen im Roman verfestigten das schlechte Image der Gropiusstadt über Jahre bis heute. Im Roman wurden schwierige Lebensumstände der Bevölkerung im Allgemeinen und die Herausforderungen der randständigen Gruppen im Besonderen beschrieben. Leider blieb im Bewusstsein der Berliner*innen hauptsächlich das mit den Schilderungen einhergehende negative Image hängen, obwohl sich inzwischen vieles zum Positiven entwickelt hat. Der überwiegende Teil der Menschen lebt gerne in der Gropiusstadt, wozu die gute Nahversorgung, das Wegenetz im Grünen, die gut geschnittenen Wohnungen und die umfängliche soziale Infrastruktur beitragen.

Dennoch, selbst in den letzten 10 Jahren, als Berlin einen Anstieg um knapp 180.000 Bewohner*innen bzw. um 5,3 % erfuhr, schrumpfte die Bevölkerungszahl in der Gropiusstadt. 2007 wohnten noch 36.200 Menschen im Stadtteil, drei Jahre später waren es fast 800 weniger. Erst ab 2012 stieg die Bewohnerzahl dann wieder auf heute 36.900 Menschen an.

Die Wohnungsunternehmen investieren mittlerweile im großen Stil in die Entwicklung ihrer Gropiusstädter Bestände, Grünflächen werden erneuert und neue Wohnungen gebaut. Der Neubau konzentriert sich auf den östlichen Bereich der Gropiusstadt, in dem die landeseigene Gesellschaft degewo der Haupteigentümer ist. Dort sind in den letzten zwei Jahren 220 Wohnungen neu gebaut worden. Bis 2021 werden voraussichtlich 400 weitere hinzukommen. Damit einher geht ein zunehmender Nutzungsdruck auf die vorhandenen Grün-, Spiel- und Freiflächen. Auf Grund des Bevölkerungswachstums werden mehr wohnortnahe Freiflächen für Spiel, Erholung und Freizeit benötigt. Der Bedarf an Spiel- und Sportflächen für Kinder und Jugendliche ist als besonders hoch anzunehmen, denn eine Hauptzielgruppe bei den Neubauten stellen Familien mit Kindern dar. Bereits heute weist die Gropiusstadt im Vergleich zur Berliner Bevölkerung einen hohen Anteil von unter 18-Jährigen auf (18,6 % in der Gropiusstadt zu 15,7% in Berlin, Stand 31.12.2016). Und er wird noch weiter wachsen, da der Anteil der älteren Menschen, die damals als Erstmieter in die Gropiusstadt gezogen sind, immer geringer wird.

Die Nachverdichtung sorgt für den Wegfall einiger Grün- und Freiflächen. Insbesondere die von Kindern und Jugendlichen genutzten Flächen geraten in entsprechende Konkurrenz zu Neubauten. Diese Altersgruppe wird in der öffentlichen Diskussion um deren Bedürfnisse nach Sport, Spiel und Bewegung häufig vergessen. Das Quartiersmanagement (QM) Gropiusstadt, mit deren Umsetzung die S·T·E·R·N Gesellschaft der behutsamen Stadterneuerung mbH seit 2005 im Rahmen des Städtebauförderprogramms Soziale Stadt für die Gebietskoordination beauftragt ist, wollte im Jahr 2017 vor dem Hintergrund von Freiflächenverlusten und Bevölkerungszuzug von den Kindern und Jugendlichen in der Gropiusstadt erfahren, was sie zum Thema Grün- und Freiflächen bewegt und was sie sich wünschen.

Von vornherein war dem QM-Team und den Bewohnergremien und Netzwerkpartnern klar, dass nicht nur Informationen gesammelt werden sollten, sondern auch Geld bereitgestellt werden musste, um vorhandene Aufenthaltsorte für Kinder und Jugendliche im Gebiet aufzuwerten und zu verbessern. Dieses Geld stammt aus dem Städtebauförderprogramm „Soziale Stadt“. Sein Einsatz und die Ziele wurden mit den öffentlichen Verwaltungen auf Senats- und Bezirks-Ebene im Projekt „Verbesserung von Aufenthaltsorten für Kinder und Jugendliche“ festgelegt. Das Team des Quartiersmanagements war von da an gefordert, eine Beteiligung in der Zielgruppe durchzuführen und auf Basis der Ergebnisse einen kooperationswilligen Flächeneigentümer zu finden, um mit ihm die baulichen Maßnahmen umzusetzen.

 

Die Kinder und Jugendlichen antworten

Um die Kinder und Jugendlichen der Gropiusstadt zu erreichen, wurden die lokalen Schulen als geeigneter Partner ausgewählt. Mittels der durchgeführten Befragung sollte herausgefunden werden, welche Orte im Freien bei Kindern und Jugendlichen beliebt sind und welchen Verbesserungsbedarf sie an diesen sehen. Gleichzeitig sollten die Kinder benennen, welche Orte aus welchem Grund gemieden oder weniger häufig besucht werden.

Der Fragebogen wurde im Frühjahr 2017 mit Schulleiter*innen und Lehrer*innen erarbeitet. Anschließend besuchte das QM-Team drei Schulklassen einer lokalen Grundschule, um einen Pretest des Fragebogens durchzuführen. Die Schüler*innen des vierten bis sechsten Jahrgangs haben sich jeweils während einer ganzen Schulstunde mit dem Fragebogen und den ausgehändigten Plänen des Stadtteils beschäftigt, das QM-Team und der Lehrer bzw. die Lehrerin erläuterten die Rahmenbedingungen und beantworten Verständnisfragen. Ergebnis des Testlaufs war, dass der Fragebogen in dieser Form für die Altersgruppe geeignet ist und die Antworten auswertbar sind.

Nach den Sommerferien 2017 erhielten drei Schulen, davon zwei Grundschulen und eine Förderschule, bestehend aus Primar- und Sekundarstufe, vom QM altersgruppenspezifische Fragebögen, die durch die Lehrer*innen im Rahmen einer Unterrichtseinheit ausgeteilt und von den einzelnen Schüler*Innen bearbeitet wurden. Zuvor wurden die Kinder im Unterricht auf das Thema Grün- und Freiflächen bzw. Stadtteilentwicklung vorbereitet. Im Rahmen der im Jahr 2017 durchgeführten Befragung sind 267 Fragebögen ausgefüllt worden, die vom QM-Team ausgewertet und mit den bezirklichen Fachämtern besprochen wurden.

Als beliebt, aber gleichzeitig besonders verbesserungswürdig wurde der Spielplatz an der Lipschitzallee / Ecke Sollmannweg bewertet. Und tatsächlich ist das Areal mit über 1.700 m² relativ groß. Der Bereich ist durch dichte Vegetation zur Straße hin geschützt und bietet mehrere separate Spielräume (Fußball, Klettern, Sandspielfläche). Zum Zeitpunkt der Befragung existierten drei Spielgeräte (Holzschiff, Kletteranlage, Wippe), die angesichts der Größe des Spielplatzes kaum anregende Aktivitäten für die Kinder boten. Zudem verfügt der Spielplatz über einen kleinen, nicht eingezäunten Bolzplatz mit gepflastertem Untergrund und zwei festinstallierten, gut erhaltenen Fußballtoren. Auf derselben Fläche befindet sich eine Basketballanlage, die derzeit nicht bespielbar ist, da der Basketballkorb fehlt.

Das gesamte Areal des Spielplatzes ist mit Spielsand versehen, befestigte Wege existieren nicht. Der Sand erschwert das Laufen, er reduziert die Vielfalt an Spielmöglichkeiten, macht die Nutzung des Bolzplatzes gefährlich und erzeugt zudem einen wenig einladenden Eindruck.

Diese Defizite führten auch die Kinder in der Befragung auf, denn beliebt sind bei ihnen vor allem Mannschaftssportarten (insbesondere Ballspiele), Fang- und Rennspiele sowie Skaten und Roller- bzw. Fahrradfahren. Danach gefragt, welche Spielmöglichkeiten sie sich in der Gropiusstadt noch wünschen, wurden vor allem Klettermöglichkeiten und Skating-Flächen genannt. Aber auch die Aspekte Beleuchtung, Abfallbehälter, Sitzmöglichkeiten und blühende Pflanzen wurden erwähnt. Obwohl sich davon nur wenig auf dem Spielplatz an der Lipschitzallee wiederfindet, rangiert die Anlage bei den befragten 8- bis 10-Jährigen auf dem neunten Platz von 33 zur Auswahl stehenden bzw. genannten Grün- und Freiflächen in der Gropiusstadt, und er erreicht auch bei der Altersgruppe von 11 bis 13 die gleiche Platzierung. Die Begehung der Fläche an der Lipschitzallee / Ecke Sollmannweg durch das QM-Team zeigte, dass vor allem der Bolzplatz genutzt wird. Die weiteren Spielangebote des Spielplatzes erscheinen nicht (mehr) attraktiv. Bestätigt wurde diese Einschätzung durch die Einbeziehung von Jugendlichen im Alter zwischen 11 und 14 Jahren des örtlichen Jugendclubs UFO, die in der Anwendung des Computerspieles Minecraft erfahren sind. Die Ergebnisse der Befragung wurden der Minecraft-AG zur Verfügung gestellt, damit diese unter Anleitung der pädagogischen Kräfte den Spielplatz Lipschitzallee mit Hilfe von Minecraft nach ihren Vorstellungen und Ideen digital weiterentwickeln.

Entstanden ist dabei ein digitaler Spielplatz-Entwurf, der vieles von dem aufgreift, was die Gleichaltrigen in den Fragebögen vermerkt haben. Zusätzlich dachten die „Minecrafter“ außerdem an Fahrradbügel, eine Grillstelle und die Schaffung befestigter Wege. In den Vorstellungen der Minecraft-AG blieb der Bolzplatz erhalten, erhielt aber einen Ballfangzaun. An dessen Außenseite wurden Streetball-Flächen mit mehreren Basketballkörben vorgesehen. Auf dem Areal platzierten die AG-Teilnehmer zusätzlich einen Wasserspielplatz, eine große Kletterburg, eine Skating-Anlage, Tischtennisplatten und einen Sandspielbereich.

 

Verbesserung ist in Sicht. Mehr Grün zum Spielen.

Bestärkt durch die vielen Rückmeldungen aus der Befragung und die Vielzahl von Gestaltungsvorschlägen nahm das Quartiersmanagement-Team mit dem Eigentümer des Spielplatzes, dem Wohnungsunternehmen Gropiuswohnen, Kontakt auf und präsentierte die Ideen zur Neugestaltung. Die Vorschläge wurden sehr positiv aufgenommen: Gropiuswohnen unterstützte den Wunsch nach Verbesserung und Erneuerung des Spielplatzes und folgte den Ergebnissen der Befragung in weiten Teilen. Gropiuswohnen war bereit, zu den öffentlichen Fördermitteln aus dem Programm Soziale Stadt einen sehr hohen Eigenanteil beizusteuern, der sich auf rund zwei Drittel der Gesamtkosten des ersten Bauabschnitts beläuft und somit weit über der geforderten finanziellen Beteiligung von 10 % hinausgeht. Durch die Beantragung zusätzlicher Fördermittel aus dem Städtebauförderprogramm Zukunft Stadtgrün wird eine komplette Umgestaltung des Spielplatzes möglich und auch der zweite Bauabschnitt umgesetzt. Auch hier beteiligt sich Gropiuswohnen an den Kosten.

Der Eigentümer zog das auf Spielflächen und Beteiligung von Kindern spezialisierte Landschaftsarchitekturbüro Teichmann hinzu, das eine umsetzungsfähige Planung entwickelte. Auch diese Planung wurde auf Basis der Umfrageergebnisse erarbeitet. Lediglich zwei Ideen konnten nicht weiter verfolgt werden: der Wasserspielplatz aufgrund hoher technischer Anforderungen und die Errichtung einer Parcours-Anlage aus Platzmangel. Unter Erhalt eines größtmöglichen Teils der vorhandenen Strukturen, wie Zugänge, Beeteinfassungen und Vegetation, aber unter Wegfall der meisten Sandflächen, wurden vielfältige Spiel- und Sportangebote für die Altersgruppe der 8- bis 14-Jährigen geplant, die aus Schaukel-, Rutsch-, Skate-, Kletter-, Tischtennis-, Streetball- und Bolzmöglichkeiten bestehen werden. Die angestrebte räumliche Trennung des Streetball- und des Bolzangebots vermeidet zukünftig Konflikte zwischen den ballspielenden Kindern.

Ziel ist es, den Spielplatz zu einem attraktiven Kommunikations- und Aufenthaltsort umzugestalten - mit schöner und abwechslungsreicher Freiflächengestaltung, mit blühenden Pflanzen und ansprechendem Sitzmobiliar.

Den Projektbeteiligten ist eine positive Identifikation der Nutzer mit dem Ort wichtig. Das bedeutet, dass die über die Befragung und den Entwurf der Minecraft-AG eingebundenen Einrichtungen weiter am Prozess beteiligt bleiben. Die Kinder und Jugendlichen wurden bereits über die nächsten Schritte und wie ihre Ideen Berücksichtigung in der Umsetzung finden, informiert. Die weitere Beteiligung sieht vor, einige Einrichtungen der Gropiusstadt, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten, in die bauliche Umsetzung einer Teilmaßnahme einzubeziehen. Konkret geht es dabei um den Entwurf einer Sitzgelegenheit mit Kindern und Jugendlichen. Diese soll unter Anleitung mit den jungen Menschen gebaut werden. Die Baumaßnahme wurde im Frühjahr 2019 begonnen; nach Umplanungen während der baulichen Ausführung wird nach derzeitigem Stand (Juli 2019) der Abschluss im 4. Quartal des laufenden Jahres erwartet.

 

Foto: Thorsten Vorberg

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