Von Maik Böhmer (Planorama Landschaftsarchitektur)
Eine gute Autostunde von Nürnberg und Würzburg entfernt, findet man im mittelfränkischen Städtchen Wassertrüdingen am Fuße des Hesselberges alles, was man von einer fränkischen Landidylle erwartet. Als kleinste Gemeinde, die sich bisher um eine Gartenschau beworben hat, stemmte die 6.000-Seelen-Kommune dieses große Fest im Jahr 2019 mit Bravur und schuf dabei ein Gesamtkunstwerk, das unvergessen nachwirkt.
Mit seinem Beitrag im freiraumplanerischen Wettbewerb konnte das Berliner Büro Planorama Landschaftsarchitektur im Jahr 2015 die Fachpreisrichter überzeugen und so den 1. Preis und damit auch den Auftrag für die Planung des etwa 14 ha umfassenden Gesamtgeländes erzielen. Unter dem späteren Motto „Vom Glück einen Schatz zu finden“ sollte innerhalb von vier Jahren eine Schau geplant und realisiert werden, die am Ende von etwa 340.000 Interessierten besucht wurde. Ein großer Erfolg für die Stadt und die Region.
Die Besonderheit in Wassertrüdingen besteht in der räumlichen Aufteilung des Gartenschaugeländes in zwei getrennte Bereiche, die je etwa 7 ha Fläche umfassen. Dazwischen, ein Spaziergang durch die Altstadt. Südlich, direkt dem historischen Altstadtkern vorgelagert, findet sich der Wörnitzauen-Park. Etwa einen Kilometer entfernt, am nördlichen Stadtrand gelegen, befindet sich mit dem Klingenweiherpark der zweite Teil. Durch die räumliche Trennung und die an den jeweiligen Orten vorgefundenen Qualitäten sind zwei sehr unterschiedliche Räume entstanden.
Neben dem Hauptziel für zahlende Besucher eine überzeugende und abwechslungsreiche Veranstaltung während der fünfmonatigen Gartenschau zu bieten, wurden im Rahmen der hinterlegten Förderprogramme von EU, Bund und Ländern vor allem dauerhafte und nachhaltige Entwicklungsziele verfolgt. Diese waren für die beiden Teilbereiche durchaus unterschiedlich.
Wörnitzauen-Park – Spielen am Wasser
Im Bereich der Wörnitzaue war der Anlass ein Beschluss des Wasserwirtschaftsamtes Ansbach, für die Kommune einen dauerhaft baulichen Hochwasserschutz zu errichten, der sich nördlich und südlich der Stadt bereits in Ausführung befand. Im sensiblen Altstadtbereich sollte jedoch eine Lösung gefunden werden, die sich bestmöglich und unauffällig in die räumliche Gesamtsituation einfügt, ohne negative Folgen für das Stadtbild zu erzeugen.
Planorama Landschaftsarchitektur entwickelte die überzeugende Lösung, einen Erddeich zu errichten, der optisch jedoch kaum auffällt. Die Besonderheit besteht in der Verlegung eines Teilabschnitts der Wörnitz in ihr historisches Bett, um hier die Fließlänge des Gewässers zu erhöhen und damit einen natürlichen und barrierefreien Fischaufstieg im Sinne der europäischen Wasserrahmenrichtlinie zu ermöglichen. Gleichzeitig konnte dadurch eine neue Halbinsel entwickelt werden, auf der die Geländegefälle so gestreckt wurden, dass die Deichfunktion optisch verschwindet. Romantisch dem Motiv aus Stadtmühle und Sägewerk am neuen Mühlweiher vorgelagert, ist so unmittelbar an der Stadt eine ganz neue Parkfläche für die Bewohner und Besucher entstanden.
Passend zum Thema wurde an den Ufern der Halbinsel ein naturnaher Wasserspielplatz errichtet. Der Bereich wird geprägt durch natürliche Materialien wie unterschiedlich große Flusskiesel, die einen natürlich anmutenden Strand nachbilden, auf dem ein hölzerner Wels gestrandet ist. Die etwa fünf Meter lange Holzskulptur in abstrahierter Form des Fisches lädt zum Klettern und Balancieren ein. Vom oberen „Rücken“ lässt sich dem Plätschern der Wörnitz lauschen und der Blick schweift über die artenreichen Wiesen der Schutzgebiete, auf denen die Störche nach Nahrung suchen, bis hinüber zu den saftigen Wäldern des Oettinger Forstes.
Weiter lässt sich auf den geschälten Holzstämmen, die aus den vorangegangenen Rodungsarbeiten zurückbehalten wurden, und einzelnen Trittsteinen im Fluss vortrefflich hüpfen und tollen. In der sommerlichen Hitze spendet das kühle Nass eine willkommene Erfrischung. Auf ganz natürliche und wenig vorgegebene Weise können die Kinder hier inmitten der Natur ihre Sensorik und Motorik spielerisch trainieren und den Bereich gemeinsam mit dem Fluss immer wieder neugestalten.
Für die Älteren gibt es in unmittelbarer Ufernähe fest installierte Holzliegen, einige große Schaukeln sind auf der Halbinsel verteilt.
Klingenweiherpark – Spielerlebnis unter Bäumen
Im Bereich der Klingenweiher taucht der Besucher ein in eine wilde Naturlandschaft, bestimmt von drei Weihern unterschiedlicher Größe als Relikte aufgelassener Tongruben. Topografie spielt in diesem Teil der Gartenschau eine wesentliche Rolle und ist prägend für die Raumabfolge. Verbindendes Element ist der markante, in einer goldenen Hülle gefasste Weihersteig.
Die architektonische Gesamtskulptur arbeitet sich in expressiver Form über etwa einen Kilometer Länge vom größten der drei Weiher hinauf zur Spitze der ehemaligen Erd- und Bauschuttdeponie, die nach ihrer Umgestaltung nun einem japanischen Garten gleicht. Der Bereich wurde mittelfristig als neuer Quartierspark für die umliegend ausgewiesenen Wohnbauquartiere entwickelt, die sukzessive bebaut werden.
Im südlichen Bereich des Klingenweiherparks liegt, gefasst zwischen Weiherdamm und der Schwarzkopf-Wohnsiedlung des gleichnamigen Haarpflegemittel-Herstellers aus den 1950er-Jahren, der neu entstandene Waldspielplatz. Zu Beginn der Planung wurde der Bereich geprägt durch eine parkartige Lage der Wohnhäuser mit weitläufigen gepflegten Rasenflächen, dazwischen prächtige und alte Einzelbäume. Begrenzt wird der Blick durch den etwa drei Meter hohen Weiherdamm, der den Raum an zwei Seiten fasst, der Bereich des heutigen Waldspielplatzes zeigte sich als eher trostloses Rasenspielfeld.
Dauerhaft sollte hier für die Wohnsiedlung und die neuen Wohnquartiere ein Spielplatz entstehen, der für alle Altersgruppen attraktiv und nutzbar ist. Für die Zeit der Gartenschau lag der Spielplatz unmittelbar angrenzend an den Bereich der Hauptgastronomie: während die Eltern speisten, konnten die Kleinen beim Spielen und Toben beobachtet werden. Geblieben ist nach der Schau ein wunderbarer Spielplatz, eingebettet in die Parklandschaft unter alten Bäumen, die teilweise direkt in die Fläche integriert sind.
Der thematisch dem Ort angepasste Entwurf wurde im Büro Planorama aufwendig durch Modelle, analog und in 3D am Rechner, entworfen und entwickelt. Nach Auftragsvergabe wurde der Entwurf gemeinsam mit der Firma Emsland Spiel- und Freizeitgeräte GmbH & Co.KG in Kooperation mit Martin Langner Spiel- und Freiraumobjekte weiterentwickelt und unter Beachtung geltender Normen und Anforderungen der Stadt verfeinert. Besonders herausfordernd war auch das verbleibende, kurze Zeitfenster zwischen Vergabe des Bauauftrages und Eröffnungstermin der Gartenschau. Vom Herbst 2018 bis zur Eröffnung im Mai 2019 verblieben nur wenige Monate, in denen alle Geräte zu Ende entwickelt, gebaut und montiert werden mussten.
Das Thema der prägenden vertikalen Stämme wurde aufgenommen und in eine Stangen-Architektur übersetzt, die als Haltekonstruktion der einzelnen Spielgeräte durchgängig angewendet wird und sich gleichzeitig wunderbar mit der Umgebung verbindet.
Als zweite Gestaltungsebene wurden, alle Geräte verbindend, vier unterschiedliche Grüntöne festgelegt, die zusammen mit Holzoberflächen und Naturtönen eine artifizielle Verbindung mit dem umgebenden Blätterdach und dem Grün des Rasens eingehen und alle Geräte einen.
Die große, mit hellem Fallschutzkies ausgeführte Fläche nimmt insgesamt zehn Spielobjekte unterschiedlicher Größe auf, die zwischen, an und um die Bäume platziert sind. Der alte Baumbestand spendete von Beginn an Schatten an heißen Sommertagen. Neben einer Gruppe kleiner „Waldpilze“ als schräge, wackelnde und rotierende Balancierscheiben, diversen Kletterstangen und Schaukeln sowie einer Kletterkombination mit „Wackelwäldchen“ bilden das Baumhaus und der Baumschichtenturm mit Tunnelrutsche die Höhepunkte des Spielplatzes.
Um die Bäume sind Sitz- und Kletterplateaus installiert, auf denen ausgeruht und beobachtet werden kann.
Eine ebenfalls geplante große Hangrutsche fiel endgültig leider der Kosteneinsparung zum Opfer.
Nichtsdestotrotz entstand ein wunderbarer, individueller Spielplatz, der dauerhaft nach der Gartenschau verbleibt und allen Altersgruppen im Quartier einen attraktiven Kommunikations- und Lernort bietet. Die Individualität der Gestaltung wertet die angrenzende Wohnsiedlung deutlich auf und bildet eine Adresse, die man im Stadtraum kennt.
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