Stadt fair teilen - was kann Planung beitragen?
Unsere Städte sind über Jahrhunderte gewachsen, darin spiegelt sich auch die Geschichte der städtischen Gesellschaft, wer hatte das Sagen, für wen waren welche Berufe zugänglich. Stadt ist ein...
Internationales Fachmagazin für Spiel-, Sport- und Freizeitanlagen
Günter Beltzig ist Spielplatzdesigner, lebt in der Nähe von Ingolstadt und ist mit seinen 69 Jahren eigentlich zu alt, um sich an Klettergerüst und Rutsche zu versuchen. Er tut es trotzdem. Seit vierzig Jahren interessiert Beltzig sich dafür, wie Kinder spielen, welche Geräte sie mögen, wie Eltern sich verhalten und wie man die Plätze spannender gestalten kann. Wichtig ist für ihn auch das Thema Sicherheit. Doch Sicherheit allein genügt nicht, sagt er.
Dabei sind Spielplätze heute wahre Sicherheitshochburgen. In den 1970er Jahren begann die Verwandlung: Hohe Klettergerüste wurden abmontiert, Rutschen entschleunigt, die Böden mit Gummimatten ausgepolstert. Weil es um das Wohl der Kinder ging, wollte man nichts dem Zufall überlassen. Inzwischen fragen sich vor allem Psychologen, ob die Vorkehrungen nicht übertrieben waren - und ob sie überhaupt nützen. "Das Sicherheitsdenken ist außer Kontrolle geraten", behauptet Ellen Sandseter, Psychologin an der Universität in Trondheim und selbst Mutter zweier Kinder. Erwachsene würden überall Gefahren sehen, auch wenn die Wahrscheinlichkeit, dass Kinder sich verletzen, in Wirklichkeit überaus gering sei.
Zwölf Jahre lang hat Sandseter Kinderspielplätze in Norwegen, Australien und England untersucht, Erzieher befragt und Interviews mit Kindern und Eltern geführt. Ihre Ergebnisse hat sie nun im Evolutionary Psychology Journal veröffentlicht und behauptet, dass risikoreiches Spielen wichtig und absolut normal für die Entwicklung eines Kindes ist. Sie unterscheidet dabei sechs Gruppen der Gefahr: Höhen erklimmen, Geschwindigkeit erleben, mit gefährlichem Spielzeug in Kontakt kommen, gefährliche Elemente wie spitze Steine, Feuer oder Wasser beherrschen, wildes Herumtoben sowie Raufen und das Ausreißen vom Spielplatz. Sandseter ist überzeugt, dass Kinder an diesen Herausforderungen wachsen und von den Erfahrungen profitieren. Ihren Erkenntnissen zufolge neigen Kinder schon früh dazu, Risiken realistisch einzuschätzen und geeignete Wege aus gefährlichen Situationen zu finden. "Nur wenige Kinder klettern gleich beim ersten Mal ganz nach oben", sagt Sandseter. Sie erreichen peu à peu höhere Risikostufen - manche schneller, manche langsamer.
Spielerisch werden Muskeln gestärkt, das Gleichgewicht trainiert und sogar das Selbstvertrauen verbessert. Und es gibt noch einen weiteren Vorteil: Ängste werden überwunden, Phobien wird vorgebeugt. "Alle Kinder haben von Geburt an Ängste, etwa vor großen Höhen oder tiefem Wasser. Entscheidend ist, ob sie durch natürliches Verhalten wie beispielsweise Klettern daran gewöhnt werden und erkennen, dass sie sich davor gar nicht fürchten müssen", sagt Sandseter.
Und selbst wenn Kinder einmal vom Klettergerüst stürzten und sich weh täten, führe das eher nicht dazu, dass sie einen seelischen Knacks davontrügen und sich fortan vor Höhe fürchteten. Im Gegenteil: Die Sorge der Erwachsenen, dass ihre Sprösslinge zu große Risiken eingingen und womöglich Verletzungen davontrügen, lähme den Nachwuchs und führe wahrscheinlich zu einer Zunahme von Phobien und psychischen Erkrankungen. Halte man den Nachwuchs konsequent von allen Gefahren fern, könne das die emotionale Entwicklung hemmen und eine Generation von verängstigten und furchtsamen Kindern hervorbringen, die auf das wirkliche Leben, das in der Tat Risiken birgt, nicht vorbereitet seien. "Das wäre bei weitem schlimmer als ein gebrochener Arm, eine Prellung oder eine Gehirnerschütterung", sagt die norwegische Psychologin.
Schwere Verletzungen oder gar Todesfälle passieren auf Spielplätzen glücklicherweise sehr selten. Und als lebensgefährlich erweisen sich dann eher Jacken und Fahrradhelme, weil sich Kinder mit Schnüren oder Riemen strangulieren können. Der Reflex, nach einem Unfall sicherere Anlagen zu fordern, würde kaum etwas daran ändern. Zumal der Sicherheitsstandard in Deutschland ohnehin sehr hoch ist. Designer Günter Beltzig, der ursprünglich Möbel und andere Industrieprodukte gestaltete, hat annähernd 500 Spielplätze entworfen und bei mehr als 20 000 Spielplätzen in aller Welt als Berater mitgewirkt. Entstanden sind dabei keine infantilen Erwachsenenträume, sondern Anlagen, die Kinder wirklich mögen.
Seit 1976 muss sich Beltzig dabei an ein enges Korsett von Vorschriften halten. Auslöser waren damals mehr Unfallmeldungen, Regressansprüche und die wachsende Sorge der Eltern. Es existieren zwar Statistiken, etwa über Knochenbrüche; warum Kinder verunglückten und welche sonstigen Verletzungen sie davontrugen, hinterfragte man nicht. Man regelte das einfach per DIN. "Wir Deutsche sind Normfetischisten", sagt Beltzig und meint das durchaus positiv: Kinder würden etwas zählen in der Gesellschaft, man nehme sie ernst. Zudem seien die meisten Spielplätze durch die amtlichen Vorgaben sicherer, stabiler und vielseitiger geworden. Der einst allein zur körperlichen Ertüchtigung ersonnene Turnplatz gehört längst der Vergangenheit an, das einfallslose Trio "Rutsche, Schaukel, Sand" ist ebenfalls nicht mehr zeitgemäß. Beltzig baut robust und konzipiert Abwechslung, zum Beispiel mit Installationen, die mehrere Funktionen besitzen, einer Wippe beispielsweise, die gleichzeitig Wasser pumpen kann. Und er stellt kleine Hütten auf, um Raum für Geheimnisse zu schaffen. Schließlich wollen Kinder auch mal unbeobachtet sein und sich verstecken können.
Wie Spielplatzgeräte heutzutage beschaffen sein müssen, regelt seit 1997 die europaweite Norm DIN EN 1176, um den Fallschutz kümmert sich DIN EN 1177. Vorgeschrieben sind zum Beispiel Instandhaltungsmaßnahmen: Geländer sollen stets stabil sein, Nägel und Schrauben nicht hervorstehen, morsches Holz soll rechtzeitig ausgetauscht werden. Alle drei Monate finden daher Verschleißkontrollen statt, die Hauptinspektion einmal pro Jahr. Entweder kommt ein unabhängiger TÜV-Gutachter vor Ort, oder die Gemeinden lassen eigene Mitarbeiter entsprechend schulen.
Die Gründlichkeit der Behörden hat inzwischen viele der typischen Gefahrenquellen entschärft, zur Orientierung dienen dabei mögliche Verletzungsgrade. Größere Schürfwunden oder unkomplizierte Frakturen könnten sich Kinder unter Umständen immer noch zuziehen, mehr aber auch nicht. Klettergerüste dürfen maximal drei Meter hoch sein, Rutschen einen Neigungswinkel von 40 Grad nicht überschreiten und Seilbahnen höchstens Tempo 25 erreichen. Ein Karussell wiederum darf sich nicht schneller drehen, als ein Kind laufen kann. Wo geklettert und gerutscht wird, soll weder Beton noch Asphalt liegen. Für einen möglichst weichen Fall schüttet man Sand, Rundkies, Hackschnitzel oder Rindenmulch aus. Beliebt sind auch Gummiplatten, wie man sie aus Sporthallen kennt.
Ist die Gefahr damit endgültig gebannt? "Sicherheitsmaßnahmen werden häufig einfach deshalb vorgenommen, weil irgendjemand davon überzeugt ist, dass es funktioniert", sagt David Ball, Risikoforscher von der Middlesex University in London. Tatsächliche Sicherheit zu erreichen sei aber viel schwieriger. Es sei zum Beispiel ein Fehler, den Fokus allein auf Gegenstände zu richten. "Dabei wird die Tatsache ignoriert, dass Kinder ihr Verhalten ändern, wenn sie merken, dass Sicherheitsmaßnahmen vorgenommen wurden", sagt Ball. Viele würden ihr Risiko anschließend wieder erhöhen. Folglich ist der Nutzen entweder geringer als erhofft oder kehrt sich gar ins Gegenteil um. Damit erhöht sich paradoxerweise die Gefahr. Psychologen sprechen von Risikokompensation: Man wiegt sich in Sicherheit und überschätzt sich.
Das Beispiel des Bodenbelags veranschaulicht das Problem: Weichere Materialien sollen schweren Verletzungen vorbeugen, wenn ein Kind etwa kopfüber von oben herabstürzt, was allerdings so gut wie nie passiert. Offensichtlich ganz im Gegensatz zu anderen Unfällen: "Armbrüche haben um zwanzig Prozent zugenommen, seitdem weiche Böden auf Spielplätzen installiert wurden", sagt Ball mit Blick auf seine langjährigen Untersuchungen in Großbritannien und Australien. "Die wahrscheinlichste Erklärung dafür ist, dass Kinder die Dämpfung der Böden überschätzen und deshalb unvorsichtiger werden", sagt Ball.
Nicht nur auf dem Spielplatz haben die Schutzmaßnahmen zugenommen. Kinder werden insgesamt mehr verhätschelt, kontrolliert und sprichwörtlich in Watte gepackt. Wo können sie sich überhaupt noch frei entfalten? Wo sollen sie fürs Leben lernen?
"Seit mehr als fünfzig Jahren haben sich die Möglichkeiten von Kindern, ohne Aufsicht zu spielen, dramatisch verringert", hat Peter Gray, Psychologe am Boston College, in einem Beitrag für das American Journal of Play festgestellt. Und er versäumt nicht, auf die Folgen hinzuweisen: Überbehütete Kinder hätten ein größeres Risiko, irgendwann depressiv zu werden und narzisstische Züge zu entwickeln.
"Wir müssen aufhören, unsere Kinder als Prestigeobjekt zu sehen", meint Günter Beltzig. "Wir setzen heute Kinder in die Welt, wenn wir gut situiert sind. Sie sind die Krönung des eigenen Lebens. Und um jedes Kind kümmern sich dann gleich mehrere Erwachsene; früher war das andersherum." Sein Fazit lautet: Ein Spielplatz darf weder als Dressurparcour noch als Gehege missverstanden werden. Auch die Natur jenseits des Zauns bietet Herausforderungen, die Kinder brauchen. Man muss sie nur von der Leine lassen.
© Alle Rechte vorbehalten. Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt. Zur Verfügung gestellt vom Frankfurter Allgemeine Archiv".
Statements
Claudia Gust, SIK-Holz: „Der Artikel von Andreas Frey in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung spricht mir aus dem Herzen. Er ist sehr gut recherchiert und gibt eine sehr objektive Einschätzung der Problematik „Sicherheit auf Spielplätzen“ wieder. Auch wir machen immer wieder die Erfahrung, dass die Sicherheitsanforderungen an Spielgeräte überzogen sind. Die Norm wird von Laien oft überzogen interpretiert. Ein beliebtes Beispiel sind Dächer auf Spielhäusern oder Spieltürmen. Sie sollen schwer zugänglich sein, eine Bekletterbarkeit wird durch die Norm aber nicht ausgeschlossen. Man geht vielmehr davon aus, dass Kinder, die es trotz der schweren Zugänglichkeit schaffen, auf ein Dach zu kommen, in ihrer Motorik so gut ausgebildet sind, dass sie auch den Weg wieder zurück finden.
Größere Kinder lieben diese Herausforderung. Von einer durchschnittlichen Spielanlage aus kann man schon mal eine tolle Aussicht in ca. 4 – 5 m Höhe haben. Sehr beliebt sind auch schräge Pultdächer. Da kann man sich wunderbar sonnen, ein Buch lesen oder Gameboy spielen. Manchen Eltern rutscht bei diesem Anblick das Herz in die Hosentasche. Was dann oft dazu führt, dass der Betreiber des Spielplatzes solange bearbeitet wird, bis auch dieser glaubt, da hat doch der Hersteller einen Fehler gemacht. Dieser wiederum möchte sich nicht mit seinem Kunden, der ja vielleicht irgendwann wieder einen neuen Spielplatz bestellt, streiten. Es wird also solange geändert, bis auch die mutigsten nicht mehr auf das Dach kommen. Die Folge dieser Entwicklung sind langweilige Spielgeräte mit genau definierten Spielabläufen.
Artikel wie der von Andreas Frey sind sehr hilfreich dieser falschen Entwicklung entgegenzuwirken und den Kindern das zugeben was sie wirklich brauchen, nämlich das Recht eigene Erfahrungen machen zu dürfen, auch wenn diese manchmal weh tun.“
Günter Beltzig Playdesign: „Kinder haben das Recht auf Ruhe und Freizeit, auf Spiel und altersgemäße aktive Erholung sowie auf freie Teilnahme am kulturellen und künstlerischen Leben. So der Artikel 31 der UN-Kinderrechtskonvention. Aber ein Recht kann auch entzogen werden. Dies ist ein falscher Ansatzpunkt. Spiel ist Veranlagung! Es lässt sich nicht reglementieren. Ebenso ist es mit der Sicherheit. Früher wussten Kinder mit Gefahren umzugehen. Heute herrscht ein übertriebener Sicherheitsgedanke vor. Wir haben heute Wohlstandskinder. Die Eltern geben keinen Raum für Gefahr. Wenn Erwachsene auf dem Spielplatz mit dabei sind, entwickeln Kinder kein Gefühl für Eigensicherung. Kinder lernen auch durch einen eventuellen Unfall. Und ein Spiel ohne Risiko ist kein Spiel. Das Kind soll Risiko haben – dieses muss aber absehbar sein und dem Alter entsprechen.“
Ulrich Scheffler, Lappset Spiel-, Park-, Freizeitsysteme GmbH: „Wir können den Aussagen von Herrn Belzig und den anderen Experten, die in dem FAZ Artikel zu Wort kommen nur zustimmen! Kinder brauchen Herausforderungen um daran zu wachsen, ein gesundes Selbstvertrauen und Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten zu entwickeln. Kinder wollen sich entwickeln, auch im Umgang mit Risiken. Eine völlige Unterbindung von Risiken würde nur eine scheinbare Sicherheit verleihen, die Kinder müssen hingegen Freiräume für eigene Entscheidungen haben. Die Freude und der Stolz von Kindern die gerade zum ersten Mal das höchste Klettergerüst auf dem Spielplatz erklommen haben spricht da wohl Bände. Eltern sollten Ihrem Kind und seinen Fähigkeiten vertrauen. Früher ist man auch auf Bäume geklettert, ohne dass diese einer EN-Norm entsprochen hätten, oder sich jemand über den nicht vorhandenen Fallschutz Gedanken gemacht hätte.
Die heutigen Spielgeräte sind so konzipiert, dass durch die Einstiegsbegrenzungen kleinere Kinder vor dem eigenen Wagemut und einer Überforderung geschützt werden. Die strengen EN Normen sorgen für eine hohe Sicherheit, gewähren jedoch nach wie vor Möglichkeiten zum kreativen schönen Spiel.“
Hans-Peter Barz, Dipl. Ing. Landschaftsarchitekt, Leiter des Grünflächenamtes Heilbronn: „Für Kinder, die niemals gelernt haben mit Risiken und Gefahren umzugehen, kann auch der sicherste Spielplatz zur Gefahr werden. Zuviel „objektive Sicherheit“ verführt die Kinder nur dazu, sich unbedacht in Gefahr zu begeben. Kinder auf Spielplätzen „in Watte zu packen“, wo doch in unmittelbarer Nähe eine Umwelt voller Gefahren lauert, halte ich für fahrlässig. Eigentlich müssten alle Gefahren und Risiken, die wir in der „ungeplanten Natur“ vorfinden, auch in den von uns gestalteten Spielplätzen zulässig sein. Nur aus Mangel an natürlichen Bewegungsräumen in unseren Städten sind wir gezwungen, diese in unseren „Spielreservaten“ nachzuahmen. Natürlich tragen wir dann für die von uns geplanten und gebauten Spielplätze auch die Verantwortung für die Verkehrssicherheit. Dafür gibt es mittlerweile eine ganze Reihe von Vorschriften und Normen, die im Grunde ihre Berechtigung haben, aber nicht dazu führen dürfen, dass der Spielwert leidet. Man muss daher kreativ damit umgehen.“
Jeanette Fich Jespersen, Kompan GmbH: „Nur nicht in Watte packen: Ja, ganz meine Meinung, weil Kinder heute mehr als je zuvor darauf angewiesen sind, auf dem Spielplatz diverse körperliche und soziale Erfahrungen zu sammeln. Außerdem sind belastbare Kinder fröhlicher. Sie können etwas und sind stolz auf sich. Nur so haben sie die Voraussetzungen mit sich und anderen verantwortlich und fröhlich umzugehen. Bei der Spielplatzplanung gilt es deshalb eine Vielfalt von altersgerechten Herausforderungen zu berücksichtigen. Diese Herausforderungen dürfen gerne ein gewisses, kalkulierbares Risiko beinhalten, aber nie eine Gefahr.”
Albrecht Rieger BSW GmbH: „Risiken ja, tödliche Gefahren nein. Kinder sollen auf Spielplätzen lernen, mit körperlichen Gefahren umzugehen und auch die „robuste“ Seite menschlichen Sozialverhaltens zu meistern. Spielen ohne Risiko ist auf Dauer öde. Alle, die schon mal Kind waren, sollten sich daran erinnern können. Wir sehen, dass die meisten Hersteller von Spielgeräten sich dieser Tatsache bewusst sind: Gute Spielgeräte lassen Gefahren in dem Maß zu, in dem sie für die Kinder erkennbar sind und minimieren Verletzungsrisiken so, dass schlimme Unfälle nach allem Ermessen ausgeschlossen werden. Dann bleibt den Kindern genug übrig, um ihre Grenzen zu erkunden. Klettergerüste, Seilbahnen, phantasievolle und unkonventionelle Spiellandschaften sehen wir als Hersteller von Fallschutzböden zuhauf. Leider aber auch Spielplätze, die eher an Verwahrungsorte erinnern. Hier sind die Planer gefragt. Vielleicht sollten sich Planer und Hersteller von Spielgeräten und Fallschutzböden zusammensetzen und Ideen zu sicheren Spielplätzen formulieren, die auch die wilde Seite unserer Kinder ansprechen. Viele Betreiber von Spielplätzen wären dafür gewiss dankbar. Nicht die Wattepackung sollte als Sicherheitsstandard gelten, sondern die Vermeidung schlimmster Unfallfolgen. Zur im FAZ-Bericht zitierten Erkenntnis des Risikoforschers Ball, dass Fallschutz die Zahl der Armbrüche sogar erhöhen kann, sagen wir deshalb: Lieber Armbrüche auf einem Fallschutzboden, als ein totes oder querschnittsgelähmtes Kind ohne Fallschutz.“
Heinz Münstermann, öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger: „Nur nicht in Watte packen - nein, der Grundtenor ist völlig anders. Weil die Anforderungen an Spielplätze und Spielgeräte unter völlig anderen Überlegungen formuliert wurden! Grundtenor aller Normen und Sicherheitsvorschriften für Spielbereiche und Spielgeräte ist es, Herausforderungen mit spielerisch-sportlichem Risiko zuzulassen, jedoch für Kinder nicht erkennbare Gefahrstellen, die Leib und Leben gefährden, auszuschließen. Es ist völlig falsch zu behaupten, dass „hohe Klettergeräte abmoniert und Rutschen entschleunigt wurden.“ Eher ist das Gegenteil der Fall. Es gibt viel höhere Gerätekonstruktionen als früher, deren freie Fallhöhe trotzdem nicht über 3,00 Meter liegt und keiner kommt auf die Idee, bei dieser Höhe keinen entsprechend geeigneten Fallschutz einzubauen. Auch Rutschen sind heute länger und höher denn je und damit auch schneller. Es ist sicher kein Geheimnis und gehört wie überall zum Alltag, dass Regelungen nicht verstanden oder falsch interpretiert werden. Das führt zu erhöhten Forderungen bei Sicherheitsmaßnahmen durch fehlendes Hintergrundwissen, da keiner sich „schuldig“ machen will. Spielplätze sind heute keine „Sicherheitshochburgen“ sonst gäbe es nicht so viele schwere und tödliche Unfälle. In der Regel sind fehlerhafte Herstellung und/oder Verarbeitung bzw. mangelhafte Wartung- und Instandsetzungsarbeiten oder Missachtung von Bestimmungen zurück zu führen. Ein weiterer Grund für zuviel Sicherheit ist zum großen Teil auch die Veränderung in unserer Gesellschaft zurück zu führen, die nach amerikanischem Muster immer einen finden will, der die Verantwortung für einen Schadensfall übernehmen soll. Diese Klagebereitschaft erhöht den Wunsch nach maximaler Sicherheit.“