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Internationales Fachmagazin für Spiel-, Sport- und Freizeitanlagen

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10.06.2010 - Ausgabe: 2/2010

Urlaub in Krisenzeiten

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Playground@Landscape: Reiseintensität 2009: „Nur jeder zweite Deutsche war im Urlaub“. Balkonien ist angesagt?
Dr. Ulrich Reinhardt: Nein, so kann man es nicht sagen. Die Tatsache, dass ein Teil der Deutschen seinen Urlaub daheim verbringt – oder verbringen muss – liegt seit Jahren auf einem relativ konstanten Niveau. Dieses hat verschiedene Ursachen: Zum einen hat der demografischer Wandel dazu geführt, dass der Anteil der älteren Bevölkerung ständig zunimmt. Ältere verzichten eher auf das Reisen als Jüngere; sei es aus gesundheitlichen Gesichtspunkten oder aus dem Grund, keine Reisebegleitung (mehr) zu haben. daneben spielen, gerade in Krisenzeiten, die Finanzen natürlich eine große Rolle. Nicht jeder kann sich einen Urlaub leisten, viele rechnen daher genau noch, ob sie derzeit überhaupt verreisen können. Zusätzlich müssen auch die Aufwertungen in den eigenen Wohnorten erwähnt werden. Viele Städte und Gemeinden haben ihr Angebot konsequent ausgebaut und verbessert. Jetzt nutzen viele Bürger die Möglichkeit endlich mit Ruhe einen Blick auf das eigene Umfeld zu werfen und das Kultur-, Freizeit-, Sport oder Sightseeingprogramm kennen zu lernen. So gesehen kann auch ein Urlaub auf Balkonien seine Vorzüge haben.

Playground@Landscape: Der Reiseweltmeister meldet sich 2010 zurück: „Urlaubslust statt Krisenfrust“?
Dr. Ulrich Reinhardt: Man kann nicht sagen, dass die Krise komplett an den Deutschen vorbei geht - ein Krisenbewußtsein besteht durchaus, allerdings halten die Bürger nichts von Panikmache. Urlaub ist und bleibt die populärste Form von Glück, die Urlaubslust bleibt bestehen. Neben der Tatsache, seinem Alltag entfliehen zu wollen, liegt ein Großteil der Freude auch darin, nach dem Urlaub seinen Freunden, der Familie oder den Kollegen davon erzählen zu können. Der Reiseweltmeister verzichtet also nur auf seine Urlaubsreise, wenn es keine andere Möglichkeit gibt.

Playground@Landscape: Inlandsreiseziele Deutschland 2009 – Wer reist wohin?
Dr. Ulrich Reinhardt: Der Gewinner unter den Inlandsreisezielen ist dieses Jahr eindeutig Baden-Württemberg mit seinen Reisezielen rund um den Schwarzwald und dem Bodensee. Als einzige Destination konnte Baden-Württemberg Zuwächse verbuchen (2008: 2,9% aller Reisenden, 2009: 3,7). Ansonsten bleibt vieles beim Alten: Bayern ist das beliebteste Inlandsziel, gefolgt von Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein und Niedersachsen. Einen Urlaub im eigenen Land machen vor allem Jugendliche und Ruheständler, am uninteressantesten ist es für Paare und junge Erwachsene. Außerdem lässt sich festhalten, dass die Deutschen mit einem Haushaltsnettoeinkommen von unter 1.000€ am häufigsten in Deutschland verreisen. Auffällig ist auch die Differenz zwischen West- und Ostdeutschen. Während in der Gesamtbevölkerung 37% innerhalb Deutschland verreisen, sind es unter den Westdeutschen nur 33%, unter den Ostdeutschen hingegen 49%.

Playground@Landscape: Auslandsreiseziele 2009: Wer bleibt Spitzenreiter und warum?
Dr. Ulrich Reinhardt: Spanien ist nach wie vor das beliebteste Auslandsreiseziel der Bundesbürger. Mit großem Abstand folgen Italien, mittlerweile dich gefolgt von der Türkei. Fernreisen hingegen bleiben vorerst nur ein Traumvorstellung. Viele wollen gern außerhalb Europas Urlaub machen, nur wenige können sich dieses zeitlich oder finanziell leisten.
Entscheidend für die Wahl des Reiselandes ist zum einen die eigene Erfahrung, die Empfehlung der Bekannten aber auch die Gewohnheit: Einmal Spanien – immer Spanien. Daneben spielt das Preis-Leistungsverhältnis eine wichtige Rolle. Die Deutschen sind preisempfindlicher bei den Kosten für Übernachtung oder einen Restaurantbesuch als andere Europäer. Ebenfalls bleiben Sonne, Stand und Meer wichtig. Für die Zukunft erwartet die BAT Stiftung vor allem eine wachsende Bedeutung der immateriellen Faktoren, also z.B. Service, Atmosphäre, Gastfreundschaft, Ambiente und Gemütlichkeit.

Playground@Landscape: Wie lange verreisen die Reisewilligen?
Dr. Ulrich Reinhardt: Im Durchschnitt beträgt die Reisedauer der Deutschen genau 13 Tage. Damit setzt sich der Trend der letzten zehn Jahre mit knapp zwei Wochen fort. Je nach Reiseziel variiert jedoch auch die Reisedauer: In Deutschland dauert eine Urlaubsreise etwa 10 Tage, in Spanien 14 und in Nordamerika verweilt der Bundesbürger sogar 20 Tage.
Mit steigendem Einkommen nimmt tendenziell auch die Urlaubsdauer zu und Ruheständler verbringen mit 14 Tagen den längsten Urlaub.

Playground@Landscape: Und immer nur billigbillig?
Dr. Ulrich Reinhardt: Nein, allgemein liegt der Fokus nicht auf immer billiger, aber es lässt sich eine fast schon dramatische Spaltung in der Gesellschaft beobachten. Dieses verdeutlicht u.a. ein Vergleich von Berufsgruppen: So leisteten sich vier Fünftel aller Beamten eine Reise (80%), bei den Arbeitern waren es dagegen nur etwa halb so viele (41%). Eine noch größere Kluft zeigt sich beim Einkommen: Die Besserverdienenden (Haushaltsnettoeinkommen über 3.500€) verreisten ganz selbstverständlich in die Ferien. Für drei Viertel von ihnen ist die jährliche Reise fast obligatorisch (74%) und zwei Fünftel (39%) dieser Einkommensgruppe gönnten sich 2009 sogar zwei und mehr Reisen. Davon können die Geringverdienenden (Haushaltsnettoeinkommen unter 1.000€) nur träumen: Nur jeder Fünfte (20%) konnte sich einen Urlaub leisten. Es hat sich eine Zwei-Klassen-Gesellschaft in Mobile und Immobile herausgebildet. Die einen machen sich mehr Gedanken um Reiseziele als um das Reisebudget, während die anderen immer öfter rechnen und sparen müssen und ihren Urlaub oftmals auf Balkonien oder in Bad Meingarten verbringen.

Playground@Landscape: Wo liegen die Reisewünsche und Tourismuspotenziale?
Dr. Ulrich Reinhardt: All-inclusive bleibt auf jeden Fall eine Tourismusart mit Zukunftspotential: Fast zwei von fünf Deutschen geben an, in Zukunft Interesse hieran zu haben. Aber auch der klassische Erholungsurlaub bleibt zukunftstauglich. Eine große Kluft zieht sich beim Kreuzfahrttourismus beim Blick auf Wunsch und Wirklichkeit: Für viele Bürger besteht der Traum einer Reise auf dem Wasser, doch nur wenige konnten ihn bisher realisieren; so gesehen kann sich der Kreuzfahrttourismus schon einmal auf eine hohe Anfrage vorbereiten.

Playground@Landscape: „Camping und Caravaning bleiben Dauer-Trend“?
Dr. Ulrich Reinhardt: Ja, der Campingtourismus kann eine Renaissance erleben. Besonders bei den Deutschen mit niedrigem Einkommen erfreut sich diese Urlaubsform einer großen Beliebtheit. Und auch für junge Leute ist diese Urlaubsform interessant. Auffällig ist hierbei das starke Interesse von Jugendlichen aus den östlichen Bundesländern, während ihre westdeutschen Altersgenossen sich eher von kostenintensiven Urlaubsformen wie Cluburlaub, Kreuzfahrt- oder Eventreisen angesprochen fühlen.

Playground@Landscape: Experten aus 24 Ländern diskutierten Ende September in Wien beim zweiten internationalen ENAT (European Network für Accessible Tourism) Kongress über Trends und Perspektiven im barrierefreien Tourismus. Ein Trend?
Dr. Ulrich Reinhardt: Barrierefreier Tourismus ließe sich als der „Trend" schlechthin beschreiben. Der demografische Wandel lässt sich nicht leugnen und wer als Reiseanbieter die ältere Bevölkerung außer Acht lässt, muss sich über Einbußen nicht wundern. Allerdings bleibt zu bedenken, dass man nicht von den Senioren allgemein sprechen kann. Ein 50-Jähriger hat mit einem 65-Jährigen oder ein 65-Jähriger mit einem 80-Jährigen ebenso wenig gemeinsam, wie ein 10-Jähriger mit einem 25-Jährigen oder ein 25-Jähriger mit einem 40-Jährigen. Es muss Aufgabe guter Reiseanbieter sein, sich auf spezielle Zielgruppen optimal einzurichten, anstatt zu versuchen, allen gerecht zu werden. Ein Versuch, alle zu bedienen, birgt Konflikte in sich!


Das Interview führte Thomas R. Müller (Playground@Landscape)
 

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