Von Dirk Schelhorn (LS2 Landschaftsarchitekten und Beratender Ingenieur Schelhorn Lukowski Schnabel PartG mbB)
Mainkrokodile - Zwei Einrichtungen in privater Trägerschaft.
Eine moderne Villa, ehemals ein Konsulat, ein uncharmantes Bürogebäude direkt an der Bahntrasse. Beide Gebäude, im Süden von Frankfurt/M., umgeben von versiegelten Flächen, PKW-Stellplätzen. Denkbar ungünstige Vorrausetzungen für kreative Kinderwelten. Doch das bundesweite Defizit an Betreuungsplätzen für Kinder, sowie das Bedürfnis nach pädagogisch bester Begleitung schaffen Raum für neue Wege.
Der private Kindergartenträger „ Mainkrokodile“ hat es sich im Frankfurter Süden zum Ziel gesetzt, hochwertige, gesunde und bewegungsorientierte Orte für Kinder anzubieten. Jedes Projekt orientiert sich von Beginn an an den Bedürfnissen von Kindern unter sechs Jahren. Organisation, Architektur, Freianlagenplanung und pädagogisches Konzept entsprechen einander.
Das gelingt – auch an eigentlich nicht denkbaren Orten wie oben beschrieben: Leben und Arbeiten mit Kindern soll Wohncharakter haben. Der Kindergarten als ein Zuhause. Dann können es auch ungewöhnliche Orte sein – manchmal macht das sogar den besonderen Reiz aus.
Wer lebt schon in einer alten Villa, einem richtigen Haus mit Ecken, Kanten, Nischen, Treppenhaus, Keller und Küche? Und in einem bespielbaren Garten um das Haus herum? Oder in einem Bürogebäude mit ergänzendem Alltagsleben? Mit großen und kleinen Menschen! Und in einem Garten als Miniaturpark.
Die Not kann also zu einer sinnvollen Tugend werden. Neben dem Umgang mit Architektur und Umgebung wurde die Konzeption der Freianlagen zu einer besonderen Herausforderung, zumal beide Einrichtungen Kinder mit Handicaps selbstverständlich integrieren.
Die Grundidee beider Gärten folgt den Bedürfnissen von Kindern, sich die Welt selber erobern zu können. Vom Krabbel- und Lauflernalter bis zu den großen Drei- bzw. Sechsjährigen. Keine Grenze trennt die Altersgruppen, sondern gestaltete Bereiche, die die Kinder mit unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden herausfordern.
Der Filter ist der Entwicklungsstand des einzelnen Kindes. Die Angebote sind die Herausforderung. Die Kinder haben in den fünf Kindergartenjahre keine Langeweile. An den Älteren erleben die Jüngeren, was möglich ist, Kinder werden für Kinder Vorbilder. So kann der altersübergreifende Kindergarten gelingen – die Freianlagen müssen dafür gesunde Voraussetzungen schaffen.
Kennedyallee: das „Umspielbare Haus“
Das „umspielbare“ Haus an der alten Villa konnte erreicht werden, indem PKW-Stellplätze in Fahrradparkplätze umgewandelt werden konnten. Die Notzufahrt wurde als Spielort integriert.
Für die Altersamplitude von 1 – 6 Jahren entstand ein offenes Konzept.
Der Eingangsbereich empfängt alle Menschen als Verweilpunkt mit Bodentrampolin und Fahrradständern als Turn- und Kletterstangen. Von hier aus geht es in das Haus - oder weiter in den Garten.
Die „kleine“ Welt für die jüngeren Kinder besteht aus einer modellierten Kleinlandschaft mit unterschiedlichen Rückzugsräumen und Experimentierecken. Eine zentrale Versteck-Kiste auf Federn bietet Ruhe, aber auch körpernahe Erfahrungen durch den Federmechanismus. Die eigene Bewegung überträgt sich auf die Kiste. Der Vorbildcharakter besteht darin, dass auch kleine Kinder sich teilweise unbeaufsichtigt entfalten können. Dementsprechend sind die Spielangebote sehr anspruchsvoll.
Rasenfläche als Multifunktionsspielfläche
Die zentrale Rasenfläche als Multifunktionsspielfläche verbindet den U-3 Bereich mit der Intensivkletterlandschaft mit Baumhauscharakter.
Kinder begeben sich auf den Weg, um Herausforderungen zu erleben, dabei erobern sie neue Horizonte: reale Welten und die Erweiterung eigener Horizonte. Dem Prinzip folgt die Kletterlandschaft. Diese ist von zentraler Bedeutung.
Um eine große Linde wickeln sich viele verschiedene Wege. Über Stock und Stein. Es geht hoch und runter, kreuz und quer. Fast nach jedem Schritt können Entscheidungen über den weiteren Verlauf der Kletterei getroffen werden.
Höher oder wieder runter? Kraftvoller oder leichter? Um die Ecke oder geradeaus?
Statisch oder wackelig? Hier gilt echt das Prinzip der eigenen Entscheidung. Scheitern oder Erfolg.
Die Anhäufung von Bruchsteinen, das kleine Gebirge, ist zudem eine Multifunktionsarena zum Treffen, für Kleingruppen oder angeleitete Spiele. Oder eine Springstation. Springen, rauf und vor allen Dingen runter, ist eine der zentralsten und notwendigsten Bewegungsformen für Kinder unter elf Jahren.
Der gesamte Mensch übt die Balance, es braucht Mut. Es fördert die Geschmeidigkeit von Muskeln, Knochen, Sehnen und Bändern. Die Grundveranlagung für ein gesundes Knochen- und Muskelbild, aber auch ungesunde Fettzellen werden in den ersten fünf Lebensjahren festgelegt.
Die Kletterarena umfasst mehrere Gewerke. Besonders mitgewirkt hat hier die Fachfirma Rathschlag aus Löhnberg. Gemeinsam konnten schon bei der Planung die Grenzen und Möglichkeiten ausgelotet werden, so viele Anreize wie nur möglich den Kindern zu bieten.
Der Wasserspielbereich ist eine Verbindungsfläche zwischen den älteren und jüngeren Kindern. Die Kreiselpumpe ist für alle Kinder erreichbar und leicht zu bedienen.
Der Rundgang durch den Garten der Kindervilla kommt nun an der Experimentierfläche an. Eine offen gelassene Bodenfläche mit viel losem Material.
Hier wird gebaut und gebuddelt, gekrabbelt und gelaufen – gemeinsam!
Die Kinder können nicht nur täglich um das Haus spielen. Im Verlauf der Kindergartenzeit wechseln und wachsen die Herausforderungen um das Haus herum.
Hedderichstraße: neue Maßstäbe bei U3
Die Mainkrokodile, der Träger, setzen auch bei den „Kleinen“ neue Maßstäbe.
Der Garten am Bürogebäude, ehemals ein PKW-Abstellplatz, sollte auf kleinem Grundstück, 200 - 250m², eine ganze Welt für Kinder unter drei Jahren ermöglichen.
Für diese Altersgruppe ist Bewegung mehr denn je Motor der Persönlichkeitsentwicklung. Alles ist Spielen und Bewegen – Spielen und Bewegen in einer maßstäblichen Landschaft.
Der Grundgedanke der Planung ist ein Garten! Zonierungen fließen ineinander. Kleine „Rauf- und Runterlandschaften“, Materialvielfalt, bespielbare und natürliche Zäune. Die Welt wird lustvoll und körperbetont erfahren. Die Sinne leiten die Kinder.
Eine Weltenschaukel ist das Kuschelnest für die ganz Kleinen oder der Schaukelkokon für die Älteren. Dieser kleine Garten kann nur durch das „Sich-hindurch-spielen“ erlebt werden. Und zwar sehr bodennah.
Dem Sinn der gesunden Kindheit wird ein Garten geboten.
Beide Einrichtungen wurden mit dem Team entwickelt. Pädagogische und entwicklungspsychologische Ansätze, die ein Qualitätsmerkmal aller Einrichtungen der Mainkrokodile sind, bilden auch die Grundlage für eine echte, an Kindern orientierte Freiraumrealisierung.
Weitere Informationen:
Volumen
Kennedyallee ca. 200.000
Hedderichstraße ca. 90.000
Planungszeit 6 Monate
Bauzeit 6 Monate bzw. drei Monate
Realisierung 2019/2020
Auftraggeber/Träger
Mainkrokodile gGmbH / www.mainkrokodile.de
Freianlagen
Planung Beratung Entwicklung
Schelhorn Landschaftsarchitektur
Seit 1.1.2021
LS2 Landschaftsarchitekten und Beratender Ingenieur Schelhorn Lukowski Schnabel PartG mbB
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