Erreichbarkeit von Spielplätzen
Stellen wir uns kurz den schönsten Spielplatz der Welt vor – und keiner könnte hinkommen! Die in der DIN 18034 als Erreichbarkeit beschriebene Norm fordert...
Internationales Fachmagazin für Spiel-, Sport- und Freizeitanlagen
Mit Veröffentlichung der DIN 18040-3 für den öffentlichen Verkehrs- und Freiraum im Dezember 2014 wird die Normenreihe der DIN 18040 nun vervollständigt.
Die DIN 18040-3 regelt einen Mindeststandard. Sie bietet damit den Grundstock für barrierefreie Planungen im öffentlichen Verkehrs- und Freiraum. Sie formuliert Schutzziele und weist darauf hin, dass diese „auch auf andere Weise als in der Norm festgelegt erfüllt“[1] werden können. Der Planerin und dem Planer eröffnet diese Formulierung einen großen Gestaltungsspielraum. Barrierefreie Planungen können damit besser auf individuelle Situationen angepasst werden.
Mit der neuen Normenreihe der DIN 18040 wird das Zwei-Sinne-Prinzip eingeführt. Dementsprechend sind zukünftig alle für die barrierefreie Nutzung des Verkehrs- und Freiraums erforderlichen Informationen so zu übermitteln, dass mindestens zwei der drei Sinne - Sehen, Hören und Fühlen - angesprochen werden.
Das bedeutet,
- visuelle Informationen müssen zusätzlich taktil oder akustisch,
- taktile Informationen müssen zusätzlich visuell oder akustisch und
- akustische Informationen müssen zusätzlich visuell oder taktil dargestellt werden.
Visuelle Informationen
- müssen für sehbehinderte Menschen visuell kontrastreich gestaltet werden .
- dürfen nicht durch Hinweise anderer Art überlagert werden. (z.B. Werbung,
Projektion von Werbung auf Fußböden, Stufenbeschriftung, etc. )
- sollen eingebunden werden in ein durchgängiges und vernetztes Leitsystem und
- müssen für Sehbehinderte und Rollstuhlfahrer zugänglich sein, wenn sie
nur aus kurzer Distanz lesbar sind (z.B. Fahrplan) .
Akustische Informationen
- müssen für Menschen mit eingeschränktem Hörvermögen hörbar und verstehbar sein -
dabei sind Nachhall und das Verhältnis von Störgeräusch zu Nutzsignal wichtige
Einflussfaktoren (mind. 10 dB Abstand)
- sollen sich an wechselnde Störgeräuschpegel automatisch anpassen und
- sollen durch eine Tonfolge eingeleitet werden, dabei müssen sich diese Tonfolgen
deutlich von Warnsignalen unterscheiden.
Taktile Informationen
- müssen für die jeweilige Art der Wahrnehmung (Finger, Hände, Langstock, Füße)
geeignet bzw. erkennbar sein.
- müssen sich vom unmittelbaren Umfeld deutlich unterscheiden z.B. durch Form,
Material, Härte, Oberflächenrauigkeit etc. und
- sollen in schriftlicher Form neben erhabenen Großbuchstaben auch durch
Braille‘sche Blindenschrift vermittelt werden, dabei können sie nicht durch ertastbare
Piktogramme und Sonderzeichen ersetzt werden.
Informationen bei kognitiven Beeinträchtigungen
- müssen leicht begreifbar und gut merkbar sein.
- müssen als Schrift oder Sprachinformation in „leichter Sprache“ erfolgen.
- sollen als akustische Information wiederholt werden. (Merkfähigkeit)
- sollen anstelle oder zur Erläuterung eines schriftlichen Textes, Bildzeichen,
graphische Symbole oder fotorealistische Darstellungen enthalten.
- sollen eingebunden werden in ein durchgängiges und vernetztes Leitsystem
mit Elementen gleicher Anordnung, Größe, Farbe und Beleuchtung.
Raumbedarf und Bewegungsflächen: Die Grundmaße des Flächen- und Raumbedarfs für mobilitätseingeschränkte Menschen entsprechen überwiegend den Abmessungen der bisher noch gültigen DIN 18024-1. Für Rangier- und Bewegungsfläche wird dementsprechend eine Fläche von 1,50 x 1,50 m benötigt. Die kleinstmögliche Durchgangsbreite an Engstellen muss mindestens 0,90 m betragen. Lediglich die Mindestbreite der Begegnungsflächen wird in der neuen Norm auf 1,80 m reduziert. Dies ist dann auch die geforderte Mindestbreite von Gehwegen zuzüglich des in der RAST06 festgelegten Sicherheitsraums von 50 cm zu Straßen und 25 cm zu Gebäudefassaden. Alle Bewegungsflächen sind dabei von Hindernissen freizuhalten. Die lichte Höhe darf 2,25 m nicht unterschreiten, steht damit aber im Widerspruch zur DIN 18040-1+2 (2,20 m) und zur DIN 32984 (2,30 m).
Der Platz zwischen Umlaufschranken wird auf 1,50 m erhöht. Ein- und Ausgänge dieser Absperrung müssen mindestens 0,90 m breit sein.
Abweichend vom Normenentwurf wird der Platzbedarf für den ruhenden Kraftfahrzeugverkehr in der aktuellen Diskussion nun wieder mit 3,50 x 5,00 m für den Seitenausstieg und mit 2,50 x 7,50 m für den Heckausstieg definiert.
Längs- und Quergefälle
Geblieben ist die Begrenzung der Querneigung von Wegen, auf maximal 2%.
Dies soll zukünftig aber auch für Grundstückszufahrten und Querungsstellen gelten. Grundstückszufahrten sollen dann über Schrägbordsteine erreichbar werden. Querungsstellen können durch Absenkung der gesamten Wegebreite diese Anforderung erfüllen. Vermieden oder reduziert wird hierdurch das permanente, kräftezehrende Abdriften von Rollatoren und Rollstühlen. In ebenen Bereichen ohne Längsneigung sind Querneigungen bis maximal 2,5 % zulässig.
Die Vorgabe für das maximale Längsgefälle (6 %) von Wegeflächen entspricht zwar dem alten Standard, für kurze Strecken von bis zu 1,00 m Länge erlaubt die DIN 18040-3 nun aber Gefälle bis zu 12 %.
Oberflächen
Sehr konkret werden in der neuen Norm die Wegeoberflächen definiert. So wird für Natursteinpflaster eine gesägte Oberfläche und für alle anderen Beläge grundsätzlich eine phasenfreie Ausführung mit kleinstmöglicher Fugenbreite empfohlen.
Die geforderte Rutschfestigkeit wird über den SRT Wert >55 oder den R-Wert von mind. 11 bzw. 10 V4 definiert.
Überquerungsstellen: Ist die Überquerung einer Fahrbahn für Fußgänger grundsätzlich nicht ausgeschlossen, so müssen zukünftig barrierefreie Überquerungsstellen mindestens an allen Straßeneinmündungen vorhanden sein. Wahlweise können diese als getrennte Überquerungsstellen nach DIN 32984 mit differenzierten Bordhöhen oder als gemeinsame Querungsstelle mit 3 cm Bordhöhe ausgeführt werden. Die Bordkante sollte mit einer Ausrundung von r = 20 mm versehen werden.
Öffentlich zugängliche Anlagen des Personenverkehrs: Die Abmessung und Kennzeichnung der Bewegungsflächen an Bus- und Bahnsteigen entspricht mit einer Breite von mind. 2,50 m noch den Vorgaben der alten Norm. Geändert haben sich jedoch Abstand und Höhenunterschied des Fahrzeugeinstiegs zur Bahnsteigkante. Statt ursprünglich 3 cm sind hier nun 5 cm zulässig. Für Rollstuhlnutzer kann dies eine unüberwindbare Barriere darstellen und ist daher nicht optimal.
Zusätzlich aufgenommen wurden die nach dem zwei-Sinne-Prinzip (s.o.) auszuführenden Warnhinweise, Orientierungshilfen und Fahrgastinformationen.
Auch die höhengleichen Fußgänger-Überquerungsstellen von Gleisanlagen sind ein neuer Bestandteil der Norm. Die Ausführung soll barrierefrei in der Regel gemäß
DIN 32984 erfolgen.
Rampen und Treppen: Die Vorgaben für Rampen, mit maximal 6 % Gefälle, einer maximalen Rampenlänge von 6,00 m, einer Mindestbreite von 1,20 m sowie Handläufen und Radabweisern, orientieren sich im Wesentlichen an den Vorgaben bereits bestehender Normen. Eine wichtige Neuerung ist aber die Zulässigkeit von abwärts führenden Treppen in Verlängerung von Rampen und zwar am unteren Rampenende im Abstand von 10,00 m und am oberen Ende im Abstand von 3,00 m.
Auch die Anforderungen an Treppen haben sich geändert. So sind nun einerseits gewendelte Treppen ab einem Durchmesser des Treppenauges von 2,00 m sowie
Stufenunterschneidungen bis 2 cm bei schrägen Setzstufen zulässig, andererseits
werden für Treppenanlagen unabhängig von ihrer Höhe Markierungen auf den Kanten aller Stufen gefordert. Bodenindikatoren am Beginn und Ende einer Treppenanlage dürfen nicht mehr kontrastreich sein, sondern müssen möglichst im gleichen Farbton der Treppe ausgeführt werden. Die noch anders lautenden Vorgaben der DIN 18024-1 hatten in der Vergangenheit zu zahlreichen Unfällen geführt.
Grün- und Freizeitanlagen, Naturraum: Deutliche Lockerungen gibt es bei den Vorgaben für öffentlich zugängliche Grün- und Freizeiteinrichtungen. Die Neuaufstellung von Toilettenanlagen ist nicht mehr bindend vorgeschrieben und auf Nebenwegen sind in Sichtweite lediglich Bewegungsflächen von 1,50 x 1,50 m vorzusehen die in dieser Breite aber keine Begegnung von zwei Rollstuhlnutzern ermöglichen. Für die Anordnung von Ruhebänken ist lediglich ein „angemessener“ Abstand gefordert. Woran sich die „Angemessenheit“ orientieren sollte, bleibt dabei leider offen.
Zahlreiche Modellprojekte, Beispiele und Experimente zeigen, dass der Naturraum auch für Menschen mit sensorischen oder motorischen Einschränkungen erlebbar und wahrnehmbar gemacht werden kann und sollte. In der DIN 18040-3 fand dieser neue Aspekt daher auch besondere Berücksichtigung. Neben den Vorgaben für eine barrierefreie Wegeführung wird für Blinde und Sehbehinderte auch ein taktiler und visuell stark kontrastierender Plan des jeweiligen Naturraums empfohlen. An Badestellen sollte für Menschen mit motorischen Einschränkungen der Einstieg in das Gewässer über flache Treppen mit beidseitigem Handlauf oder schiefer Ebene mit festem Untergrund ermöglicht werden. Angelplätze müssen barrierefrei zugänglich und gefahrlos nutzbar sein. Die Mindestgröße je Angelplatz ist mit 1,50 x 1,80 m vorgegeben. Eine Aufkantung mit einer Mindesthöhe von 0,15 m zu den absturzgefährdeten Seiten kann als Alternative zu einem Geländer vorgesehen werden.
Es ist ganz normal, verschieden zu sein
Für das Menschsein gibt es keine Norm. Dennoch ist es wichtig, Richtlinien und Standards gemeinsam mit den Betroffenen zu entwickeln, um einen Konsens zwischen den unterschiedlichen Interessenslagen mobilitätseingeschränkter Gruppen erzielen zu können. So berücksichtigt das mit der Normenreihe DIN 18040 neu eingeführte Zwei-Sinne Prinzip die mit zunehmendem Alter auftretenden Fähigkeitseinschränkungen mehrerer Sinnesorgane (z.B. Sehbehinderung und Schwerhörigkeit). Um eine realistische Vorstellung davon zu erhalten, wie Barrieren im Freiraum auf Menschen mit Fähigkeitseinschränkungen wirken, ist es für Freiraumplaner sinnvoll sich über die Vorgaben der einschlägigen DIN Normen hinaus in die Situation der Betroffenen zu begeben. Eine Stadtexkursion mit dem Rollstuhl, ein Spaziergang mit Simulationsbrille und Blindenstock oder die Quartierserkundung mit einem Alterssimulationsanzug eröffnen neue Sichtweisen und Verständnis für die Probleme mobilitätseingeschränkter Menschen.
Eine barrierefreie gestaltete Umwelt hat letztendlich für alle Menschen Vorteile.
Für 10 % der Bevölkerung ist sie unentbehrlich, für 30-40 % der Bevölkerung ist sie notwendig und für alle ist sie komfortabel[2]. Eine behindertengerechte Planung ist folglich auch immer eine menschengerechte Planung.
Wir sind alle verschieden und dadurch jeder für sich einzigartig. Dieser Paradigmenwechsel ist vielleicht noch Wunschtraum oder Vision. Er wird aber das Leben von uns allen lebendiger, spannender, bunter und vor allem glücklicher machen. Dies fordert aber von allen, insbesondere von den mit der Freiraumplanung befassten Disziplinen, ein Umdenken und eine neue Orientierung in Richtung einer kreativen Gestaltung barrierefreier Lebensräume. Die neue DIN 18040-3 gibt uns hierfür einen ausreichenden Spielraum.
Foto: Abbildung von MenschWerk, Institut für humane Umfeldplanung