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Internationales Fachmagazin für Spiel-, Sport- und Freizeitanlagen

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10.06.2015 - Ausgabe: 3/2015

Der Inklusive Spielraum - eine lohnende Herausforderung

von Maria Feske, staatlich anerkannte Heilerziehungspflegerin

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Inklusive Spielräume, Barrierefreiheit, Inclusive Play.

Viele Menschen denken nun an ein Kind im Rollstuhl.

Und schnell kommt die Erkenntnis, dass ein Spielplatz, der nur von Sand umgeben ist, auf dem es viele hohe Kanten gibt und Rampen nicht vorhanden sind, schlicht unzugänglich für dieses Kind ist. Sind geeignete Spielgeräte vorhanden, ist dieses Kind dennoch auf ständige Unterstützung angewiesen. Diese Überlegungen sind richtig, erfassen aber nur einen kleinen Teil dessen, was einen inklusiven Spielplatz wirklich ausmacht. Inklusive Spielräume sind abwechslungsreich. Sie berücksichtigen in ihrem Design die menschliche Vielfalt. Sie gleichen nicht einfach nur „Defizite“ aus.

Ein breites Spektrum an Spiel- und Nutzungsmöglichkeiten, ist die beste Voraussetzung, einen inklusiven Spielraum zu realisieren. Er sollte verschiedene Sinneserfahrungen ermöglichen und motorische Herausforderungen in unterschiedlichen Abstufungen bereithalten, um möglichst viele unterschiedliche Personen, mit unterschiedlichen Fähigkeiten, durch seine Gestaltung anzusprechen. Ein inklusiver Spielplatz sollte großen und kleinen, jüngeren und älteren Nutzern die Gelegenheit bieten, ihren persönlichen Interessen, Fertigkeiten und Stärken zu folgen, an diese anzuknüpfen und diese einzubringen. Über zwanglose Nähe oder Distanz können hier verschiedene Menschen ihre Gemeinsamkeiten und ihre Unterschiede möglichst autonom wahrnehmen und erleben. Dann kann ein Spielplatz ein Ort der Begegnung sein. Ein Ort, an dem sie voneinander und miteinander lernen können. Seite an Seite werden auf diese Weise soziale und strukturelle Barrieren kompensiert bzw. überwunden.

Dem Wunsch nach Selbstbestimmung und Autonomie sollte bei der Gestaltung eines Spielraumes Beachtung geschenkt werden, dabei sollte möglichst vielen Menschen entsprochen werden, auch Kindern mit Rollstühlen. Es soll aber keineswegs um „Gleichmacherei“ gehen. Nicht jeder ebenerdige Sandkasten muss verschwinden, damit das Kind mit Rollstuhl nicht bemerkt, dass es nicht laufen kann. Solche Gedanken sind diskriminierend. Dieses Kind kann genauso gut oder schlecht wie jedes andere Kind mit seinen eigenen Grenzen umgehen.

                       

Wege und Geländer

Stufenfreier Zugang zu befestigten Wegen auf dem Spielplatzgelände bietet vielen Kindern bzw. auch anderen Nutzern einen Vorteil. Kindern, die eine starke Sehschwäche haben oder blind sind, kann ein Weg, der von einem Spielareal zum anderen führt, Orientierung bieten und autonomes Spielen ermöglichen. Der feste Weg erhöht das Gefühl der Sicherheit für Kinder mit Sehbehinderungen. Durch die Integration eines Geländers, beispielsweise eines sehr straff gespannten Seils, kann in manchen Fällen z.B. ein Blindenstock überflüssig sein. Das Kind hat nun zum Beispiel die Hände fürs Klettern frei. Es muss sich keine Gedanken machen, ob sein Stock vom nächsten Kind in dessen Spiel eingebaut wird. An dem Geländer können Elemente in Form von ertastbaren Symbolen angebracht werden, welche dem Kind signalisieren, wann es sich zum Beispiel neben einer Schaukel befindet. Es ist auch keinesfalls nötig ein Geländer nur zum Festhalten starr einmal entlang der Spielraumfläche aufzubauen. Der feste Weg und ein Geländer erleichtern auch Kindern mit Gehbehinderungen den Zugang. Das Geländer bietet Gestaltungsmöglichkeiten. Es kann eine interessante variierende Struktur aufweisen, an Ihm lassen sich akustische Elemente, Drehscheiben mit interessanten Mustern oder Schiebeelemente aus unterschiedlichen Materialien anbringen.

Solche sensorischen Elemente können aber auch, an traditionellen Geräten angebracht, einen Mehrwert bringen. Sie laden Kleinkinder, Menschen auf der entsprechenden Entwicklungsstufe und Menschen mit Sinnesbeeinträchtigungen zum gemeinsamen Spiel ein, da zu Beginn des aktiven Spiels von Menschen das sensomotorische Erlebnis steht. Hierbei werden verschiedene Sinnesfunktionen (Sehen, Hören, Tasten) und fein- sowie grobmotorische Funktionen (Greifen, Reiben, Klopfen) auf einander abgestimmt.



Barrierefreie Angebote

Ein inklusiver Spielplatz sollte dennoch auch Beschäftigungsangebote für Kinder im Rollstuhl bereithalten. Hilfreich sind auch hier befestigte Wege, die einen autonomen Zugang erlauben. Barrierefreie Elemente können beispielsweise Sandspielflächen in unterschiedlichen Höhen, Gummimatten als Brücken und flache Rampen sein, über die ein Kind die höheren Ebenen eines Kletterspielgerätes erreichen kann. Auch sind Klettergeräte, bei denen die Oberkörperkraft entscheidend ist, denkbar. Seilspielgeräte mit integrierten Sitzflächen sind durchaus für einige Kinder im Rollstuhl zugänglich. Nestschaukeln, die ursprünglich zu Therapiezwecken entworfen wurden, sind bei vielen Kindern beliebt. Die großzügige Liegefläche erlaubt oft auch ein gemeinsames Schaukeln von Kindern mit und ohne Behinderung.
 

Das inklusive Potential von Seilspielgeräten

Wie eingangs erwähnt, geht es bei inklusiven Spielräumen nicht nur darum, Barrieren zu eliminieren, sondern vielseitiges Spielen und Begegnen zu ermöglichen. Seilspielgeräte bieten die Möglichkeit unterschiedliche Schwierigkeitsstufen in einem Spielelement zu vereinen.

Jüngere Kinder können ihre motorischen Fertigkeiten in engmaschigeren Abschnitten einer Spieleeinheit erproben. Größere Kinder oder junge Erwachsene, welche noch gern klettern (zum Beispiel auch solche mit einer geistigen Behinderung), können sich in Abschnitten mit größeren Abständen zwischen den Seilen austoben. Sind Hängematten in das Spielelement eingebaut, haben auch Menschen mit einer sehr starken körperlichen Beeinträchtigung die Möglichkeit, am Geschehen teilzuhaben. Werden die Bewegungen der kletternden Kinder zusätzlich noch zu einer Liegefläche übertragen, kann ein echtes Zusammengehörigkeitsgefühl entstehen.

Eine andere Stärke dieser Geräte liegt in der motorischen Herausforderung, die sie darstellen. Anschaulich wird das am Beispiel von Kindern mit ADS oder ADHS. Sie (und alle anderen Nutzer auch) profitieren von der Notwendigkeit, sich auf ihre Bewegungen konzentrieren zu müssen. Gleichzeitig können sie durch den Einsatz des ganzen Körpers viel von Ihrer überschäumenden Energie abreagieren.

Ein weiterer Vorteil kommt vor allem gehörlosen Kindern zugute. Sie haben die Möglichkeit über die Ebenen hinweg, Blickkontakt zu anderen Kindern oder Bezugspersonen außerhalb des Gerätes aufrechtzuerhalten. Durch die Transparenz der Seilspielgeräte sind sie im Spiel also nicht gezwungen die Lautsprache zu benutzen, um auf sich aufmerksam zu machen, sondern können die Gebärdensprache nutzen.

Infobox: Die Debatte darüber, ob gehörlose Kinder die Lautsprache erlernen sollten oder nicht, ist anhaltend. Im Gegensatz zu Gebärdensprache wird diese über Laute gesprochen. Es sollte beachtet werden, dass viele gehörlose Menschen diskriminierende Erfahrungen machen, wenn sie die Lautsprache benutzen. Häufig werden hierbei ihre geistigen Fähigkeiten unterschätzt. Unter anderem wegen dieser diskriminierenden Erfahrungen engagiert sich die Gesellschaft für Gebärdensprache und Kommunikation Gehörloser e.V. (GGKG) für die Anerkennung der Deutschen Gebärdensprache als Minderheitensprache. Ein weiteres Argument der GGKG ist, die Möglichkeit nonverbal kommunizieren zu können fördere das positive Selbstverständnis gehörloser Kinder (und Erwachsener).

Ein Spielraum, der gehörlosen und hörenden Kindern ihre unterschiedlichen Sprachen näher bringt, der im gemeinsamen Spiel deren Möglichkeiten und vielleicht auch deren Grenzen erfahrbar macht, fördert das Verständnis und die Akzeptanz für einander.

Für Kinder mit Sehbeeinträchtigung bspw. kann ein Niedrigseilgarten, bei dem die einzelnen Kletterelemente miteinander verbunden sind oder auch ein Raumnetz ein neues Spielerlebnis bedeuten. Angstfrei können sie so nah am Boden bzw. in einem durch Netzmaschen gesicherten Raum klettern, sich ausprobieren und größere Herausforderungen meistern.

 

Struktur und Rückzugsräume auf einem inklusiven Spielplatz

Einen Spielraum inklusiv zu konzipieren heißt unterschiedliche Bedürfnisse zu berücksichtigen. Es gibt Kinder, die nur schwer Kontakt mit anderen Menschen aufnehmen können, bzw. die längere Rückzugspausen benötigen. Dies gilt beispielsweise für Kinder mit einer Autismusspektrumstörung (ASS). Kindern mit ASS fällt es meist schwer sich auf neue Umgebungen, neue Menschen und Beziehungen einzulassen. Ihr Interesse am Spiel mit Objekten ist oft größer, als am Spiel mit anderen Kindern. Elemente, die akustische, visuelle und taktile Sinneserfahrungen ermöglichen, können ihr Interesse an Aktivität steigern. Ihre Körperwahrnehmung lässt sich vielfach als gedämpft beschreiben und meist mögen sie sich wiederholende Bewegungsabläufe. Es gilt, ihnen hier Erfahrungen mit einer gewissen Intensität zu ermöglichen, zum Beispiel durch sehr hohes Schaukeln, eine Wippe oder eine Drehscheibe. Häufig mögen Sie klare, überschaubare Strukturen und Abläufe. Dies gibt ihnen Sicherheit. Auch hier kann ein Weg wieder von Vorteil sein. Getrennte Kletter-, Sinnes-, Buddel- und Rückzugsbereiche können es ihnen erleichtern, sich auf diese Umgebung einzulassen und sich im Spiel auszuprobieren. Von einer klaren Struktur und Übersichtlichkeit profitieren aber auch Menschen mit einer geistigen Behinderung, da die Orientierung und Informationsaufnahme dann leichter gelingt. Soziale Erfahrungen machen Kinder mit ASS lieber als stille Beobachter. Kleine Spielhäuser, die einen Blick nach außen ermöglichen und etwas abgelegen vom Treiben liegen, können solche Rückzugsorte sein. Auch hier lassen sich Elemente, die die Sinne ansprechen, gezielt integrieren.

Spielhäuser sind aber auch eine geeignete Plattform für Rollenspiele. Vom Nachahmen erlebter Szenen bis hin zu komplexen, selbsterdachten Geschichten spiegelt und fördert das Rollenspiel die Fähigkeit, soziale Rollen in der Welt zu erkennen, zu verstehen und für sich zu übernehmen, bzw. zu gestalten.

 

Inklusiver Spielraum – ein Ort des Miteinanders

Die Entwicklung der verschiedenen spielerischen Verhaltensweisen folgt einer bestimmten Hierarchie, die für alle Menschen Gültigkeit hat. Im Spiel eines Menschen drückt sich der Entwicklungsstand einer Person, nicht nur ihr Alter aus. Altersstufen, die bestimmten Verhaltensweisen zugeordnet sind, gehen meist von einer regelhaften Entwicklung aus und haben durchaus ihre Berechtigung. Sie beziehen sich aber nicht zwangsläufig auf Menschen mit einer körperlichen oder geistigen Behinderung. Verschiedene Entwicklungsstufen gehen mit verschiedenen Spielinteressen einher. Bei der Planung und Gestaltung eines inklusiven Spielraumes liegt die große Herausforderung darin, dem Nachgehen unterschiedlicher Interessen für unterschiedliche Körpergrößen und Mobilitätsgrade zu ermöglichen.

 

Inklusive Spielräume gestalten heißt, Orte schaffen, an denen uns die Offenheit, Neugier und Unbefangenheit von Kindern mit oder ohne Behinderungen den Reichtum eines Miteinanders vor Augen führt. Eine Umgebung zu schaffen, die menschliche Vielfalt berücksichtigt, bedeutet nicht, den kleinstmöglichen Nenner zu finden. Es bedeutet vielmehr, das Potential einer Gesellschaft in Gänze zu ermöglichen, zu erfahren und zu fördern. Dies ist eine lohnende Herausforderung.

 

Fotos: Berliner Seilfabrik GmbH & Co.

 


Zur Person: Maria Feske ist staatlich anerkannte Heilerziehungspflegerin mit langjähriger Berufserfahrung in der Arbeit mit Kindern und Erwachsenen mit Behinderung. Sie ist Mutter eines 4-Jährigen Jungen und arbeitet zurzeit an der Abschlussarbeit ihres Psychologiestudiums. Als Beraterin für die Berliner Seilfabrik entwickelt sie gemeinsam mit dem Team des Berliner Spielgeräteunternehmens Spielplatzkonzepte, die solchen besonderen Herausforderungen gewachsen sind.
 


 

 

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