Rech liegt direkt an der Ahr zwischen Bad Neuenahr-Ahrweiler und Schuld. Die Eifelgemeinde ist von der Flutkatastrophe zerstört: früher ein zauberhaftes Dorf - heute ist die Gemeinde eine Trümmerlandschaft. Im historischen Ortskern steht kein Stein mehr auf dem anderen. Der Ortsbürgermeister von Rech, Dominik Gieler: „13 Häuser hat die Flutkatastrophe in Rech direkt zerstört. Sechs weitere müssen abgerissen werden. Von 590 Einwohnern sind etwa 50 Prozent betroffen. Davon haben 10 Prozent alles verloren. 40 Prozent der Menschen sind stark betroffen, wie das Wasser ihre Häuser geflutet hat.“
Umso wichtiger sind jetzt Hilfen jeglicher Art. Das Projekt „Spiel-Container“ wurde zunächst von dem Verein „Aktion Medeor“ initiiert, welcher Teil des Bündnisses „Aktion Deutschland hilft“ ist. Von dort aus hat sich ein Netzwerk aus mehreren Organisationen gesponnen. Über kleine Umwege führten die Wege zum Verein KuKuK Kultur e.V. Der Kontakt zu „Aktion Deutschland hilft“ und dem Spielplatzprojekt in Rech ist hauptsächlich durch den Verein „Die Freunde der Erziehungskunst Rudolf Steiners e.V.“ entstanden, welche ebenso im Bündnis „Aktion Deutschland hilft“ sind.
Da die Kindergärten im Ahrtal durch das Hochwasser aktuell nicht nutzbar sind, wurde der Verein KuKuK Kultur angefragt, einen Spiel- und Begegnungsraum bereitzustellen, in welchem sowohl notfall-pädagogische Programme für die Kleinkinder angeboten werden können, als auch einen Raum für die „größeren Kinder“ zur Verfügung zu stellen. Der Spiel-Container ist ein 20 Fuß Stahl-Container. In diesem sind zwei Aufgänge aus Robinienholz eingebaut, über die die Kinder auf das Dach des Containers klettern können. Oben angekommen, befinden sich zwei Hütten und ein Tunnel, ebenfalls aus Robinie. Farbige Plexiglasfenster machen die Kletterräume und Dachhütten zu wohltuenden Sinnesräumen. Auf dem Dach gibt einen Ausblick auf das Ahrtal oder auf das Geschehen auf dem Gelände. Von einer der Dachhütten führt eine Röhrenrutsche wieder nach unten auf das Gelände. Sitzpodeste und kleine Holzräume in und am Container bieten Ruhe- und Rückzugsmöglichkeiten für die Kinder oder Möglichkeiten zu Begegnung und Beziehung mit den Pädagog:innen oder den anderen Kindern. Durch den geräumigen Innenraum des Containers sind Angebote auch bei Regen möglich.
„KuKuk Kultur e.V. ist ein gemeinnütziger Verein, der seit 20 Jahren Spiel- und Sinnesräume baut für die Kinder, die in Not oder erschwerten Lebensbedingungen aufwachsen. Unsere Philosophie lautet: Spielen ist kein Luxus, sondern eine Notwendigkeit, wenn ein Kind gesund aufwachsen soll! Wir sind überzeugt von der Wichtigkeit des freien Spiels für die Entwicklung jeden Kindes und vor allem von dessen heilenden Wirkung nach traumatischen Erlebnissen“, sagt Ganimete Pronaj von KuKuk Kultur e.V. „Das Projekt im Ahrtal ist ein gutes Beispiel dafür, auf welchen Ebenen das Spielen Kinder in schwierigen und schockierenden Situationen helfen kann. Einerseits: Struktur und Objektkonstanz - also die Dinge, in meinem Umfeld bleiben so, wie ich sie in Erinnerung haben. Dies ist vor allem nach einem Kontrollverlust, wie es bei einer traumatisierenden Umweltkatastrophe erlebt wird, wichtig. Andererseits: Kreativität und freies Spiel. Rollenspielen und körperliches Ausagieren ermöglichen den Kindern eigene Bewältigungsstrategien für das Erlebte zu entwickeln.“
Interview
Playground@Landscape (P@L) war vor Ort am Spiel-Container und hat ein Interview mit der Architektin Angelika Görres geführt:
Thomas Müller (P@L): Wie sind Sie in die Aktion „Spiel-Container“ eingebunden?
Angelika Görres: Ich bin eigentlich nur Bürgerin, bin aber aufgrund meiner beruflichen Tätigkeit als Architektin schon lange ehrenamtlich im Bereich der Dorferneuerung in unserem Dorf Rech tätig. Da in der Katastrophensituation jedem eine Aufgabe zugetan wurde, habe ich mich gerne der Umsetzung des Spiel-Containers gewidmet. Es ist mir eine Herzensangelegenheit.
P@L: Warum ein „Notfallspielplatz“ in Rech?
Angelika Görres: In der Nacht vom 14. / 15. Juli 2021 hat eine schwere Flutkatastrophe das Ahrtal stark zerstört. Viele Gebäude, Plätze und Straßen wurden von den Wassermassen mitgerissen. Die Infrastruktur im gesamten Tal hat stark gelitten. So wurde auch unser im Jahr 2016 nach monatelanger Eigenleistung wieder neu eröffnete Kinderspielplatz dem Erdboden gleich gemacht.
Um den Kindern, die bereits in der Corona - Pandemie starke Einschränkungen erfahren mussten, wenigstens ein bisschen „heile“ Welt zurück zu geben, habe ich Kontakt zu „Aktion Medeor“ aufgenommen. Mitarbeiter des Bündnisses „Deutschland hilft“ hatten uns nach der Katastrophe aufgesucht und angeboten, einen Spiel-Container aufzustellen.
In vielen Telefonaten und Ortsterminen wurde der Standort festgelegt und der Ablauf zum Aufstellen des Containers abgestimmt. Das komplette Projekt wurde in nicht ganz zwei Wochen organisiert und umgesetzt. Vielen lieben Dank an alle Unterstützer.
P@L: Was ist an diesem Spielplatz wichtig?
Angelika Görres: Der Spielplatz schafft Raum, wo die Kinder für sich sind, Abstand zum Katastrophengebiet finden und nach Herzenslust spielen, toben und lachen können. Das, was ihnen im Dorf geschaffen wurde, wie der ehemalige Kinderspielplatz, ein Bolzplatz und auch ein Mehrgenerationenplatz mit weiteren Spielaktivitäten wie eine Slackline oder auch ein Trampolin, wurde ihnen über Nacht genommen. Sie haben viel Leid mit ansehen müssen. Jetzt haben sie wieder einen Platz, an dem sie auf andere Gedanken kommen können.
P@L: Normalität im Alltag – warum ist das so wichtig?
Angelika Görres: Normalität sowie Alltag ist ganz wichtig. Sie brauchen Normalität, um von der Katastrophe ablenkt zu werden und sie brauchen Alltag, um in der Zukunft weiterhin zurecht zu kommen.
Ein normaler Alltag ist in unserem Dorf nicht möglich. Früher ging man zum Beispiel zu Fuß zur Bushaltestelle, fuhr mit dem Bus zur Schule oder zum Kindergarten und am Nachmittag konnte man nach den Hausaufgaben auf den Spielplatz gehen und andere Kinder zum Spielen treffen. Ein normaler Gang zur Bushaltestelle ist aufgrund der vielen Baufahrzeuge, der schlechten Straßenverhältnisse einfach nicht möglich. Im Weiteren gehen manche Kinder sogar nachmittags zur Schule, weil man sich die Schulgebäude teilt.
Um den Kindern etwas zu geben, was dem früheren Alltag entspricht, habe ich mich für die Umsetzung dieses Spielcontainers eingesetzt. Gemeinsam mit dem Verein KuKuK Kultur e.V, Herrn Friedrich Blume und Mitarbeiterinnen der Aktion „Freunde der Erziehungskunst“ konnte am 10.08.2021 an nur einem Tag der Spiel-Container aufgestellt werden.
Für die Zukunft ist eine Erweiterung zum Waldkindergarten geplant.
Der Spielplatzgeräte-Hersteller ABC-TEAM Spielplatzgeräte GmbH hat sein Engagement zum Aufbau eines neuen Spielplatzes zugesagt. Anvisiert sind hier eine Doppelschaukel, eine Nestschaukel, eine Wippe und ein Wipp-Tier.
Kinder im Katastrophengebiet
Die Präsidentin der Landespsychotherapeutenkammer, Sabine Maur, sagt: „Die wichtigste Botschaft für die Kinder ist: Es ist vorbei, ihr seid in Sicherheit." Neben einer sicheren Umgebung seien auch Kuscheltiere oder andere "Sicherheitsobjekte" wichtig. „Es geht jetzt es erstmal um Erste Hilfe für die Seele."
Die Flutkatastrophe ist noch nicht vorüber!
Wer Kontakt mit Frau Angelika Görres in Rech aufnehmen möchte, kann das über das Bürgermeisteramt in Rech tun:
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