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Internationales Fachmagazin für Spiel-, Sport- und Freizeitanlagen

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15.04.2011 - Ausgabe: 2/2011

Mitbestimmung beim Spielplatzbau

Von Susan Naumann

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Auftraggeber, Planer und Ausführende sehen sich beim Bau eines neuen Spielplatzes zahlreichen Fragen gegenüber: Wer nutzt den Spielplatz künftig? Wie erfüllt man die unterschiedlichen Ansprüche der Kinder und Jugendlichen? Trifft die Anlage den Nerv der Zeit, beugt dies auch Vandalismus vor. Während eine Standortanalyse wichtige Fragen klärt, ist die Einbindung der künftigen Nutzer und der Anwohnerschaft bereits in der Planungsphase fast unverzichtbar. Wie wertvoll und produktiv die Zusammenarbeit sein kann, erlebten kürzlich Landschaftsarchitekt Florian Ehrler, Galabauer Andreas Dietrich und Spielgerätehersteller Veit Grasreiner aus Dresden.

„Originalität und maximaler Spielwert bestimmen die Qualität eines Spielplatzes“, so Andreas Dietrich, Geschäftsführer von grünerleben in Dresden. „Doch was nützt dies, wenn sich die kleinen und großen Nutzer in dem neuen Platz weder wieder finden noch ihre Interessen ausleben können“, so der 39-jährige. Mehr als 140 Spielanlagen hat Dietrich mit seinen Mitarbeitern bereits neu gebaut, repariert, umgebaut oder gepflegt. Beim Bau der Spielanlage „Notruf. Zentrale 112“ in der Dresdner Friedrichstadt, arbeiteten Galabauer Dietrich und Spielgerätehersteller Grasreiner, die bereits mehrere gemeinsame Projekte realisiert haben, erstmals mit dem Freiraumgestalter Florian Ehrler zusammen.
Nach Ehrlers Auffassung ist es falsch, zu glauben, dass es Kinder- und Jugendliche mögen, die Dinge stets fertig vorgesetzt zu bekommen. „Gerade Heranwachsende wollen ernst genommen werden und fühlen sich wertgeschätzt, wenn sie an Entscheidungsprozessen mitwirken dürfen“, so der Landschaftsarchitekt.
In Abstimmung mit dem Bauherren organisierte der 30-jährige deshalb für Anwohner und vor allem Kinder und Jugendliche zunächst einen Vor-Ort-Workshop zu dem Vertreter gemeinnütziger Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen sowie 20 Kinder und Jugendliche aus dem Stadtgebiet geladen waren. Sie alle wurden zu ihren Ideen und Wünschen an den neuen Spielplatz befragt. „Es waren tatsächlich Blumen, die von den Kindern zuerst genannt wurden“, so Ehrler schmunzelnd. „Erst danach zählten sie Basketballkorb, Rutsche, Spritzpumpe und „Knutschecke“ auf.“
Aus den gesammelten Ideen erarbeitete Ehrler drei Vorentwürfe mit ganz unterschiedlichem regionalen Bezug: Die Bürgerentscheidung fiel auf das Thema „Feuer – Wasser – Sturm“, das die Basis für einen Wettbewerb unter sieben Holzspielgeräteherstellern bildete. Aus deren eingereichten Konzepten wurde in einem weiteren zweistufigen Wettbewerbsverfahren der Sieger unter den Spielgeräteherstellern gekürt. Die Jury aus Kindern, Sozialarbeitern und Stadtverantwortlichen entschied sich für die Spielgeräte des Dresdner Diplom-Designers Veit Grasreiner von Grasreiner Design unter dem Motto „Notruf. Zentrale 112“. Grasreiners bildhafter Entwurf wurde öffentlich präsentiert und von allen Beteiligten begeistert aufgenommen.

Rettungsleitstelle als Themenbezug

Mit dem Krankenhaus Friedrichstadt ist der Stadtteil geprägt von einem modernen Klinikum mit historischer Vergangenheit. In direkter Nachbarschaft des zu gestaltenden Geländes befindet sich eine neu errichtete Rettungswache an deren östlicher Seite auf 1100 m² ein Kinder- und Jugendspielplatz für die Altersgruppe der acht bis 16-jährigen entstehen sollte.

Auf das Siegermotto ausgerichtet, entwarf Florian Ehrler eine zweigeteilte Spiellandschaft, die sich an der Erwachsenenwelt des Nachbargrundstückes orientiert. Der vordere Bereich bietet sich mit seiner multifunktionalen Asphaltfläche den größeren Jugendlichen für Ball- und Straßenspiele sowie als Malgrund an. Die Sitzmauern mit einem Kantenschutz aus Stahlblech eignen sich als Skateelemente. Eine Schutzhütte in Pergolaoptik, sichtgeschützt und dennoch offen gestaltet, wird dem gewünschten Rückzugsraum gerecht.
Der sanfte Übergang zwischen formalem Eingangsbereich und bewegtem Hinterland gelingt über eine Pflanzfläche, die im Schatten einer alten Esche als einzigem Bestandsbaum angelegt wurde.
Das Kletterlabyrinth aus Leitern, der Feuerwachturm, Autowrack und Tunnelrutsche lockt die eher jüngeren Kinder in den hinteren Bereich des Platzes. „Bei der optischen und funktionalen Gestaltung unserer Spielgeräte hatten wir stets den Themenbezug im Blick“, erläutert Grasreiner. „So entwickelten und realisierten wir im Zentrum des Spielplatzes einen vier Meter hohen Rettungsturm mit einer Grundfläche von 2,50 x 2,50 Meter, dessen einfache quaderförmige Grundform durch die schräge Anordnung der inneren vier Spielebenen unterbrochen wird.“ Außen wurden dem Turmkörper mehrere den Neigungen der Spielebenen entsprechende schräge rote Rahmen mit verschiedenen Schriftzügen vorgesetzt. Mit Netzaufgang, Röhrenrutsche, Kletterstangen, verschiedenen Seilbrücken und -einstiegen baute Grasreiners Team somit abwechslungsreiche Spielgeräte, welche dem Bewegungsdrang der Kinder Anreize und Herausforderungen bieten.

Planung und Ausführung abgestimmt

Insgesamt 30 Spielplätze setzte Dietrich für private und öffentliche Auftraggeber auf Basis ganz verschiedener Entwurfspläne um. „Florian Ehrler hat eine sehr praxisnahe Ausbildung genossen und ein gutes Gespür für planerische Ideen und deren praktische Umsetzung. So unkompliziert klappt das nicht mit allen PlanerInnen.“ Immer wieder werden Gestaltungselemente geplant, die mit den angegebenen Materialien praktisch nicht zu realisieren sind. Dietrich rät: „Vor Baubeginn die Pläne unbedingt gut studieren und Unklarheiten frühzeitig klären.“ Ein Bautagebuch zu führen, sei unausweichlich und sollte mindestens wöchentlich vom Planer unterzeichnet werden.
Eine Privatperson haftet für die Ereignisse auf seiner Spielanlage selbst, im öffentlichen Raum obliegt dies der Kommune. Deshalb herrschen hier besonders strenge Vorschriften und die strikte Einhaltung von Normen ist zwingend. Dietrich bemängelt allerdings, dass es für den Spielplatzbau keine eindeutige Schriftenreihe gibt und es somit immer wieder Auslegungssache sei wie einzelne Spielplatzelemente betrachtet würden und welchen Normteilen sie entsprechen müssten.
Zwischen Grasreiner, Ehrler und Dietrich gab es stets einen direkten Austausch. So konnte auf Nachträge, „die Zeit kosten, zusätzliche Arbeit machen und der oftmals langwierigen Genehmigung durch den Bauherren bedürfen“, weitestgehend verzichtet werden. „Nachträge sind meist mit vielen Argumentationen verbunden, haben Auswirkungen auf die Gesamtkalkulation und ziehen einen verzögerten Baufortschritt nach sich“, so Dietrich. „Besser man kann darauf verzichten. Grasreiner, Ehrler und Dietrich stehen für eine gelungene Zusammenarbeit in der Freitraumgestaltung. Ideal ergänzten sich Planer, Spielgerätehersteller und Landschaftsgärtner, so dass jeder mit den seiner Branche eigenen Ideen und entsprechendem Fachwissen einen nicht unerheblichen Einfluss auf den Gesamtcharakter der Anlage hatte.
Den Nutzen davon haben Jugendliche, Erwachsene und Kinder.


Fotos: Naumann, Grasreiner
 

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