Stadt fair teilen - was kann Planung beitragen?
Unsere Städte sind über Jahrhunderte gewachsen, darin spiegelt sich auch die Geschichte der städtischen Gesellschaft, wer hatte das Sagen, für wen waren welche Berufe zugänglich. Stadt ist ein...
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Playground@Landscape: Was bedeutet "Bildung für nachhaltige Entwicklung"?
Ursula Heinen-Esser: Bildung für nachhaltige Entwicklung – oder kurz BNE – soll Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen zu verantwortungsvollem Handeln befähigen. Gerade im Zuge der großen Herausforderungen unserer Zeit ist es wichtig, dass Menschen ökologische, ökonomische und soziale Entwicklungen richtig einordnen und bewerten können. Bildung ist ein zentraler Schlüsselfaktor für ein generationengerechtes und nachhaltiges Leben und wir sind hierzu mit einer Vielfalt von Angeboten und Initiativen aktiv: Zum Beispiel mit unseren 25 BNE-Regionalzentren in NRW. Als außerschulische Lernorte ergänzen sie mit ihren partizipativen, erfahrungs- und handlungsorientierten Angeboten die Bildungsprozesse von Kindern und Jugendlichen. Ich finde es auch wichtig, junge Menschen zu fragen, was sie brauchen und ihre Perspektiven in die Politik mit einzubeziehen. Auf dem diesjährigen BNE-Festival NRW diskutierten wir deshalb mit Jugendlichen aus verschiedenen Bildungsbereichen über deren Wünsche und Zukunftsvorstellungen. Mit der Fortschreibung der NRW-Landesstrategie werden wir BNE zudem auch in den nächsten Jahren in allen Bildungsbereichen weiter ausbauen und entwickeln.
P@L: Wie wird sich Ihrer Meinung nach der Klimawandel auf unser öffentliches Zusammenleben in Zukunft auswirken?
Ursula Heinen-Esser: Der Klimawandel ist die größte ökologische und in der Folge auch ökonomische Bedrohung unserer Zeit. Die ersten massiven Folgen sind auch bei uns längst zu spüren: Wetterextreme nehmen zu, es fällt über längere Perioden zu wenig Niederschlag, dann in Form von Starkregen zu viel. Wir müssen uns mit aller Kraft dafür einsetzen, die Klimaänderungen so gering wie möglich zu halten. Gleichzeitig müssen wir uns bestmöglich auf die unumkehrbaren Änderungen einstellen, nötige Anpassungsmaßnahmen vornehmen und uns aktiv schützen. Als erstes Bundesland haben wir hierzu ein eigenständiges Klimaanpassungsgesetz auf den Weg gebracht. Das Gesetz fordert, Klimaanpassung bei Entscheidungen zu berücksichtigen. Dabei geht es um sehr konkrete Fragen: Wie gehen Kommunen mit Hitze um, wo schaffen sie Abkühlung und durch welche Maßnahmen? Von zentraler Bedeutung sind dabei vor allem der Ausbau grüner Infrastruktur und ein angepasstes Wassermanagement. Klimaanpassung ist Daseins- und Zukunftsvorsorge.
P@L: Die Rolle des öffentlichen Raumes wird immer wichtiger: Wie müssen öffentliche Freiräume in Zukunft geplant werden, um den Herausforderungen von Klima und Umweltschutz gerecht zu werden?
Ursula Heinen-Esser: Öffentliche Freiräume bieten den Menschen Erholungs- und Freizeitmöglichkeiten und erhöhen unsere Lebensqualität. Mit zahlreichen Initiativen und Förderangeboten unterstützen wir deshalb den Ausbau der grünen und blauen Infrastruktur. Zum Beispiel mit dem gerade gestarteten Aufbauprogramms REACT-EU: Gefördert werden unter anderem die Entsiegelung von Flächen zur ökologischen Aufwertung, das Anlegen naturnaher Wasserflächen sowie größere Blühflächen, aber auch das Anpflanzen von Bäumen. So entstehen Lebensräume für die biologische Vielfalt und gleichzeitig steigt die Lebensqualität der Bürgerinnen und Bürger. 20 Millionen Euro stehen alleine für dieses Projekt aus Mitteln der EU zur Verfügung. In den kommenden zehn Jahren investieren das Land Nordrhein-Westfalen und die Wasserverbände zudem rund 250 Millionen Euro in zahlreiche Maßnahmen, die zu einer klimasicheren Zukunft beitragen.
P@L: Wie stehen Sie zu einem „European Green Deal“? Wird unsere Industrie mit den Herausforderungen fertig werden?
Ursula Heinen-Esser: Nachhaltige Transformation kann nur gemeinsam gelingen. Wir müssen jetzt die Weichen stellen, um klimafreundlicher, ressourceneffizienter und nachhaltiger aus der Krise hervorzukommen. Der „European Green Deal“ definiert eine neue Werteperspektive, indem alle politischen Entscheidungen vor dem Hintergrund der Endlichkeit unserer Ressourcen und natürlicher Lebensräume getroffen werden müssen. Folglich gilt es, Ressourcen zu schonen und nachhaltig zu handeln. Das gilt auch für die Industrie, die wir mit einem Sonderprogramm ermutigen möchten, in fortschrittliche Produktions- oder Recyclingtechnologien zu investieren: Das Land NRW stellt seit Beginn des Jahres bis zu zehn Millionen Euro für den Ausbau der Kreislaufwirtschaft und zur Steigerung der Ressourceneffizienz in produzierenden Unternehmen zur Verfügung. Nachhaltiges Wirtschaften schafft Wettbewerbsvorteile und Arbeitsplätze.
P@L: Wie kann die Politik dabei helfen, öffentliche Planungen und Baumaßnahmen klima- und umweltgerechter zu gestalten? Für wie nachhaltig halten Sie Planung, Bau und Unterhalt von Spiel-, Sport- und Freizeitanlagen heutzutage?
Ursula Heinen-Esser: In den stark versiegelten Innenstädten schützen Grünflächen die Bewohner effektiv vor Lärm, binden Feinstäube und dienen dem Klimaschutz. Mit unserer Initiative zur Hausbegrünung fördern und informieren wir deshalb die Bürgerinnen und Bürger finanziell und durch individuelle Beratungsleistungen. Eigentümer, Architekten und Stadtplaner können mittels einem online verfügbaren Gründachkatasters abschätzen, ob Dächer für eine Begrünung geeignet sind. Zeitgleich unterstützen wir die Informationskampagne „Mehr Grün am Haus“ der Verbraucherzentrale NRW zur Begrünung privater Grundstücke und Gebäude. Mit einem weiteren Förderprogramm „Klimaresilienz in Kommunen“ unterstützen wir die Kommunen bei der Entwicklung klimaangepasster öffentlicher Räume. Die Maßnahmen zielen unter anderem darauf ab, Hitzeinseln in stark verdichteten Bereichen unserer Städte abzumildern und die Aufenthaltsqualität zu steigern.
P@L: Das Umweltministerium hat zahlreiche Wettbewerbe zur Förderung von Umweltinnovationen ins Leben gerufen. Was steckt dahinter?
Ursula Heinen-Esser: Die Corona-Pandemie hat gezeigt, wie wichtig krisensichere Geschäftsmodelle sind. Durch gezielte Förderwettbewerbe wie etwa dem Aufruf „InnovationUmweltwirtschaft.NRW“ oder dem „Sonderprogramm Umweltwirtschaft“ stellen wir die Weichen für eine umweltfreundlichere Wirtschaftsweise und schaffen attraktive und wettbewerbsfähige Arbeitsplätze für ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum. Ich finde es beeindruckend, mit welcher Kreativität und Professionalität die Akteure der Umweltwirtschaft in NRW zentrale Zukunftsfragen angehen. Die Ideen reichen von regionalen Netzwerken für den Aufbau einer Wasserstoff-Infrastruktur, über die Produktion von umweltverträglichen Blattdüngern bis hin zu einem schmackhaften und vitaminhaltigen Fleischersatz, der ohne tierische Zusatzstoffe aus regional abfallenden Reststoffen erzeugt wird.
P@L: Frisches Obst, Gemüse und Milchprodukte - mehrmals wöchentlich und ab dem Schuljahr 2021/2022 sogar komplett kostenlos: Mit der Teilnahme am EU-Schulprogramm 2021/2022 fördert die Landesregierung die gesunde Frühstücks- und Pausenverpflegung in Kitas und Schulen.
Aber: Bewegung UND gesunde Ernährung spielerisch im Alltag verankern! Wann wird die Bewegung in der Schule dem Thema Ernährung gleichgesetzt – und auch von Ihnen gefördert?
Ursula Heinen-Esser: Eine ausgewogene Ernährung und ausreichende Bewegung sind grundlegend für eine gesunde Lebensweise. Vor diesem Hintergrund unterstützen wir den nationalen Aktionsplan der Bundesregierung „IN FORM – Deutschlands Initiative für gesunde Ernährung und mehr Bewegung“. Ziel ist es, das Ernährungs-und Bewegungsverhalten in Deutschland nachhaltig zu verbessern. Gerade in den ersten Lebensjahren entwickeln sich die grundlegenden motorischen Fertigkeiten, die für eine körperliche und geistige Entwicklung der Kinder elementar sind. Kinder, die sich viel bewegen, gewöhnen sich zudem früh an einen körperlich aktiven Lebensstil, den sie auch im Erwachsenenalter fortsetzen und von dem sie in den weiteren Lebensjahren profitieren. Daher ist es neben der gesunden Ernährung wichtig, auch Bewegung von Beginn an als wichtigen Bestandteil einer ganzheitlichen Persönlichkeitsentwicklung zu fördern.
P@L: Müssen Spielplätze und Sportanlagen aufgrund zunehmender Sonneneinstrahlung zukünftig überdacht werden? Werden wir überhaupt noch Spiel und Sport unter freiem Himmel in Zukunft durchführen können?
Ursula Heinen-Esser: Spiel- und Sportanlagen sollten weiterhin soweit wie möglich offen und natürlich gestaltet werden. Begrünte, offene Flächen dienen dem Luftaustausch und als thermische Ausgleichsfläche. Eine überdachte Bauweise würde dem widersprechen und mehr Hitzestau verursachen. Ein weiteres klima- und gesundheitsrelevantes Thema ist Ozon. Bei Ozonwerten oberhalb der Informationsschwelle wird Personen, die erfahrungsgemäß besonders empfindlich auf Ozon reagieren, vorsorglich empfohlen, Anstrengungen im Freien zu vermeiden. Sportliche Ausdauerleistungen sollten auf die frühen Vormittagsstunden oder auf die Abendstunden verlegt werden. Wer sich im Freien aufhält, sollte auch daran denken, sich gegen Sonnenbrand zu schützen. Die Verbrennung der Haut ist nicht nur schmerzhaft, sie erhöht das Risiko an Hautkrebs zu erkranken. Besonders gefährlich ist ein Sonnenbrand für die empfindliche Haut von Kindern.
Das Interview führte Thomas R. Müller (Playground@Landscape)