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Internationales Fachmagazin für Spiel-, Sport- und Freizeitanlagen

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16.04.2012 - Ausgabe: 2/2012

"Mitenand, nebenenanad"

Für die anspruchsvolle Aufgabe, einen Bewegungs- und Erfahrungsraum für die Schulhäuser Manegg und SKB (Schule für Körper- und Mehrfachbehinderte) in Zürich zu konzipieren, wurden acht Spielgeräteplaner zu einem Ideenwettbewerb eingeladen.

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Im Frühjahr 2011 plante die Firma KuKuk (Kunst Kultur Konzeption) aus Stuttgart
auf dem Schulgelände des Schulhauses Manegg, einer allgemein bildenden Schule und der SKB, einer Schule für Körper- und Mehrfachbehinderte, einen Bewegungs- und Erfahrungsraum. Die Anlage wurde als Bewegungslandschaft gestaltet und kommt so dem ausgeprägten Bewegungsbedürfnis von Schulkindern entgegen. Sie bietet aber auch Rückzugsorte in engen Zwischenräumen und unter Plattformen. Diese Bewegungs- und Ruhelandschaft können gesunde, gehbehinderte Kinder und Rollstuhlfahrer gleichermaßen nutzen.

Das Projekt stellt für die Stadt Zürich ein Novum dar. Stadträtin Ruth Genner betonte: „Ich freue mich sehr über diesen einzigartigen Spiel- und Begegnungsplatz. Es ist Grün Stadt Zürich gelungen, einen Ort zu schaffen, der den Ansprüchen der verschiedenen Nutzenden gerecht wird.“ Stadtrat Gerold Lauber zeigte sich zudem über die Bereicherung für das Quartier erfreut, die der neue Pausenplatz bietet: „Die attraktive Spiellandschaft ermöglicht allen Kindern und Jugendlichen aus dem Quartier über den Schulbetrieb hinaus, sich in ihrer Freizeit körperlich zu betätigen.“

Der Bewegungs- und Erfahrungsraum

Durch den Pausenhof führt ein Erlebnispfad, der die verschieden gestalteten Bereiche der Spielanlage miteinander verbindet: das Stelenfeld mit einer Kletterstruktur und einem Rutschenturm, der Hangelwald und das sog. Wand-Labyrinth. Der Pfad ist mit farbigem Gummigranulatboden ausgelegt, der durch seine Eigenschaften – gleitsicher, strapazierfähig und aufpralldämpfend sich hervorragend auch für Rollstühle und Rollatoren eignet.

Über ein Stelenfeld, Balancierpalisaden und eine Kletterstruktur gelangen die Kinder auf den kleinen Rutschenturm. Beim Gehen und Hüpfen über die Balancierpalisaden üben die Kinder ihre vestibuläre Wahrnehmung. Oben auf dem Rutschenturm angekommen, können sie durch einen Lauschtrichter, der die Klänge aus einer Raumrichtung bündelt und sie intensiv ans Ohr führt, Geräusche bewusst wahrnehmen. Auf halber Höhe des Rutschenturms ist eine Plattform angebracht, die Kinder mit Gehbehinderung über stufenförmig angeordnete Podeste und Haltemöglichkeiten aus Seilen erreichen, indem sie sich Stück für Stück nach oben ziehen. Von der Plattform führt eine behindertengerechte Rutsche wieder zurück auf den Pausenhof.

Im Hangelwald schwingen die Schüler an dicken Tauen hin- und her, hangeln sich an ihnen von einer Stele zur anderen entlang oder versuchen auf den Tauen, die in verschiedenen Höhen angebracht sind, zu balancieren. Auch hier wird der Gleichgewichtssinn geübt. Die geschickteren und mutigeren Kinder turnen in den oberen Seilbereichen herum, die anderen bewegen sich zunächst in geringerer Höhe, bis sie sicher genug sind, auch nach oben zu steigen. Dabei spielt die Bereitschaft, etwas zu riskieren und zu wagen, eine große Rolle. In manchen Bereichen des Hangelwaldes ist die lichte Höhe unter den Seilen so berechnet, dass auch Kinder im Rollstuhl aus dem Sitzen heraus die herunterhängenden Schlaufen und Lianen greifen und sich rollend durch den Hangelwald hindurch ziehen können.

Im Wand-Labyrinth, das aus leicht gekippten Holzwänden mit Holzpodesten und Holzhängematten entstanden ist, machen die Kinder vielfältige Sinneserfahrungen: Durch orange- und blaufarbige Plexiglasscheiben, die in die Holzwände eingelassen sind, kann die Welt in unterschiedlichen Farben wahrgenommen werden. Die in Orangetöne eingefärbte Welt ist sehr stark strukturiert und lässt deutliche Kontraste erkennen, die blaue Welt wirkt leicht verschwommen, da durch die blaue Scheibe kaum noch Kontraste wahrgenommen werden können. Verschiedene Wände mit unterschiedlicher Materialbeschaffenheit (Stein, Holz, Glas und Metall) sind als Tastwände gestaltet und ermöglichen haptische Erfahrungen. Auch Zerrspiegel aus poliertem Edelstahlblech sind an den Wänden angebracht, erzeugen bizarre Effekte, verfremden die Wirklichkeit und bringen die Kinder zum Lachen. Mit den ‚rotierenden Scheiben‘ entstehen optische Reize. Je nachdem, wie in welche Richtung die Scheiben gedreht werden, kann eine verengende oder erweiternde Spiralform wahrgenommen werden. Die Holzhängematte in einem hinteren Bereich des Pausenhofs ist an vier Eckpunkten aufgehängt und schwingt zwischen den Pfosten. Je nachdem, ob die Schüler allein darin liegen oder zu mehreren, ist die Bewegung geringer oder stärker. Dabei ist es am schönsten, mit geschlossenen Augen auf dem Rücken zu liegen und sich dabei ganz in die Bewegung hinein zu fühlen. Diese Holzhängematte wie auch die vielen Podeste und der Lauschraum oben auf dem Rutschenturm sind Rückzugsorte, die dem Bedürfnis nach Ausruhen, Treffen und Beobachten gerecht werden und auch für Kinder mit Behinderung geeignet sind. Im Wandlabyrinth werden die Phänomene erst durch das eigene Aktiv-Werden und Sich-Bewegen und durch die spielerische Beschäftigung mit den Sinnen erschlossen. Hier lernen die Schüler, ihre eigenen Sinne bewusst einzusetzen, erkennen, wie diese wirken und entdecken dabei sich selbst.

Ein Teil der Bauwerke und Spielobjekte sowie der Gummigranulatboden wurden mit den Farben Rot, Orange und Blau farblich gestaltet und heben den Ort von seiner Umgebung ab. Die Farben erzeugen eine heitere Atmosphäre, setzen Akzente auf dem Pausenhof und ermöglichen eine bessere Orientierung auf dem Gelände.

Neben dem Spaßfaktor und der Möglichkeit, sich austoben zu können, lernen die Schüler auf dem Pausenhof in Manegg, ihre Grenzen auszuloten, Gefahren richtig einzuschätzen – was traue ich mir zu? Wann laufe ich Gefahr, abzustürzen? Wage ich den Sprung bis zur nächsten sicheren Stelle? Besonders beim Hangelwald wird deutlich, wie auch Schülern im Rollstuhl Bewegungsfreiheit ermöglicht wird, sie ganz selbstverständlich mit ihren Mitschülern rumtoben können.

Der Pausenhof der Schulhäuser Manegg und SKB, für deren Gesamtanlage die Landschaftsarchitekten Berchtold Lenzin aus Zürich verantwortlich waren, wurde als Bewegungs- und Erfahrungsraum gebaut und besteht aus unterschiedlich gestalteten Bereichen, die z.T. durch eine dichte Struktur gekennzeichnet sind, aber auch lichte Räume bilden und die Kinder sich im dauernden Wechselspiel der beiden Fragen bewegen: „Bin ich drinnen? – Bin ich draußen?“ In einer Welt, die durch Reizüberflutung gekennzeichnet ist und in der bewusste sinnliche Erfahrungen selten geworden sind, wird die Anlage zu einem Ort, in dem die Sinne auf vielfältige Weise angesprochen werden und Kindern die Möglichkeit geboten wird, sich die Welt selbstständig anzueignen.
 

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