Die Kita Bärenhöhle: geplant als Erlebniswelt innen und außen
Von Architekturbüro Ralph Thater
Die Kindertagesstätte Bärenhöhle in der ostfriesischen Samtgemeinde Esens wurde für 7 Gruppen geplant. Zwischen Schulzentrum Esens-Nord und dem neuen Baugebiet am Armenland können in vier Regelgruppen (davon zwei integrativ) und zwei Krippengruppen unter einem Dach bis zu 130 Kinder betreut werden. Hinzu kommt ein Nachmittags-Hort mit maximal 20 Kindern im Grundschulalter.
Der zentrale zweigeschossige Forumsbereich kann zudem für größere Veranstaltungen genutzt werden und hat eine besondere zentrale Bedeutung.
Durch den guten Brandschutz des Gebäudes und eine ausreichende Anzahl von Flucht- und Rettungswegen kann auch der innere Bereich des Gebäudes inklusive der Flure zum Spielen genutzt werden. Denn gerade in der küstennahen Gegend (3,5 km von der Nordsee entfernt) gibt es nicht immer nur schönes Wetter. Zahlreiche Sitzgelegenheiten und Verstecke sowie eine Rutsche, die parallel zur zentralen Treppe vom ersten Stock in das Forum führt, motivieren die Kinder zum Erkunden ihrer Umgebung. Außerdem wurde im Obergeschoss ein engmaschiges Edelstahlgewebe der Firma Carlstahl über die gesamte lichte Höhe gespannt, das als sichere Absturzsicherung dient und zugleich eine Vielzahl an Blickbeziehungen eröffnet.
Eine ebenso große Rolle spielt die Netzkonstruktion für das Lichtkonzept des Gebäudes. Oberlichter in den Außenwänden ermöglichen eine effektive Belichtung des zentralen Raums. Ergänzt werden sie durch großflächige Fenster in den Hauptfassaden. Im Außenbereich zur Südseite ermöglichen zusätzliche Sonnenschutzsegel, die im Winter entfernt werden können, eine Anpassung an jahreszeitliche Gegebenheiten mit geringem technischem Aufwand. Wenn das Wetter dann doch mitspielt, lädt der abwechslungsreiche Außenbereich zum Spielen und Toben ein. Die großzügig geplanten Bewegungsflächen sind auf die unterschiedlichen Altersgruppen abgestimmt. Aus den einzelnen Gruppenräumen ist der Außenbereich direkt zugänglich. Die Außenfläche umrahmt das Gebäude von vier Seiten, sodass die Kinder beim Spielen auch zwischen den Gruppen interagieren können. Zusätzlich führen aus dem Obergeschoß zwei Notrutschen ins Außengelände und schlagen damit eine zusätzliche spielerische Brücke zwischen Innenbereichen und Außenfläche. Die Gestaltung des Außenbereiches bietet viel Raum für freies Spiel und erfüllt damit den Charakter der Weite der ostfriesischen Gegend. In durchdachtem Maß reichern Spielgeräte des Herstellers Proludic den Spielraum an und bieten abwechslungsreiche Spiel- und Koordinationsangebote für die Kinder. Gleichzeitig bleibt ausreichend Platz, um auf natürlichem Rasen Ball zu spielen.
Gestaltung und Materialien
Der Massivbau des Gebäudes aus Beton und Kalksandstein ist durch seine Sichtbetondecken präsent.
Die herausgezogenen Baukörperbereiche aus BBS (Brettschichtholz) sind im Inneren ebenfalls als Sichtholzbereiche ausgeführt und bilden somit einen Kontrast zu den Sichtbetondecken. Durch den Wechsel von Materialien und Farben entsteht ein erlebnisreiches Gebäude. Verstärkt wird dies durch verschiedene Putzarten und insgesamt acht bunte Farben und drei neutrale / unbunte Farbtöne wie Grau und Weiß, welche im Kontrast stehen. Im Außenbereich harmonisieren die Farbtöne der Spielgeräte mit dem Farbkonzept. Die bunten Farben der Kleinkinderschaukeln und der Kletterkombination wechseln sich auch hier mit neutralen Farbgebungen ab. Die gewählten Materialien der Spielgeräte vorwiegend aus Stahl und Verbundwerkstoffen gewährleisten den nachhaltigen Erhalt der Farbe, andererseits Nachhaltigkeit in der Stabilität bei anspruchsvoller Nutzung. Direkt neben dem Eingangsbereich sind speziell Spielgeräte für den Kleinkindbereich verortet. Zwei Gruppenschaukeln, abwechslungsreiche Spielanlagen zum Krabbeln und Erkunden sowie ein Sandkasten sprechen in besonderem Maße die Zielgruppe der Krippenkinder U3 an. Ein besonderes Highlight bildet die eigens angelegte Bobby-Car-Rennstrecke, die sogar mit eigenen kleinen Verkehrszeichen wie Zebrastreifen ausgestattet wurde. Im weiteren Verlauf des Außengeländes laden Gruppenschaukeln, Sandspielbereiche, Kletter-Parcours und Wipper zu ausgelassenem Spiel an der frischen Luft ein. Und wenn dann der Hochsommer auch an der Nordseeküste Einzug hält, erfrischt das Wasserspiel mit Förderschraube.
Die Architekturtheorie
Bei der Planung des Baukörpers wurde stets auf eine gradlinige und kompakte Bauweise geachtet, die ein energetisch optimiertes Gebäude ermöglicht und dem Leitsatz form follows function folgt. Die heraus- und hereingeschobenen Baukörperbereiche spiegeln sich sowohl in der Außenfassade als auch im Innenbereich des Gebäudes wider und werden als Räumlichkeiten für die einzelnen Gruppen genutzt.
Durch die energetisch optimierte Ausführung des Gebäudes (Hülle in Passivhausniveau), sowie die Nutzung erneuerbarer Energien (wie beispielsweise Geothermie mittels Wärmepumpen, oder Sonnenenergie mittels PV-Anlage) ist das Gebäude zukunftsfähig geplant. Konzeptionell lässt sich dies somit zeitgemäß in form follows function and energy übertragen.
Kindergerechte Akustik
Doch nicht nur optisch, auch akustisch ist das Gebäude ganz auf die jungen Nutzer ausgerichtet. Die Raumakustik und besonders die Nachhallzeit sind für Kindertagesstätten ein wichtiges Kriterium.
Letztere sollte für Kinder und ErzieherInnen möglichst niedrig gehalten werden, um eine unangenehme Geräuschkulisse zu vermeiden und die Verständlichkeit von Tönen und Sprache zu steigern. Um die Raumakustik weiter zu optimieren, entschieden wir uns für Akustikelemente, die, an Decken und Wänden angebracht, einen visuellen Kontrast zum Untergrund bilden.
Fazit
Der architektonischen Auffassung nach ist es erstrebenswert, eine Architektur zu schaffen, die durch viele Blickbezüge, Details und unterschiedliche entstehende Flächen dem Betrachter auch bei mehrmaligem Begehen eines Gebäudes neue Eindrücke und Erlebnisse ermöglicht, die zuvor nicht wahrgenommen wurden.
Architektur sollte immer ein besonderes Erlebnis bedeuten, da Menschen durch ihre Umgebung und Umfeld geprägt werden.
Der Mehrwert detailreicher und gutdurchdachter Lösungen wird oftmals in der Vorplanung abgetan und nicht ausreichend bedacht. Bei der Entwicklung meiner Entwurfskonzepte suche ich daher nach Möglichkeiten, detailreiche und wirtschaftliche Lösungen hervorzubringen, die das Gebäude für den Betrachter erlebnisreich und lebhaft machen. Ein weiterer entwurfsbestimmender Faktor ist auch immer die Energieeffizienz. Diese ist zunehmend wichtig und daher prägend bei der
Baukörperentwicklung, sowie für die Wahl der Baumaterialien, Anlagenkomponenten und eingesetzten Energieträger.
Bei der hier ausgeführten Kita war es durch den umfänglichen Auftrag und den überaus motivierten Bauherrn möglich, in allen entscheidenden Bereichen (innen und außen) planerisch die „Zügel“ in der Hand zu halten und das geplante Konzept auch umzusetzen. Mit der „Bärenhöhle“ in Esens ist eine moderne und in allen Bereichen überzeugende Kindertagesstätte entstanden. In nur 2,5 Jahren nach Auftragserteilung konnte die Kita im September 2020 in Betrieb gehen. Der Zeitplan war eng getaktet und trotz Corona wurde das neue Vorzeigeobjekt wie geplant fertig. „Die Krise hat den Bau nur punktuell beeinträchtigt. Im Großen und Ganzen jedoch konnten alle Gewerke dem Bauzeitenplan entsprechend abgearbeitet werden“, so Ralph Thater. „Mit dieser Kindertagesstätte hat die Samtgemeinde Esens ein neues Zeitalter beschritten.“, so die Worte von Samtgemeindebürgermeister Harald Hinrichs während der Einweihung am 12. September 2020.
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