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Internationales Fachmagazin für Spiel-, Sport- und Freizeitanlagen

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14.04.2023 - Ausgabe: 2/2023

Alles in Bewegung: AktivLinearPark

Von M. Sc. Inga Brockstedt (FL Freese Landschaftsarchitekten Partnerschaftsgesellschaft mbB Freianlagen + Landschaft)
Photo
© Volker Wiciok

Dort, wo früher Kohle und Bergematerial von Zechenbahnen bewegt wurden, fahren heute Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit dem Rad, trainieren an Calisthenics-Anlagen, erproben sich auf einem Pumptrack oder erklimmen eine ungewöhnliche Spielanlage. Ganz nebenbei gibt es für Jung und Alt Wissenswertes spielerisch zu erfahren und zu erleben: Wusstest du, dass in der Kohlenwäsche keine Kohle gewaschen wurde? Diese und weitere Fragen werden im neuen AktivLinearPark im Landschaftspark Hoheward beantwortet.

Seit 2004 realisiert der Regionalverband Ruhr (RVR) mit den Städten Herten und Recklinghausen in Zusammenarbeit mit der Ruhrkohle AG das Projekt Landschaftspark Hoheward. Grundlage ist der Masterplan Landschaftspark Emscherbruch – Neue Horizonte, der auf der Planungsidee von Agence Ter, Professor Henri Bava, Paris/ Karlsruhe basiert. Planung und Bauüberwachung der Freianlagen erfolgten durch FL Freese Landschaftsarchitektur, Marl/ Dorsten (seit 2022 FL Freese Landschaftsarchitekten PartGmbB).

Die finanzielle Basis zur Realisierung der Maßnahmen und Projekte bildete zunächst das Förderprogramm „ÖPEL“ – Ökologieprogramm Emscher-Lippe. Der AktivLinearPark wurde als bisher letzter Bauabschnitt im Rahmen des Programms des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung – EFRE NRW 2014 – 2020 über den Förderaufruf „Grüne Infrastruktur NRW“ der Landesregierung mit EU-Mitteln gefördert. Als Grundlage diente das Integrierte Handlungskonzept Emscherland 2020.

Der Landschaftspark wird dominiert von der Halde Hoheward, die sich mit einer Grundfläche von 160 ha bis über 100 m hoch erhebt. Sie bildet mit der angrenzenden Halde Hoppenbruch die wohl größte Steinkohlenbergbau-Haldenlandschaft Europas. Die begrünten Halden sind heute wichtige Bereiche für Erholung und Freizeit der Menschen im Ruhrgebiet.

Eine Besonderheit stellen zwei Anlagen der Horizont-Astronomie auf dem Top der Halde Hoheward dar: eine Horizont-Sonnenuhr mit Obelisken und das Horizont-Observatorium mit Äquator- und Meridianbogen. Beide Plätze sind Zielpunkte des Aufstiegs und außergewöhnliche Aufenthaltsorte.

Mit dem AktivLinearPark erfolgt nun der letzte „Lückenschluss“ in der Ringpromenade, die die Halde Hoheward am Haldenfuß einmal umrundet und dabei alle angrenzenden Stadtquartiere untereinander verbindet.

Ein rd. 1,5 km langer und etwa 40 m breiter Bereich am südlichen Haldenfuß, der bisher für die Allgemeinheit nicht zugänglich war, wird zum AktivLinearPark. Hier verliefen die Anschlussgleise der ehemaligen Zechen Ewald in Herten und Recklinghausen II. Neben der Kohle wurde das Bergematerial mit den Zechenbahnen zu verschiedenen Entladestationen transportiert. Eine dieser Stationen war der ehemalige Übergabebahnhof Ewald. Dieser befand sich mitten im heutigen Park. Die damals direkt angrenzende Bergeumschlaganlage war mit dem noch heute existierenden Schüttbunkerturm auf der Halde Hoheward verbunden. Eine große Förderbandanlage verlief wie eine Brücke hoch über den Gleisen. Die Umschlaganlage und das Förderband sind heute nicht mehr zu sehen. An ihrer Stelle steht heute eine große Spielanlage.

Grundlage für den Entwurf zum AktivLinearPark von FL Freese war die Planungsidee des Regionalverbandes Ruhr. Dem Entwurf liegt die Leitidee zugrunde, dem neuen Park durch die unterschiedlichen Nutzungsfunktionen, welche sich an dem übergeordneten Konzept für den Landschaftspark Hoheward orientieren und bergbaugeschichtliche Relikte integrieren, eine starke Identität zu geben. 

Die spezifischen, auch widersprüchlichen Qualitäten des Ortes werden akzentuiert, vor allem mit dem Potenzial der Gestaltung von freien Gleisschotterflächen. Auf diesem Relikt der ehemaligen Zechenbahn wird mit dem Kontrast von bergbauindustrieller Vergangenheit und der Zurückeroberung durch die Natur ein spannungsvoller Gegensatz geschaffen.

 

Orangenes Band

Das verbindende Element für alle Nutzungsfunktionen ist das „Orangene Band“, welches sich als geschwungener Klinkerpflasterstreifen mit Podesten und Mauern sowie farbig gestrichenen Oberleitungsmasten der ehemaligen Zechenbahn ausgestaltet. 

Im Ruhrgebiet gab es mehrere Hundert Zechen, die über ein weit verzweigtes Schienennetz der Zechenbahnen verbunden waren. Auf den Zechenbahnen herrschte oft ein sehr reger Betrieb. Zum Schutz der Menschen, die auf den Gleisen arbeiteten, wurden die Lokomotiven mit einer Signalfarbe - einem leuchtenden Orange - versehen. So konnten die heranfahrenden Züge besser gesehen werden. Die Leitfarbe Orange im Park erinnert heute an die ehemalige Zechenbahnnutzung.

 

Ruhebereiche und Aktivzonen

Die Nutzungsfunktionen im Park teilen sich in Ruhebereiche und Aktivitätszonen auf. Während die Ruhebereiche vor allem die Grünräume abbilden, werden die Aktivitätszonen durch Lern-, Sport- und Spielfelder ausgestaltet. Die Ruhebereiche und Aktionszonen mit ihren eigenen Atmosphären sind ruhig oder laut, langsam oder schnell, offen oder bergend ausgebildet. Auf diese Weise wird eine vielfältige Aneignung des Parks durch unterschiedliche Generationen ermöglicht.

In den Ruhebereichen werden vorhandene Trockenlebensräume und weitere typische Biotopstrukturen erhalten, erweitert und neu angelegt. Der sensible Umgang mit den schützenswerten Bereichen ist im AktivLinearPark ein wichtiges Anliegen. Mit den Feldern der Bäume und Sträucher werden neue Lebensräume geschaffen und wird das Bewusstsein für heimische Gehölze sowie klimaresiliente Gehölze geweckt.

Zudem findet in den Ruhebereichen das Thema Horizont-Astronomie, das bisher auf der Halde Hoheward seinen Niederschlag in der Sonnenuhr und dem Observatorium gefunden hat, mit dem Platz der Tierkreiszeichen eine Ergänzung.

In den Aktivzonen befindet sich eine Calisthenics-Anlage für Outdoorsport. Hier sind wenig Vandalismus anfällige Geräte für Eigengewichtsübungen auf einem synthetischen Fallschutzbelag eingebaut worden. Ergänzend dazu gibt es weitere Freestyle-Geräte, um verschiedene Muskelgruppen zu beanspruchen. Der Bereich wird durch regelmäßig unterbrochene Heckenpflanzungen gefasst, die einen gewissen Sichtschutz bieten, aber zur Vermeidung von Angsträumen Durchblicke und Überblick gewähren.

Ein weiteres Angebot erfolgt mit einer Pumptrack-Anlage für sportliche Aktivitäten. Es wird ein Track für Jugendliche und Erwachsene sowie ein kleiner für Kinder und Anfänger angeboten. Diese sind in ihrer Oberfläche in Asphalt modelliert. Da Planung und Bau eines Pumptrack spezielle Kenntnisse erfordert, erfolgte dies in Zusammenarbeit mit dem Experten Konrad Willar (pumptrack.de, Augsburg).

 

Feld der Historie – Ort des Wandels

Während der westliche Abschnitt überwiegend für Ruhe und Industrie-Natur steht, erfährt der östliche Abschnitt seine Prägung mehr durch die Angebote für Aktivitäten. Beide Abschnitte sind verbunden durch die Mitte – das Feld der Historie, welches zum Ort des Wandels wird.

Hier wird mit einem Großspielgerät des Spielgeräteherstellers ESF Emsland Spiel- und Freizeitgeräte GmbH & Co. KG, Geeste, die ehemalige Bandbrücke über dem Gleiskörper nachempfunden. Grundlage für den Entwurf und die Ausführung war die Planungsidee von FL Freese. Haupt-Zielgruppe der Großspielanlage sind Kinder im Alter von 6 bis 14 Jahren. Das ergänzende Spielgerät für Kleinkinder korrespondiert optisch mit dem Großspielgerät und bietet ein Spielangebot vorrangig für jüngere Kinder zwischen 3 und 6 Jahren.

Für die Funktionalität der Großspielanlage ist entscheidend, dass es mehrere Zugänge gibt. Dies entzerrt zum einen den Nutzungsdruck und bietet zum anderen den Kindern die Möglichkeit, an mehreren Stellen das Gerät auch wieder zu verlassen. Ein Ausgang aus der Anlage ist zudem über eine Röhren-Rutsche möglich. Die Durchgängigkeit der Anlage ist auch für Erwachsene gegeben. Dies ermöglicht die Begleitung jüngerer Kinder, gewährleistet die turnusmäßige Überprüfung der Sicherheit der Anlage sowie im Notfall die Rettung.

Die Hauptbestandteile, insbesondere Standpfosten und tragende Teile, der Spielanlage sind aus Stahl, da Langlebigkeit und möglichst wenig Angriffsfläche für Vandalismus erwartet werden. Wegen der nahen Hochspannungsfreileitung ist die Höhe des Gerätes im Schutzstreifen der Leitung begrenzt. Zusätzlich wird aus Sicherheitsgründen ein Beklettern des Gerätes von außen konstruktiv verhindert.

Bei der Gestaltung der Großspielanlage war der Bezug zum historischen Kontext ausdrücklich gewünscht. Dabei wurde eine herausragende, charakteristische Anlage geschaffen, die der ehemaligen Bandbrücke nachempfunden ist. Darüber hinaus spiegelt das Erscheinungsbild der Anlage den Industriecharakter wider und erzielt eine Fernwirkung und Prominenz innerhalb des Parkes. Die Farbe Orange als zentrales Gestaltungsmerkmal im AktivLinearPark findet sich auch in der Spielanlage wieder.

Am Fuß der Halde Hoheward ist ein ehemaliger Gleisbereich neu definiert worden. Mit dem AktivLinearPark, der im Herbst 2022 mit einem Familienfest eröffnet worden ist, wurde aus dem Niemandsland ein Stück attraktiver Halden-Landschaft – ein Ort der Bewegung, welcher die Funktionen des Freiraumes - Natur, Erholung und Tourismus - kombiniert und integriert.

 

Mehr Informationen:

FL Freese Landschaftsarchitekten

Partnerschaftsgesellschaft mbB Freianlagen + Landschaft

Altendorfer Straße 274 46282 Dorsten

Telefon: +49 2362 993997 – 0 E-Mail: landschaft@freese-planung.de

 

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