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Internationales Fachmagazin für Spiel-, Sport- und Freizeitanlagen

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17.08.2020 - Ausgabe: 4/2020

Von der Rechnerhalle zum „Abakus“: Ein städtischer Platz für Spiel, Sport und Erholung im Herzen Potsdams

Von Stefan Reimann, hutterreimann Landschaftsarchitektur GmbH

Photo
©Christo Libuda (Lichtschwärmer)

Die Plantage ist einer von drei im 18. Jahrhundert angelegten grünen, baumbestandenen Stadtplätzen der Potsdamer Innenstadt und stellt einen wesentlichen Baustein für die Ablesbarkeit des historischen Stadtgrundrisses dar. Der ursprünglich sumpfige Grund wurde ab dem 18. Jhd. zunächst als Maulbeerplantage genutzt. Im Rahmen der barocken Stadterweiterung beherbergte das Areal Einrichtungen für den Hof und das Militär (Marstall, Pferdeställe, Reithalle, Pferdelazarett, Garnisonkirche und Exerzierplatz). Die Fläche wurde durch schmale Kreuz- und Diagonalwege gegliedert und mit Linden eingefasst. 1850 wurde die Plantage nach Plänen von Peter Joseph Lenné, dem großen Gartenkünstler und General-Gartendirektor der königlich-preußischen Gärten, zu einer großzügigen Grünfläche umgestaltet. In der Platzmitte blieb ein großzügiger Exerzierplatz frei, gerahmt von Lindenreihen. 

Die Zäsur des Zweiten Weltkrieges zerstörte den Patz und die östlich rahmende Bebauung einschließlich der Garnisonskirche. Ende der 1960er Jahre wurden die Reste der Kirche gesprengt, im Anschluss wurde ein Datenverarbeitungszentrum (Rechnerhalle) in Plattenbauweise errichtet. Die Nutzung wird nun verlagert, das Gebäude abgerissen. Die Freiräume wurden zerstört und überformt und befinden sich heute in einem übernutzten und vernachlässigten Zustand. 

Das angrenzende Stadtquartier und die Plantage inmitten / im Kreuzungspunkt sollen nun gemäß den Sanierungszielen der Stadt Potsdam als innerstädtisches Wohn- und Arbeitsquartier entwickelt werden. Die ostseitige Randbebauung, der sogenannte „Lange Stall“, wird in diesem Zusammenhang in seiner historischen Lage neu interpretiert errichtet.  Im Jahre 2016 wurde durch die ProPotsdam GmbH ein landschaftsarchitektonischer Wettbewerb für die Neugestaltung der Platzfläche ausgelobt mit der Aufgabenstellung einen repräsentativen, innerstädtischen Erholungsraum mit einer hohen Aufenthaltsqualität zu entwickeln. Daneben sollen wesentliche Nutzungen des Schulsports der angrenzenden Max-Dortu-Grundschule und Bewegungsangebote für die Freizeitnutzung angeboten werden. Begleitet wurde das Verfahren durch eine umfangreiche Kinder- und Jugendbeteiligung. Unter Anleitung des Brandenburger Künstlers Hans-Ulrich Kittelmann entstanden so Insektenhotels, Klangbäume und farbige Holzskulpturen, die den Platz punktuell beleuchten.

Im Entwurf des Berliner Büros hutterreimann Landschaftsarchitektur wird, in Anlehnung an Lennés Planung aus dem 19. Jahrhundert, das Element des doppelten Rahmens aus Rasenflächen und Baumreihen aufgegriffen. Die städtebaulichen Leitlinien des Stadtkanals im Westen und die des langen Stalles im Osten werden wie ehedem parallel verschoben, nun aber durch eine Verschiebung zweier Rahmen in sich spielerisch gebrochen. So entsteht eine Verschränkung von Innen und Außen, von Ort und Umraum. 

Der historische Baumrahmen (Linden) wurde im Bestand erhalten und ergänzt. Weitere wertvolle Bestandsbäume (Säulenpappeln, Götterbaum, Ulmen, Platanen und insbesondere die sogenannte „Lennéplatane, ein Relikt aus dem 18. Jhdt.) konnten in ihrer freien Anordnung in den Entwurf integriert werden. Lange Betonsitzelemente akzentuieren die Rahmen und laden zum Aufenthalt im lichten Schatten des Baumbestandes.

Der grüne Rahmen aus Bäumen, Sträuchern, Stauden und Rasenflächen fasst den Platz nach allen Seiten, bildet im Westen und Norden einen ruhigen, transparenten Abstandshalter zum Straßenverkehr und fungiert im Osten als grüner Puffer zwischen der neuen Wohnbebauung und dem stark genutzten Platz. Der zweite Rahmen aus hochwertigem Asphalt fungiert auch als Parkrundweg. Er nimmt gleichzeitig die 100-Meter-Bahn für den Schulsport auf und dient als 400 Meter-Rundlaufbahn. Lange Betonsitzelemente akzentuieren die Rahmen.

Im geschützten Inneren wird eine großzügige Multifunktionslandschaft aus farbigem Kunststoff (EPDM) für die zahlreichen Schul- und Freizeitsport- wie Spielnutzungen angeboten:

Ein Kleinspielfeld für Fußball, Handball, Basketball, Volleyball, etc., eine Weitsprunganlage, seitlich davon Tischtennisplatten, Streetball, eine Trampolinstrecke, und vieles mehr. Diese ebenen Flächen werden durch farbgleiche modellierte Teilflächen für BMX, Rollschuh, Lauf- und Fahrrad, Skater und informelles Spiel ergänzt. Wassergebundene Wegedecken im Bereich des Baumbestandes ermöglichen Boulespiel.

Im Zentrum des Platzes liegt der Sandspielbereich mit der eigens für die Plantage entworfenen Spielanlage des Spielraum-Designers Tilman Stachat (Spiel-Ahoi). Die ehemalige Rechnerhalle war namens- und themengebend. Entwickelt wurde eine Spielanlage, die assoziativ an einfache mathematische Symbole und an die alte Rechenmaschine „Abakus“ erinnert. Ein quadratisches Raster von 1,25 x 1,25 Meter bildet über ca. 200 m² die Grundlage für die konstruktiven Elemente. Stahlstützen in 2-3 Metern Höhe stehen an den Kreuzungspunkten, kombiniert mit horizontal montierten Verbindungshölzern in verschiedenen Höhen. In diese Konstruktion sind verschiebbare, überdimensionale Kugeln, Hangelgriffe, Seile und Kletterstangen integriert und bieten Klettermöglichkeiten unterschiedlicher Anforderungen wie Hangeln, Balancieren in verschiedenen Schwierigkeitsgraden, Klettern an Netzen und Schaukeln mit einer Nestschaukel. Große farbige Kuben (Maße im selben Raster von 1,25 x 1,25 x 1,25) sind in das Raster der Stahlstützen montiert und bilden kleine Räume als Versteck und Rückzug sowie gestalterische Akzente. Das Bewegungsspiel kann so auch von Kubus zu Kubus als Anfang und Ziel von den Kindern gewählt werden. 

Ein Klangspiel aus sechs schwingend gelagerten Stahlröhren ist auf einem der Horizontalhölzer montiert und kann erklettert werden.

Der 4,5 Meter hohe Rutschenturm mit Tunnelrutsche, konstruiert aus drei (scheinbar) übereinander gestapelten Kuben, steht zeichenhaft in der Spiellandschaft und bietet Rutschenspaß für Groß und Klein. 

Die Osthälfte der Plantage wird als leicht geneigte Rasenfläche mit Gymnastikwiese und einer rahmenden, staudenbepflanzten Böschung als Abgrenzung zur Erschließungsstraße  „An der Plantage“ modelliert. Auf der Rasenfläche wird in Erinnerung an die ehemalige Maulbeerplantage die “Kleine Plantage“ mit einem gerasterten Hain aus Solitärgehölzen mit besonders schönen jahreszeitlichen Aspekten - Blüten-,  Frucht- oder Blattschmuck - entwickelt, darunter auch Maulbeeren, in Erinnerung an die ursprüngliche Flächennutzung des Areals. 

Die Wiesenkissen, weich figurierte Betonelemente, laden zum entspannten Aufenthalt ein. So entsteht eine frohe Garten-Atmosphäre, ein kontemplativer Freiraum im lichten Kronenraum des gemischten Baumhaines.

Blühstaudenbeete verknüpfen entlang der Westseite des Platzes und in den Vorgärten der neuen Wohnbebauung beide Bereiche miteinander, führen die Plantage an das neue Quartier heran und überbrücken so selbstverständlich die erforderliche Erschließungsstraße aus historischem Kleinsteinpflaster. 

Die gesamte Platzfläche wird barrierefrei ausgeführt. Hier wird eine Vielzahl von unterschiedlichen Aufenthaltsmöglichkeiten angeboten, die jeglichen Wünschen nach Kommunikation, Privatheit, Komfort und Funktionalität nachkommt.

Hier, im Herzen der Landeshauptstadt, werden einem historisch bedeutsamen, repräsentativen Stadtplatz im Denkmalbereich die verschiedensten, formellen und informellen Spiel-, Freizeit- und Schulsportnutzungen eingeschrieben. Ruhe und Bewegung treffen unmittelbar aufeinander und erzeugen ein spannendes, generationsübergreifendes Neben- und Miteinander.

Die Vielfalt der Nutzungen und Bedeutungen des Ortes zwischen Ruhe und Dynamik, zwischen Aufenthalt und Repräsentation, Kommunikation und Kontemplation, Spiel,  Sport und Freizeitvergnügen für Jung und Alt bietet auf engem Raum nicht nur eine enorme Funktionsdichte - sie ist auch Ausdruck urbaner Lebensqualität im Neben- und Miteinander differenzierter Ansprüche, ein Novum und ein Experiment für die Stadt Potsdam. Geschichte und Zukunft begegnen sich im Hier und Jetzt, ein multicodierter Stadtraum entfaltet sich. 

 

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